Der Weg zum Kreuz
von Joachim Kruse (99734 Nordhausen)
Predigtdatum
:
22.02.2004
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Estomihi
Textstelle
:
1. Korinther 13
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Wochenspruch:
Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. (Lukas 18,31)
Psalm: 31,2-6 (EG 716)
Lesungen
Altes Testament:
Amos 5,21-24
Epistel:
1. Korinther 13,1-13
Evangelium:
Markus 8,31-38
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 455
Gott des Himmels und der Erden
Wochenlied:
EG 413
oder EG 384
Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt
Lasset uns mit Jesus ziehen
Predigtlied:
EG 409
Gott liebt diese Welt
Schlusslied:
EG 365
Von Gott will ich nicht lassen
1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Hinführung:
Das Hohelied der Lied als Wegzehrung auf dem Weg zum Kreuz!
Diese so poetischen Verse am Beginn der Passionszeit!
Das ist wohl zunächst eine Zumutung.
In der Predigt habe ich versucht - vor dem Hintergrund der streitenden Gruppen in der Gemeinde in Korinth, am Duktus des Textes entlang, mit aktuellen Beispielen versehen - die Facetten der Liebe als Agape in ihrer dreifachen Weise zu entfalten – zu mir selbst, zum Nächsten und zu Gott.
Dabei ging es mir um das selbstkritische Wahrnehmen meiner eigenen Angewiesenheit auf die mir zuvorkommende, bedingungslose Liebe Gottes. In der Auseinandersetzung mit ihr finde ich zum Leben und werde selbst erst fähig für die Liebe zum Nächsten. Die Predigt möchte eine Einladung sein, sich mit dieser Liebe in der kommenden Passionszeit auseinander zu setzen und ihrer Tiefe und Weite nachzuspüren.
Die reiche Lyrik des Textes lädt zum eigenen Nachsinnen geradezu ein. Vielleicht könnte ein Blatt mit dem Luthertext und/oder einer anderen Übertragung (etwa der von Jörg Zink), den Besucher/-innen des Gottesdienstes am Ausgang als Hilfe für das eigene Meditieren mitgegeben werden.
Liebe Gemeinde,
Liebe macht blind – so heißt es im Volksmund, liebe Gemeinde.
Und das bedeutet oft: vor lauter Liebe, bei aller Zuwendung etwas zu übersehen oder zu übergehen. Etwa: was mein Kind jetzt wirklich braucht, was meinem Partner/meiner Partnerin tatsächlich fehlt.
Vor lauter Glück im Zusammensein dennoch verschlossen bleiben: für das Leise, das Kleine, das Zarte im Miteinander, und nicht zu spüren: da geht uns etwas verloren,
Liebe – weil sie abstumpft, bei sich bleibt, macht dann blind, sieht das Eigentliche nicht mehr: Was Menschen miteinander verbindet, was den Nächsten ausmacht, wie er/sie sich verändert. Und irgendwann kommt alles gut Gemeinte beim anderen nicht mehr an. Die Liebe verliert sich. Und mit ihr der Mensch.
Vielleicht dann, wenn mein Kind zum Jugendlichen und Heranwachsenden wird, vielleicht dann, wenn Partner sich durch das Berufsleben bedingt, kaum noch erleben, vielleicht dann, wenn die eigenen Eltern älter werden.
Wer das erlebt, spürt: das ist erschütternd. Wer das selbst kennt, weiß: das endet oft tragisch.
I.
Liebe macht auch in Korinth blind.
Da gibt es ein Ringen um den besten Weg zu den Menschen, um die wahre Botschaft für die Gläubigen. Vielleicht hat man das erst gar nicht so gespürt, war begeistert über das, was Paulus bei seinem Besuch in der Gemeinde berichtete: von der neuen Kraft, die Gott schenkt, frei zu sein von Regeln und Zwängen; ganz offen für den guten Geist Gottes zu sein, Neues zu wagen, zu hoffen und glauben. Und so zusammen zu kommen.
In der bunten Hafenstadt am Mittelmeer hat das die Menschen bewegt. Die Christengemeinde wuchs. Auch Reisende, Gäste und Besucher der Stadt fühlten sich angezogen. Man war interessant, man war eine besondere Gemeinschaft.
II.
Und so waren die Korinther allzu eifrig dabei, Paulus Worte umzusetzen. Gottes gutem Geist Raum zu geben. Sie fühlten sich ermutigt, ihren unterschiedlichen Gaben freien Lauf zu lassen. Die einen redeten in Zungen, die anderen weissagten die Zukunft - wieder andere hielten das Sammeln von Gaben für die Armen in der Stadt für das wichtigste in der Gemeinde.
Alle diese Meinungen waren wohl irgendwie auch richtig, passten zu der Gemeinde. Und doch ging es schon bald um mehr! Es veränderte sich allmählich die innere Haltung zueinander. Ein Wettstreit innerhalb dieser Gruppen entstand. Es ging um eigene Wichtigkeiten, um die ganz besonderen Gaben der einzelnen Gruppen - letztlich um Beachtung nur noch von sich selbst. Und so brach Unruhe, ja, Streit aus.
Jeder hielt seine Sache für das Wichtigste, dem alles andere unterzuordnen sei. Der gute Geist miteinander, die Liebe zueinander - das war verflogen. Sie konnten sich nicht mehr austauschen und verstehen. Sie waren blind füreinander geworden. In der - falsch verstandenen! - Liebe zu Christus.
III.
Paulus hat davon gehört – und es tut ihm im Herzen weh. Dieser Streit um die richtige Rede von Christus, um das angemessene Leben als Christen ruft seine Leidenschaft wach. In immer neuen Anläufen entfaltet er im Korintherbrief seine Predigt:
Haltet Euch an den einen Christus! Er stand als Gekreuzigter von den Toten wieder auf! Er schickte seinen Geist, uns zu trösten und zu helfen! Das allein glauben wir! Nichts anderes will er den Korinther sagen.
Und so schreibt er mahnend und dringlich zugleich diese Worte:
Wenn ich mit Menschen- und Engelzungen reden könnte, ... wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse ... und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe ...
(Und wir könnten selbst nun eigene Beispiele einfügen, wo Rechthaberei alles Gemeinsame zerstört und ein Miteinander vergiftet ... )
Paulus schließt jeden dieser Sätze gleich ab, und betont damit das für ihn wichtigste: Und hätte die Liebe nicht…
Paulus schlägt sich nicht auf die eine oder andere Seite in Korinth. Es geht ihm vielmehr um eine innere Haltung zueinander. Er führt den Korinthern - und auch uns heute - eine Art Kriterium, eine christliche Ethik für das Gemeindeleben vor Augen: Liebe – griechisch: Agape – soll das Miteinander prägen! Gerade in der Unterschiedlichkeit, gerade in der Verschiedenheit, gerade in der bunten Vielfalt, die eine Christengemeinde wie die in der Hafenstadt Korinth ausmacht.
IV.
Wer von dieser Liebe ergriffen ist, wer sie in sich spürt, als Quelle zum Leben, als Maxime des Handelns – der sieht als erstes sich selbst in einem anderen Licht. Der nimmt sich selbst anders wahr und an. Vielleicht selbstkritischer, vielleicht wissend: ich bin angewiesen auf diese Liebe von außen, auf Agape.
Jesus selbst spricht ja im Doppelgebot der Liebe davon (Lukuas10,25ff) – um lieben zu können, frei und offen für Gott und den Nächsten zu sein, brauche ich das OK mit mir selbst, brauche ich das Einverständnis mit meinem Leben in seinen Höhen und Tiefen. Dass ich weiss, ich bin trotz allem geliebt.
Paulus hat Höhen und Tiefen in seinem Leben erlebt, und so entfaltet er, was dies für ihn bedeutet, welche Qualitäten diese Liebe hat; welche Kraft in der Agape liegt, damit sie nicht blind macht, sondern zu Gott, zu sich selbst und zum Nächsten führt.
Und es lohnt sich, diese Beschreibung für sich selbst zu meditieren, mit hinein in die kommende Passionszeit zu nehmen: Die Liebe ist langmütig, freundlich, eifert nicht, bläht sich nicht auf, sucht nicht das ihre, rechnet das Böse nicht zu, freut sich an der Wahrheit, erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, duldet alles.
V.
Wer in dieser Liebe zu sich selbst findet, liebe Gemeinde, der handelt auch aus ihr heraus, sieht nicht nur sich in seiner eigenen Bedürftigkeit zur Liebe, sondern zugleich den Nächsten mit, beachtet den Hintergrund und das Anliegen des/der Anderen, seine/ihre Geschichte, mit den erlebten Aufbrüchen und erlittenen Abbrüchen – gerade weil es auch eigene gibt.
In einer Partnerschaft kann dieser andere, neue, liebevolle Blick auf das Miteinander ein Schlüssel sein, wieder gemeinsam weiter zu kommen.
In einer Gemeinschaft kann diese annehmende Haltung zum Anderen, auch Fremden weiter helfen, am Gemeinsamen dran zu bleiben.
Freilich, eine solch gelebte innere Haltung, Liebe – Agape, das stellt sich nicht von selbst ein. Liebe – und so versucht es ja auch Paulus mit seinem Brief an die Korinther! – Liebe muss immer wieder erarbeitet werden ! So wie es wohl auch viele Brautleute ahnen, wenn sie diese Worte für ihren Lebensweg miteinander wählen.
Und will so Paulus eigentlich mitsagen – wo diese Liebe sich nicht mehr einstellt, wo eine neue und offene innere Haltung zum Mitmenschen nicht mehr erarbeitet werden kann, wo sie verloren gegangen ist - da ist das dann auch zu benennen, da ist der Wahrheit zu folgen, an der sich die Liebe freut.
VI.
Paulus geht noch weiter, liebe Gemeinde.
Es bleibt nicht nur bei den Handlungsanweisungen für einen selbst, für gemeindliches oder zwischen-menschliches Miteinander. In den letzten Versen dieses so wunderbar poetischen Textes weitet er den Horizont auf die Liebe Gottes. Und diese Liebe hört niemals auf.
Wo alles andere aufhört - wo unser Leben je älter desto mehr als Fragment, als Stückwerk erscheint, wo jeder und jede selbst an seine und ihre eigenen Grenzen kommt und nicht mehr weiter weiß – In der Erziehung der Kinder, in der Liebe zum Partner/in, für sich selbst: körperlich, geistig oder seelisch - es bleibt die Liebe Gottes, die aufhilft, vergibt und neu werden lässt. Es bleiben die offenen Arme dieses liebenden Gottes, die trösten, stärken und ins Leben finden lassen. Es bleiben die freundlichen Worte dieses Gottes, die Zuversicht schenken und wieder hoffen lassen.
Paulus ist sich gewiss, dass nichts ihn trennen kann von dieser Liebe Gottes (wie er im Römerbrief schreibt, 8,38f). Sie ist in Jesus Christus erschienen. Darum ist sie die größte, die wichtigste Gabe.
Aber diese Liebe soll unseren Umgang mit uns selbst, unseren Glauben, unsere Gemeinschaft leiten. Und sie soll uns und viele Menschen zur Hoffnung führen. Dann macht sie nicht blind, sondern öffnet den Blick und das Herz für die Weite und Tiefe des Lebens miteinander und mit Gott.
Gott helfe uns, dieser Liebe zu trauen und ihr treu zu bleiben. Amen.
Verfasser: Pfr. Joachim Kruse, Sangerhäuser Str. 1a, 99734 Nordhausen
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