Wochenspruch: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. (Jesaja 42,3)
Psalm: 147,3-6.11
Reihe I: Apostelgeschichte 3,1–10
Reihe II: 1. Korinther 3,9–17
Reihe III: Markus 7,31–37
Reihe IV: Apostelgeschichte 9,1–20
Reihe V: Jesaja 29,17–24
Reihe VI: Lukas 13,10–17
Eingangslied: EG 302 Du meine Seele, singe
Wochenlied: EG 289 Nun lob, mein Seel, den Herren
Predigtlied: EG 293 Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden
Schlusslied: EG 320,8 Nun lasst uns Gott, dem Herren
1 Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester 2 und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, dass er Anhänger dieses Weges, Männer und Frauen, wenn er sie fände, gefesselt nach Jerusalem führe. 3 Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; 4 und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? 5 Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. 6 Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. 7 Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. 8 Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; 9 und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht. 10 Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. 11 Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet 12 und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und ihm die Hände auflegte, dass er wieder sehend werde. 13 Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; 14 und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangen zu nehmen, die deinen Namen anrufen. 15 Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. 16 Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen. 17 Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest. 18 Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen 19 und nahm Speise zu sich und stärkte sich. Saulus blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus. 20 Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei.
Liebe Gemeinde,
was für eine fulminante wunderbar wundersame Geschichte! Die Bekehrung des Saulus vor Damaskus. Eine Geburtsgeschichte der Kirche. Kaum eine führt uns so deutlich die Entstehung unserer christlichen Kirche vor Augen wie diese! Schauen wir uns die Geschichte und auch ein paar ihrer Nebenwirkungen an. Eine davon sei gleich jetzt am Anfang angesprochen: Diese Erzählung aus der Apostelgeschichte des Lukas hat über Jahrhunderte christliche Vorstellungen geprägt. Das betrifft die Vorstellung von Bekehrung und Erweckung zum Glauben. Das äußert sich auch sprachlich, insbesondere in dem Ausdruck „vom Saulus zum Paulus“, mit dem eine Wandlung vom Schlimmen zum Guten umschrieben wird.
Zur Entstehung der Kirche: natürlich, berühmt ist der Auftrag Jesu an Petrus, ehemals Jünger und danach einer der Apostel (Matthäus 16, 18): „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, …“ Das ist eine der Wurzeln von Kirche, und auf deren Tradition der apostolischen Nachfolge beruft sich ja insbesondere die katholische Kirche, hinsichtlich ihres hierarchischen Systems und vor allem ihrer Ämter.
Wir kennen auch die Entwicklung, gerade aus Freikirchen und evangelikalen Bewegungen, eine Bekehrung, besser eine persönliche Jesusbegegnung, als Maßstab anzunehmen. Das heißt dann sinngemäß: wer ein solches Erlebnis nicht vorweisen kann, gehört nicht wirklich dazu, kann nicht wirklich mitreden im Chor der Gläubigen.
Aber was Lukas, der Arzt und Verfasser des Lukas-Evangeliums, hier bietet, das ist salopp gesagt „ganz großes Kino.“ Und natürlich dürfen wir uns fragen: was fangen wir für uns damit an? Machen wir das für uns, und andere, zum Maßstab?
Schauen wir in die Geschichte hinein: Während zu Petrus noch der Lehrer und Wanderprediger und Prophet Jesus spricht, hat Paulus eine Begegnung mit Jesus, der schon auferstanden und zum Himmel aufgefahren ist; er sitzt mit Vater und Heiligem Geist auf Gottes Thron. Petrus wird durch die Beauftragung seines Lehrers Jesus zum Apostel, zum Abgesandten und Botschafter. Paulus beruft sich auf ein Erlebnis, das er – gemäß Lukas - mit dem auferstandenen Herrn gehabt hat; er ist ein Seiteneinsteiger – aber was für einer!
Jesu Worte an Paulus sind wörtlich umwerfend. Jesu Anruf wirft Saulus auf den Erdboden. Saulus nennt den Anrufer direkt „Herr“, obwohl er nicht weiß, wer da spricht. Er unterwirft sich. Dann aber rappelt er sich auf und steht wieder auf eigenen Beinen. Aber jetzt sieht er nichts mehr. Er muss sich führen lassen. Seine Begleiter führen ihn nach Damaskus hinein; übertragen heißt das auch: jetzt zeigt ihm Jesus, er hat die Führung übernommen. Über die Situation; über Saulus; über das ganze Geschehen.
Das schließt auch den Jünger, also Jesusanhänger, Hananias in Damaskus mit ein. Er ist ja schon einer, der den neuen Weg geht. Offenbar hat er aber trotzdem Zugang zur Damaszener Synagoge und ihrer Gemeinde. Leicht liest man über den Passus im Text hinweg, in welchem beschrieben wird: Chananja, griechisch Hananias, hat auch ein Erlebnis der besonderen Art. Eine Begegnung mit Jesus. Aber er geht nicht geblendet daraus hervor, sondern er erfährt eine Belehrung. Er soll sein Urteil über Saulus revidieren und diesen in Jesu Auftrag segnen. Das tut er dann auch.
So wird aus dem pharisäisch geschulten Juden und römischen Bürger Saulus aus Tarsus, seiner römisch geprägten Umgebung auch unter dem Namen Paulus bekannt, obwohl er nie selbst ein Jünger Jesu war, durch Einwirken von ganz oben der Völkerapostel. Aber dazu muss er erst einen ordentlichen Absturz erleben und erleiden. Nach dreitägigem Fasten und Meditieren lernt er Hananias kennen. Der grüßt ihn als Bruder Saul und segnet ihn. Saulus lässt sich taufen! Damit wird aus dem verblendeten Christenverfolger ein zunächst geblendeter und nachdenklicher Suchender. Dann ist er selbst zum unbeirrbaren Christusbekenner und Verkündiger geworden.
Die Erzählung spricht auch davon, wie bedrohlich und gewalttätig religiös und auch sonst fanatisierte Menschen denken und handeln können. Wie sie nicht auf Gott hören, sondern vielmehr Gott für ihre eigenen Zwecke, Ziele und Vorstellungen einspannen. Wir erleben das eindrucksvoll und bedrängend beim Islamismus unserer Tage. Wir erleben das in der Aggressivität, die sich in sozialen Medien Bahn bricht. Die Bekehrung des Saulus macht uns aufmerksam auf solches „Drohen und Morden“ gegen andere auch in unserer eigenen Glaubensgeschichte.
[evtl. hier aktuelle Beispiele]
Die Bekehrung des Saulus aus Tarsus erzählt Gott sei Dank aber vor allem, dass immer die Möglichkeit besteht, wenn sich ein Mensch tatsächlich auf Gott einlässt, dieser Mensch sein Denken, sein Handeln, sein Leben, sich selbst ändern kann.
[Parkplatz für ein Beispiel einer Bekehrungsgeschichte]
Unser kritisches Nachdenken will darum auch die gute, erfreuliche und zukunftsweisende Seite der Bekehrung ins Auge fassen. Nirgends sonst als in der Apostelgeschichte des Lukas wird uns das so eindringlich geschildert. Paulus selbst schreibt so gut wie nicht darüber. Aber er legt Wert darauf, von Jesus Christus selbst zum Apostel berufen und beauftragt worden zu sein.
Er versteht es jetzt als sein Wirken, den auferstandenen Christus zu predigen. Damit verbindet er Menschen aus allen Völkern der Welt mit dem jüdischen Volk und Glauben, dem Jesus angehört. Durch das Bekehrungserlebnis wird Saulus aus einem Verfolger zu einem Verkünder. Er erkennt sein Erlebnis als Mission, also als Auftrag, als Sendung. Er wird zum Missionar. Wo er bisher Spaltungen und Abtrünnige verfolgt hat, um sie zu beseitigen, sieht er jetzt den Auftrag, Menschen zu dem lebendigen Gott Israels und seiner weltumspannenden Gemeinschaft der Glaubenden hinzu einzuladen. Er verbindet in seiner Mission Menschen, die fern und fremd waren, mit der Verheißungsgeschichte Gottes mit seinem erwählten Volk. Er kann jetzt Beziehungen und Verbindungen aufbauen.
So sind auch wir selbst dazu genommen. Durch die Jesus-Botschaft, die Saulus verkündet, können wir zu Bekennern werden. Wir können daran mitarbeiten, den liebenden und lebendigen Gott, den Jesus Vater nennt, unter die Menschen zu bringen. Wir werden erinnert: Glauben leben zum Heil der Menschen und zum Lob Gottes ist nicht dasselbe wie Party machen. Es will immer wieder erarbeitet sein. Dabei mag es uns auch ergehen, wie es Jesus zu Hananias über Saulus sagt: „Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen.“
[Parkplatz für ein Beispiel, wie im Alltag solch eine missionarische Haltung gelebt werden kann.]
Da zeigt sich der große Ernst und die wirkliche Tiefe dessen, was Saulus / Paulus in seiner Bekehrung erlebt und was aus ihm den Völkerapostel macht. Frieden und Gerechtigkeit kommen ja nicht von Natur aus, sondern wollen erarbeitet und erkämpft sein. Genau das ist es wert, dass wir uns auch von Gott in Anspruch nehmen lassen, also: uns ansprechen, anrufen und in Bewegung setzen lassen in Gedanken, im Handeln, im gelebten Glauben. Amen.
Verfasser: Dekan i. R. Christian Rust, Rockenhausen
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