Die betende Kirche
von Martin Bender (55128 Mainz-Bretzenheim)
Predigtdatum
:
16.05.2004
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Kantate
Textstelle
:
1. Timotheus 2,1-6a
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Wochenspruch:
Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. (Psalm 66,20)
Psalm: 95,1-7b
Lesungen
Altes Testament:
2. Mose 32,7-14
Epistel:
1. Timotheus 2,1-6a
Evangelium:
Johannes 16,23b-28.(29-32).33
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 446
Wach auf, mein Herz, und singe
Wochenlied:
EG 133
oder EG 344
Zieh ein zu deinen Toren
Vater unser im Himmelreich
Predigtlied:
EG 423
Herr, höre, Herr, erhöre
Schlusslied:
EG 361
Befiehl du deine Wege
1 So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, 2 für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. 3 Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. 5 Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, 6 der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung, dass dies zu seiner Zeit gepredigt werde.
Liebe Gemeinde!
Der heutige Sonntag hat den Namen ‘Rogate’, d.h. ‘Betet!’. Davon handelt unser heutiger Text.
Er ist ein Stück aus dem Brief des Apostels Paulus an seinen Freund und Helfer Timotheus. Die beiden waren zeitweise gemeinsam auf Missionsreise unterwegs gewesen, teilweise auch getrennt. Dieser Brief nun entstand, als Paulus den Timotheus in Ephesus gelassen hatte und allein weitergereist war. Timotheus sollte die Gemeinden in Ephesus und anderen Städten unterdessen selbständig betreuen, während Paulus weiterzog, um neue zu gründen.
So schreibt er ihm von unterwegs einen Brief, in dem er ihm Ratschläge gibt und ihn vor allem darauf hinweist, was in der Arbeit bei den Gemeinden besonders wichtig ist.
So heißt es hier: „...dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen.“
* Bitte steht hier für das, was wir von Gott erbitten;
* Gebet steht für Anbetung, d. h. Anerkennung, dass Gott der Herr ist;
* Fürbitte ist Bitte für andere Menschen;
* und der Dank für alles, was wir von Gott haben, darf in keinem Gebet fehlen.
Zweierlei haben wir hier zunächst zu bedenken:
Zum einen handelt es sich um Ermahnungen nicht nur an den Einzelnen, sondern auch und gerade an die Gemeinde: das individuelle wie das gemeinsame Gebet steht an erster Stelle vor allen anderen Dingen.
Dem dient auch unsere Agende, in der Gebete für den Gottesdienst vorformuliert sind. Sie sind kein Zwang, sondern eine Hilfe zur Formulierung der gottesdienstlichen Gebete. Wenn wir uns daran halten, dann dürfen wir wissen, dass in vielen Gemeinden zur gleichen Zeit das Gleiche gebetet wird. Die Gemeinsamkeit im Gebet wird dadurch noch größer.
Zum andern: diese Ermahnung ist weniger als Aufforderung im Sinne eines Gebotes zu verstehen, sondern als Angebot an uns, dass wir beten dürfen ohne Scheu.
Diese Vorrangigkeit hat nicht nur in früheren Zeiten, sondern teilweise auch bis in unsere Zeit zu der irrigen Auffassung geführt, dass das Gebet die einzige Aufgabe des Christenmenschen sei, dass durch Gebet schon alles getan sei. Das ist schlicht falsch.
Hier steht nicht, dass man nur bete, sondern „vor allen Dingen zuerst“. Das heißt ganz wörtlich: bevor wir eine Arbeit anfangen, sollten wir beten: um gutes Gelingen; darum, dass diese Arbeit auch anderen Menschen nützt; darum, dass kein anderer Mensch durch unser Tun Schaden erleidet.
Es ist auch ein Irrtum - und Hochmut über andere Menschheit dazu - zu meinen, dass alles Tun, das ohne vorheriges Gebet erfolgt, von vornherein zum Scheitern verurteilt sei, und dass daher alles Tun ohne Gebet auch nicht rechtens sei.
Das ist schlicht falsch. Wir sehen doch tagtäglich, wie erfolgreich viele Menschen in ihrem Beruf und im Privatleben sind, die mit Gott nichts im Sinne haben. Wozu dann doch noch Gott bitten um seinen Segen zu unserem Tun? Zu einem Urteil über andere Menschen sind wir nicht berechtigt - schon gar nicht über deren Gebetsleben. Aber wir haben uns täglich neu zu prüfen, ob wir auf dem rechten Wege sind; und dazu gehört auch das Gebet.
Der Unterschied ist ein anderer: Erstens ist für uns Christen das Gebet, d.h. die Bindung und Verbindung mit Gott wichtig, damit wir uns recht entscheiden. Zum andern aber gibt uns das Wissen um Gottes Gegenwart Sicherheit, das Wissen darum, dass wir auf dem rechten Wege sind. Die so genannten „Kinder dieser Welt“ geraten mitunter in schwierigen Lebenslagen - wenn sie nicht gerade skrupellos sind - immer wieder in Unsicherheit, Gewissensbisse bis hin zu Selbstzweifeln.
Hier steht auch nicht, dass das Gebet eine Vorrangstellung haben soll in der Wichtigkeit unseres Lebens, dass damit alles andere zweitrangig wäre. Jedes Tun hat seinen Platz in unserem Leben. Hier gilt die alte benediktinische Regel des ‘Ora et labora’. Das heißt auf deutsch „Bete und arbeite“. Luther hat dazu einmal gesagt, wir sollten so beten, als ob alles Arbeiten nutzlos sei; und wir sollten so arbeiten, als ob alles Beten nutzlos sei. Und zu der Fürbitte für andere Menschen gehört auch die Tat für sie, die die verschiedensten Formen annehmen kann.
Damit sind wir an dem anderen Punkt angelangt:
Diese Ermahnung ist weniger als Aufforderung im Sinne eines Gebotes zu verstehen, sondern als das Angebot Gottes an uns, dass wir beten dürfen ohne Scheu.
Wir haben vorhin in der Schriftlesung die Worte Jesu gehört:
„...Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er’s euch geben.“ Jesus macht seinen Jüngern Mut zum Bitten. Wenn wir nun auch seine Jünger sind, d.h. wenn wir in seiner Nachfolge stehen, ihm unser Leben anvertrauen, dann gilt diese Zusage auch uns.
Ein dritter Punkt ist dabei auch von Wichtigkeit:
Es gilt nicht nur, Gott zu bitten um das, was wir brauchen zum unmittelbaren Leben, sondern eben auch um das, was wir brauchen zu unserem Tun. Auch das gehört zu unserem Leben.
Jesus hat uns im Vaterunser gezeigt, wie wir beten sollen und dürfen.
Da steht am Anfang die Anrede, danach folgen drei Bitten, die sich auf ihn und unser Verhältnis zu ihm beziehen. Danach folgt eine einzige Bitte, in der es um unser eigenes leibliches Leben geht, und danach wieder drei Bitten um unser rechtes Verhalten vor seinen Augen. Den Abschluss bildet der Lobpreis. Hier ist durch Jesus selbst das formuliert, worauf sich Paulus bezieht. Auch der Dank ist schon unmerklich darin enthalten: In der Anrede Gottes als Vater kommt zum Ausdruck, dass wir Gott als den Geber anerkennen, dem wir alles zu verdanken haben.
Und noch ein Letztes:
In unserer hektischen Zeit finden wir oft nicht mehr die Ruhe zu einem rechten Gebet. Oder wir finden nicht die Worte, um das auszudrücken, was uns bedrückt. Auch Paulus wusste darum. In seinem Brief an die Gemeinde in Rom schreibt er: ,,Der Geist hilft unserer Schwachheit auf, denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist...“
Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass Gott auch jene Stimmen vernimmt, die hilflos und stumm nur noch zu seufzen vermögen - oder das aus sich herauszuschreien, was ihnen Not macht, womit sie nicht mehr fertig werden. - Gott hört uns immer und überall, und er versteht uns. Das ist seine Vaterliebe.
Christen sind versöhnt mit Gott. Zur Bitte gehört auch die Bitte um Vergebung. Vergebung ist uns zugesagt, sofern wir sie redlich erbitten.
So dürfen wir in die vor uns liegende Woche und unser weiteres Leben hinausgehen in der Gewissheit, dass wir jederzeit zu unserem Vater kommen dürfen mit Lob und Dank, mit Bitten und Flehen und auch mit all unserem Seufzen und Wehklagen. Wenn wir uns in ihm geborgen wissen, dann erhört er auch unsere stummsten Klagen und Bitten.
Dazu will uns unser heutiger Text ermutigen. Es ist ein großartiges Angebot. Amen.
Verfasser: Martin Bender (1998)
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