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Die Berufung des Matthäus und das Mahl mit den Zöllnern

von Eva Fitschen (Zschepplin)

Predigtdatum : 05.02.2023
Lesereihe : V
Predigttag im Kirchenjahr : Septuagesimae
Textstelle : Matthäus 9,9-13
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Wochenspruch: "Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit." (Daniel 9,18)

Psalm: 31,20-25

Predigtreihen

Reihe I: Prediger 7,15-18
Reihe II: Matthäus 20,1-16
Reihe III: Philipper 2,12-13
Reihe IV: Jeremia 9,22-23
Reihe V: Matthäus 9,9-13
Reihe VI: 1. Korinther 9,19-27

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 452 Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied: EG 342 Es ist das Heil uns kommen her
Predigtlied: EG.E 26 Mit dir, o Herr, die Grenzen überschreiten oder EG 394 Nun aufwärts froh den Blick gewandt
Schlusslied: EG 445,5 Führe mich, o Herr, und leite

Predigttext: Matthäus 9,9-13

[Der Predigttext wird erst während der Predigt gelesen.]

9 Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. 10 Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. 11 Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? 12 Als das Jesus hörte, sprach er: Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. 13 Geht aber hin und lernt, was das heißt (Hosea 6,6): »Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer.« Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.

Predigt

Liebe Gemeinde!

Für die Predigt hören wir heute eine Geschichte aus dem Matthäusevangelium. Der Evangelist Matthäus erzählt von Jesus und einem Mann, der ebenfalls Matthäus heißt, genau wie er. Er ist ein Zöllner. Vielleicht kennen Sie seinen wesentlich bekannteren Kollegen Zachäus, von dem der Evangelist Lukas erzählt.

Aber egal ob Matthäus oder Zachäus, leicht hatten es beide nicht. Sie waren Angestellte von den Römern, die im Land wenig beliebt, wenn nicht sogar verhasst waren. Und wer für sie arbeitete, dem erging es kaum besser. So waren die Zöllner Menschen, die am Rand der Gesellschaft standen, von vielen verachtet, von manchen gefürchtet, von wohl den meisten einfach übersehen. Wie wenn eine unsichtbare Schranke zwischen den Zöllnern und den anderen wäre. Eine Schranke, die keiner mehr öffnete.

Ausgegrenzt waren die, die selbst an einer Grenze, an einer Zollgrenze saßen und dort ihren Lebensunterhalt verdienten. Über diese Zollschranke hatten sie die Macht, konnten sie öffnen oder herunterlassen, je nachdem, ob sie Zoll verlangen wollten oder mussten und ob die Menschen ihren Zoll bezahlten.

Auf die anderen Schranken, die, die sie von den anderen Menschen trennten, hatten sie keinen Zugriff und keinen Einfluss. Selbst wenn sie sich ihrerseits um ein gutes Verhältnis zu den anderen bemühten, selbst wenn sie ihre Arbeit anständig machten, also so, dass sie andere nicht übervorteilten, worum sich viele von ihnen ehrlich bemühten, blieben sie ausgegrenzt. Die Schranke blieb zu. Keiner öffnete sie.

Bis zu dem Moment, wo sie Jesus begegneten. Hören wir, wie es dem Zöllner Matthäus ergangen ist: 

Jesus sah einen Mann am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.
Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern.

Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?
Als das Jesus hörte, sprach er: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Geht aber hin und lernt, was das heißt: „Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.“ Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.

Jesus öffnet diese unsichtbare Schranke zwischen dem Zöllner Matthäus und der Welt um ihn herum. Er öffnet sie mit der freundlichen Aufforderung an Matthäus: „Folge mir!“  Mit zwei Worten nur öffnet Jesus für Matthäus die Schranke. Mehr braucht es nicht. Vielleicht noch einen freundlichen Blick und dann die direkte Anrede an diesen Menschen.

Die meisten anderen sahen an diesem Matthäus am liebsten vorbei. Und ihn keinesfalls würden sie ihn von sich aus ansprechen. Kein Wort mehr als unbedingt nötig zu so einem.

Jesus macht es anders. Er will mit diesem Menschen, dem Zöllner Matthäus, zu tun haben und sagt deshalb. „Folge mir!“ Und genau damit öffnet Jesus diese Schranke zwischen Matthäus und den anderen. Und der spürt das: Er erlebt, wie sich die Schranke hebt. Ohne zu zögern, folgt er Jesu Aufforderung.

Der aber setzt sich mit ihm an einen Tisch. Und es dauert nicht lange, da kommen noch andere dazu. Auch Zöllner und sogenannte Sünder, also Menschen, die nach der Ansicht der meisten anderen Menschen damals gegen Gottes Gebot handelten. Jesus hatte auch die Schranken, die sie von den anderen trennten, geöffnet, lud auch sie an seinen Tisch.

Grenzen fallen, Schranken werden geöffnet – was für ein wunderbares Gefühl.

Liebe Gemeinde, vielleicht erinnern Sie sich auch an die unfassbare Freude, als sich vor 33 ½ Jahren die Grenzschranken zwischen den beiden deutschen Staaten öffneten. Oder Sie haben Ihre ganz persönlichen Erinnerungen an ein Ereignis, als sich, vielleicht nach langem Warten, in Ihrem Leben eine Schranke geöffnet hat – ein langer Streit konnte beendet, jahrelanges Schweigen durchbrochen werden, eine Krankheit war endlich besiegt, die Rückkehr ins normale Leben wieder möglich, die tiefe Trauer um einen geliebten Menschen wurde leichter, ließ den Blick nach vorn wieder zu.

Grenzen fallen, Schranken werden geöffnet – was für ein wunderbares Gefühl!

Augenscheinlich gibt es aber auch sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, ob es gut und richtig ist, dass diese oder jene Schranke fällt. Wir wissen, dass die die Grenzöffnung zwischen Ost- und Westdeutschland immer wieder hinterfragt wird, von einigen Menschen gar rückgängig gemacht werden möchte, weil sie mit den Folgen nicht einverstanden sind oder nicht klarkommen, weil sie ihren Lebensentwurf durcheinandergebracht und Neuorientierung nötig gemacht haben.

Auch kann man es immer wieder erleben, dass Menschen irritiert oder auch neidisch darauf reagieren, wenn sich die Grenzen, ja die Abgrenzungen zwischen Menschen verändern. Jemand, der bislang meine Hilfe brauchte, kommt wieder gut alleine klar. Jemand, über die ich bislang geflissentlich hinwegsehen konnte, hatte sie sich doch selbst aus der Gemeinschaft ausgeklinkt, findet wieder ihren Platz, hat einen Fehler eingestanden, möchte wieder dazugehören.

Zahlreiche Menschen suchen auch in unserem Land Zuflucht, sind auf der Suche nach einem Ort, an dem sie in Frieden leben können. Aber sie sind mir doch so fremd. Und vielleicht nehmen sie uns ja, was wir selbst zum Leben brauchen und missachten unsere Regeln und Konventionen. Die sollen wir alle in unser Land lassen?

In der Geschichte vom Zöllner Matthäus gibt es auch welche, die nicht damit einverstanden sind, dass Jesus die Schranke zu den Zöllnern und Sündern geöffnet hat. „Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?“, fragen diese Gegner der Grenzöffnung, die Pharisäer, nach.

In ihren Augen ist es falsch, die Schranken zu den Zöllnern und Sündern zu öffnen. Sie gehören nicht mehr zur jüdischen Gemeinschaft, haben sich über deren Gesetze und Vorschriften hinweggesetzt und sich so gegen Gott gestellt. Das aber darf nicht sein, denken sie.

Und auch für sie öffnet Jesus Schranken. Die Schranken, die in ihren Herzen und in ihrem Denken stehen. Festgefahrene Vorstellungen von dem, was Gott will und was nicht. Schranken von ihrem erlernten Wissen der Regeln und Gesetze ihres Glaubens. Sie sagen. Daran muss man sich halten. Das ist für einen gläubigen Menschen unverzichtbar.

Ihnen sagt Jesus: „Die Starken, die Gesunden brauchen keinen Arzt, sondern die Kranken.“ Mit anderen Worten: Er, Jesus, macht es sich zur Aufgabe, sich besonders um die Menschen zu kümmern, die ihn brauchen, die am Rand der Gesellschaft stehen, die keinen Zugang zur Gemeinschaft haben, für die die Schranken geschlossen sind, weil sie ihnen keiner öffnet.

Jesus selbst steht fest auf dem Boden der hebräischen Bibel, kennt die Tora, die Regeln und Gesetze Gottes für die Menschen. Nichts davon hält er für überflüssig oder überholt. Er weiß, dass die Erfüllung der Gebote und Gesetze Gottes den Weg zu ihm, den Weg ins Himmelreich öffnet. Aber er weiß auch, dass das wichtigste aller Gebote das Gebot der Liebe zu Gott, zu den Nächsten und zu sich selbst ist. Dieses wichtigste Gebot ist sozusagen das Maß für alle anderen Regeln und Gesetze und Gebote. Deshalb sagt er zu den Pharisäern, zu den Gegnern seiner „Grenzöffnung“: „Geht aber hin und lernt, was das heißt: ‚Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.‘“

Jesus packt die Pharisäer bei ihrer theologischen Ehre, denn er zitiert hier Worte des Propheten Hosea. Der beklagte schon zu seiner Zeit, dass das Volk Israel sich mehr um das rechte Schlachten und Opfern von Tieren in den Gottesdiensten am Tempel sorgte anstatt um das Wohlergehen und friedliche Zusammenleben der Menschen ihres Volkes.

Jesus fordert die Pharisäer also auf nachzudenken. Er lädt sie ein, mal einen Schritt zurückzutreten, so dass sie gleichsam Abstand gewinnen von ihren „Gesetzes-Schranken“, die sie vor anderen geschlossen haben, damit sie wieder die Menschen sehen können, die sie ausgegrenzt haben, sehen können, dass sie Hilfe und Zuwendung brauchen. So öffnet Jesus ihnen die Schranken und öffnet ihnen den Blick für andere.

So öffnet Jesus auch für uns die Schranken, weist uns auf Grenzen hin, die wir gegenüber anderen Menschen gern schließen, weil sie uns fremd sind, weil wir befürchten, sie könnten uns etwas wegnehmen von dem, was doch uns zusteht, weil sie unser Leben vermeintlich unsicherer machen.

Wir kennen viele Gründe, warum wir meinen, es sei wichtig, ja unverzichtbar, dass wir uns abgrenzen. Aber halten diese Gründe dem Maßstab der Barmherzigkeit stand? Sehen wir hinter den schwierigen Umständen den anderen Menschen, der unsere Hilfe und Zuwendung braucht? Erinnern wir uns daran, dass Gottes Liebe alle Menschen meint, auch die, die uns fremd sind oder die uns den Umgang mit ihnen schwermachen?

Was für ein wunderbares Gefühl wäre es, wenn Grenzen fallen und Schranken geöffnet werden!

Jesus hat sie für uns alle geöffnet, denn er ist für uns alle der Arzt, der Heilende, der Heiland. Und er lädt uns alle ein, so wie einst den Zöllner Matthäus: „Folge mir!“

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

Predigtlied

aus „Lieder und Psalmen für den Gottesdienst“, Ergänzungsheft zum EG, Nr. 26 (T&M Roger Trunk, 1999). © Strube Verlag München

1) Mit dir, o Herr, die Grenzen überschreiten,
mit deinem Geist die engen Herzen weiten.
Herr, Jesu Christ, gib uns in deiner Gnad,
dass wir dich ehrn mit Worten und mit Tat.
Refr.: Halleluja! Lobet den Herrn“ :// 4x

2) Für Fried und Freud, hast du uns, Herr geschaffen;
in deinen Dienst stell alle unsre Gaben.
Versöhnung schenk, wo Menschen sich entzweit,
Hass und Gewalt vertreib aus unsrer Zeit. – Refr. –

3) Du hast am Kreuz die Sünde überwunden
und uns mit Gott in Liebe neu verbunden.
In deinem Wort und deinem Sakrament
erkennen wir des Glaubens Fundament. – Refr. –

4) Der Ostersieg erschließt uns neues Leben,
er lädt uns ein, die Hände hinzugeben
zum Aufbau einer guten heilen Welt,
in der dein Licht, o Herr, den Weg erhellt. – Refr. –

5) Wir bitten dich um deiner Weisheit Stärke.
Beleb uns Gott, gib uns die Kraft zum Werke.
Den Glauben mehr’, dass wir dein’ Willen tun.
Lieb, Hoffnung, Mut bestimmen unser Tun.

6) Mit allen Menschen lehre uns zu teilen.
So fallen Grenzen, können Wunden heilen.
Dein Wort und Brot schenkt uns die Einigkeit.
Vom Tod zum Leben hast du uns befreit! – Refr. –

Verfasserin: Pfarrerin Eva Fitschen, Am Dorfplatz 9, 04838 Zschepplin, OT Krippehna


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