Die anvertrauten Gaben
von Matthias Rost (Neudietendorf)
Predigtdatum
:
13.08.2017
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
8. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Matthäus 7,24-27
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Liebe Gemeinde,
letzter Arbeitstag. Ab morgen Rente. Noch einmal die Kolle-gen treffen. Sie sind heute alle freundlich. Einige lächeln so-gar. Mitleidig oder neidisch, wer weiß das schon?! 41 Arbeits-jahre sind vorbei. Was haben sie gebracht? Was waren sie wert?
Auch wenn wir selbst gerade nicht an dem Punkt sind: es gibt immer wieder Schwellen im Leben, die ein Anstoß sind, Bilanz zu machen, Zwischenbilanz oder Lebensbilanz. Mein Leben bisher: Was hat es gebracht? Was war es wert? Was trägt, was hat Bestand?
Jemand wird vierzig Jahre alt – das empfinden wir als die Mit-te des Lebens. Oder der 63. oder 65. Geburtstag - der Eintritt ins Rentenalter.
Einer verliert seiner Arbeit und fragt: Wie weiter jetzt? Oder ein beruflicher Wechsel wird notwendig.
Die erwachsenen Kinder verlassen das Elternhaus - und die Mutter fühlt sich ihres wichtigsten Lebensinhalts beraubt. Bei manchen ist es auch eine schwere Erkrankung, die dazu zwingt, anders zu leben als bisher. Oder der Verlust des lang-jährigen Lebensgefährten.
Wenn die eigenen Eltern gestorben sind, hat man das Gefühl, nun, wie man so sagt, „in der vordersten Reihe“ zu stehen. Da stellt sich Nachdenklichkeit ein. Man hält inne. Man macht Bilanz. Mein Leben bisher: Was hat es gebracht? Was war es wert? Was trägt für die Zukunft, was hat Bestand?
Jesus sagt am Schluss der Bergpredigt im Matthäusevan-gelium - und das ist unser Predigttext:
Matthäus 7, 24 – 27
„Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.
Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun der Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.“
Zwei Bauherren, zwei Häuser. Vom äußeren Ansehen her vielleicht ganz ähnlich. Auf den ersten Blick kaum zu unter-scheiden. Vielleicht beide ganz hübsch anzusehen. Ob sie auch gut gegründet sind, zeigt erst die Belastung. Denn Un-wetter kommen. Ganz bestimmt. Und beide sind betroffen. Das eine hält stand, das andere stürzt ein. Das eine auf Fels gebaut, das andere auf Sand.
Es geht um mein Haus, um mein Lebenshaus. Wie ist es gebaut? - Das Gleichnis kennt nur zwei Möglichkeiten. Auf Sand oder auf Fels. Also entweder im Fundamentbereich schludrig - Hauptsache, die Fassade stimmt. Oder eben tief gegründet, standfest und widerstandsfähig, auch wenn das nach außen - sagen wir: zur Straße hin - auf den ersten Blick vielleicht gar nicht zu erkennen ist.
Nun - wer möchte das nicht? Dass mein Dasein so ein Haus auf festen Grund ist. Mein Leben stabil gegründet, solide fundiert. Mein Lebenshaus - erdbebensicher, sturmerprobt, sogar den Fluten gewachsen, die mich bedrohen.
Wer wird so dumm sein, auf Sand zu bauen?! Wer will sein Leben schon in den Sand setzen?! Strandburgen taugen für den Urlaub. Nur für den heutigen Tag. Und wenn nachts die Wellen über den Strand gehen oder ein Wind bläst, ist am nächsten Morgen alles fort. Das Haus meines Daseins möchte fester stehen.
Meistens im Leben ist es nicht so: entweder - oder, entweder solide oder lavede. Eher ist es so: Hier etwas Stabiles, dort etwas Brüchiges. Und dass „die Fassade bröckelt“, das bringt das Älterwerden halt so mit sich.
Aber das Gleichnis fragt uns natürlich. Worauf baust du? Worauf bist du gegründet? Und wenn du dein Leben an-schaust, wenn du Bilanz machst, was siehst du? Alles bestens? Alles stabil? Keine Gefahr? Oder hat dein Lebens-gebäude schon bedenkliche Risse bekommen. Ist schon was abgesackt. Oder ist schon ein Teil gar eingestürzt?
Spätestens wenn die Wellen einmal so richtig hochschlugen und wenn die Stürme des Lebens dir alles umgeworfen ha-ben, wirst du klüger werden, wirst nach den Fundamenten schauen, wirst den Baugrund prüfen, auf dem das Haus deines Lebens steht. In den Schönwetter-Perioden des Le-bens mag die Fassade ganz imponierend sein. Erst in den Krisen zeigt sich, was die Gründung wert ist.
Das Kloster Drübeck steht am Nordrand des Harzes. Bevor die Mönche dort zu bauen anfingen - um 870 herum ist das gewesen - haben sie ein Jahr lang das Gelände untersucht: Und dort, wo es im Sommer am grünsten war, haben sie nicht gebaut. Klar, denn dort war es feucht. Heutige Bauleute haben sich über solche Weisheiten hinweggesetzt. Ergebnis: die neu gebauten Häuser sind feucht. Da kann man was machen, sanieren und sichern. Wer wird aber so dumm sein wollen, das Haus seines Lebens auf Sand oder in den Sumpf zu bauen?!
Aber wie geht das: mein Lebenshaus - solide fundiert, fest gegründet, auf Fels halt? Gottes Wort ist der sichere Bau-grund für mein Leben, schon klar. Das haben wir von klein auf gelernt.
Aber Jesus spitzt zu, er sagt: Wer hört - und nur hört, ist Sandbauer.
Wer hört und tut, ist Felsbauer. Es geht um den Zusam-menhang. Hören und Tun. Nur Hören reicht nicht. Ein Glaube, der nur hört und nicht praktisch wird, ist nicht tragfähig. Es genügt nicht zu hören. Es ist nicht genug, Jesus großartig zu finden. Es kommt nicht drauf an, die Tiefgründigkeit seiner Worte zu bewundern. Es reicht nicht, sich gelegentlich ein paar nette, wohltuende Lebensweisheiten von ihm abzu-holen.
Hören und Tun: Es kommt darauf an, dass wir die Worte auch leben. Wie unvollkommen, wie bruchstückhaft auch immer. Dass wir uns drauf einlassen, dass wir drauf bauen.
Fundamental ist, dass die Wahrheit ins Leben fließt. Stabil ist das Fundament des Lebenshauses, wenn das Alltägliche darauf gründet.
Sonst bleibt alles Fassade. Potemkin’sches Dorf. Eben mal hingestellt. Kulisse für besondere Anlässe.
Ein bloß gedachter Glaube hält den Stürmen des Lebens nicht stand. Ein bloß bewusstes Wort wird fortgeschwemmt, wenn die Fluten steigen.
Das ist das eine, was wir diesem Gleichnis entnehmen kön-nen: Solide gegründet ist mein Lebenshaus, wenn der Glaube alltäglich ist - im Hören und Tun. Wenn Gottes Wort mitgeht - im Beten und im Handeln.
Der Glaube braucht seine Alltagsgestalt, eine stetig prägende Normalität: Ein Wort zu Herzen nehmen, mich in Gottes Ge-genwart bergen. Es in den Alltag fließen lassen. Hören und Tun.
Ich bin sicher, für unser Christsein wird es - in Zukunft noch viel mehr als bisher - wichtig sein, dass es diesen alltags-praktischen Zusammenhang gibt. Dieses tägliche Sich-Ein-üben ins Hören und Tun. Diese authentische Verbundenheit von Glauben und Leben. Nachdenkliche Zeitgenossen fragen ja auch danach, Jugendliche besonders, aber nicht nur sie. Die fragen nicht nur: Was denkst du? Was glaubst du? Was hast du für Überzeugungen im Herzen? Sondern immer auch: Wie wirkt sich das aus. Was hat das für Konsequenzen für deine Lebensgestaltung.
Hören und Tun. Das ganze Leben. Nicht nur so eine religiöse Insel im Leben, sondern ein Ganzes. Zu Herzen nehmen und daraus leben.
Nicht dass wir’s schon ergriffen hätten, wie Paulus sagt, aber dass wir dem nachjagen, dass wir uns danach ausstrecken, ist wichtig. Dass wir drauf hinstreben, dass das ganze Leben bestimmt sei von diesem inneren Zusammenhang.
Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Menschen, der sein Haus auf Felsen baute.
Nun sagt aber Jesus: „diese meine Rede“, und „diese seine Rede“, das ist nicht weniger als die ganze Bergpredigt, an deren Schluss diese Worte stehen. Und da wird es uns denn doch ein bisschen mulmig. Wer kann denn das alles hören und tun!
„Halt auch die andere Wange hin, wer dir den Rock nimmt, dem lass auch den Mantel!“ - wer diese Rede hört und tut sie, hat sicheren Grund.
„Sorgt nicht für den morgigen Tag!“ - wer diese Rede hört und tut sie, dessen Lebenshaus steht auch im Sturm.
„Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen!“ - wer diese Rede hört und tut sie, dessen Fundamente wackeln nicht.
Wer kann denn das?! Hören und tun! Ganz und gar? - So, wie die Bergpredigt es fordert. Ist das nicht geradezu paradox. Ist das nicht widersinnig? Gerade die Weisungen der Berg-predigt führen uns ja in ein Leben, das die eigenen Siche-rungen preisgibt. Die Bergpredigt mutet uns eine Lebens-weise zu, die sich ganz von Gott halten lässt. Die alle eigenen Sicherungen und Selbstbehauptungen aus der Hand gibt. Die nicht mehr fragt: Was kriege ich dafür? Was brauche ich morgen? Wie komme ich am besten heraus. Wie komme ich auf die sichere Seite? Sondern ein Dasein, das bereit ist, sich selbst loszulassen, sich preiszugeben. Eine Lebenseinstellung des Sich-Verlassens, ein Dasein mit offenen Händen und bloßen Füßen. Genau davon sagt Jesus: Das ist der sicherste Grund.
Jetzt kriegen wir ein ganz anderes Verständnis von Sicher-heit, vom Bauen auf sicherem Grund. Was trägt? Worauf ist letztlich Verlass, wenn die Wasser kommen und die Winde wehen und an unser Lebenshaus stoßen? Nicht das, was wir uns selbst so zurechtbasteln an klugen Fundament-Berech-nungen. Nicht das, womit ich auf die sichere Seite komme. Sondern: Hören und Tun! Dass ich mich einlasse auf diesen Lebensgrund. Mich loslassen, mich ganz von Gott halten lassen. Dann werde ich das Fundament spüren.
Es sind ein paar Fundamentsteine gelegt - gerade in der Bergpredigt - Fundamentquader, die wackeln nicht. Die stehen wie Granit. Auf die kann ich bauen.
Der eine ist das Gebet, das Jesus seine Jünger lehrt: Unser Vater, dein Name werde geheiligt, dein Reich soll kommen, dein Wille soll geschehen.
Jeden Tag wieder kann ich mich auf diesen Fundamentstein beziehen. Das steht. Das spülen die Unwetter des Lebens nicht weg.
Ein anderer Fundamentstein für mein Leben: die Goldene Regel. „Alles was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ (Mt 7, 12) Eine Regel, knapp und praktisch, die reicht in jede Lebenslage hinein. Die verbietet nicht, sondern setzt ganz viele Möglichkeiten und ganz viel Phantasie frei. Was wünsche ich mir, was braucht der andere? Ein Lebensprogramm. Damit werden wir ohnehin nie zu Ende kommen. Diese weiträumigste und flexibelste aller Lebens-regeln ist das sicherste Fundament.
Und schließlich sind da noch die Seligpreisungen. Diese großen Liebeserklärungen Jesu: Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig die Fried-fertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. - Hören und Tun?! Spätestens hier merken wir: Tun ist oft gar nicht so sehr Machen. Tun ist oft, sich drauf einlassen. Die Hände öff-nen. Tun ist Empfangen. Und dann spüren wir, wie tragfähig dieses Fundament ist.
Denn was wird, wenn dann mein Lebensgebäude bröckelt. Wenn ich eines Tages unbehaust dastehe? Wenn die irdische Hütte abgebrochen wird? Wer wird mein Lebenshaus vollen-den? - Dann stehe ich sowieso nicht mehr als Täter, sondern als Empfänger da. Dann gilt: Tun ist Empfangen - ganz und gar: Dann wird geschehen, was ich ganz und gar nicht in der Hand habe: die Trauer findet Trost, der Hunger wird gestillt. Die leeren Hände werden gefüllt und die dunklen Herzen erleuchtet.
Lebensbilanz, Stabilitätsprüfung – auf Sand oder auf Fels gebaut? Mein Leben bisher: Was hat es gebracht? Was war es wert? Was trägt für die Zukunft, was hat Bestand? Worauf kannst du bauen?
Jesus sagt: Wer diese meine Rede hört - und tut - und lebt, hat auf Fels gebaut.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf
© Copyright:
Herausgegeben vom

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich
(Bestellformular).