Die Einladung
von Berthold Salow (Magdeburg)
Predigtdatum
:
01.06.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
1. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Korinther 9,16-23
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Wochenspruch:
Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. (Matthäus 11,28)
Psalm: 36,6-11 (EG 719)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 55,1-3b.(3c-5)
Epistel:
Epheser 2,17-22
Evangelium:
Lukas 14,(15).16-24
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 165
Gott ist gegenwärtig
Wochenlied:
EG 250
oder EG 363
Ich lobe dich von ganzer Seelen
„Kommt her zu mir“, spricht Gottes Sohn
Predigtlied:
EG 241
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Schlusslied:
EG 295
Wohl denen, die da wandeln
16 Denn daß ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muß es tun. Und a wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! 17 Täte ich's aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich's aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. 18 Was ist denn nun mein Lohn? Daß ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache.
19 Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. 20 Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. 21 Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. 22 Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. 23 Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.
Hinführung:
Paulus hatte es nicht leicht mit den neugegründeten frühchristlichen Gemeinden.
Traditionen konnten noch nicht wachsen. Es gab nichts Selbstverständliches, keine Gewohnheiten oder Rituale. Nichts war schon immer so. Groß waren damals die Gegensätze zwischen arm und reich, gebildet und ungebildet, Judenchristen und Heidenchristen. Paulus, der Gründer der Gemeinde in Korinth, hat noch keine gewachsene Autorität. Er muss seine Aussagen ständig begründen und sich gegen Vorwürfe und Unterstellungen der Gegner zur Wehr setzen. Diese Situation ist uns nicht unbekannt. Die Gemeinden sind zwar nicht neu, aber die alten Traditionen sind weggebrochen, und wir müssen uns neu orientieren. Da tauchen viele Fragen auf. Für Paulus sind es zwei Fragen, die auch heute noch für uns aktuell sind:
- Wie ist das mit dem Verhältnis von Amt oder Beruf und Motivation? Oder wie ist das Verhältnis von Haupt- und Ehrenamt in der Kirche?
- Wie ist das Verhältnis von Amt, Beruf und Identität? Können die Mitarbeiter noch sie selbst sein oder muss die Arbeit die eigene Person, ihre Wünsche und Bedürfnisse überlagern?
Liebe Gemeinde!
Zunächst einmal ärgert mich der Text. Ich sehe Paulus förmlich vor mir, wie er an seinem Tisch sitzt und den Christen in Korinth schriftlich einmal die Meinung sagt:
„Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte... Ich tue es aber nicht aus eigenem Willen; mir ist das Amt befohlen... denn wiewohl ich frei bin, habe ich mich doch jedermann zum Knecht gemacht“. Jedermann zum Knecht machen – spätestens da hört die Freundschaft doch eigentlich auf. Jedermanns Knecht sein, wer will denn das heute noch? Und selbst wenn: warum soll ich denn jedermanns Knecht sein? Ich bin doch froh darüber, dass ich es geschafft habe, ein freier Mensch zu sein.
Und dann noch so: Den Juden wie ein Jude, den Griechen wie ein Grieche. Heute würden wir sagen: Den Leistungsbereiten ein Leistungsbereiter, den Linken ein Linker, den Rechten ein Rechter, den Jungen ein Junger, den Alten ein Alter, den Schwachen und Traurigen ein Schwacher und Trauriger. Immer schön den Mantel in den Wind gehängt. Das ist doch fast peinlich.
Paulus schreibt wie ein Fanatiker, noch dazu einer, der seinen Mantel in den Wind hängt, könnte man meinen.
Tatsächlich: Paulus ist ein Fanatiker.
Das Wort hat in unseren Ohren einen negativen Klang. Denn Fanatiker haben schon viel Unglück über die Menschheit gebracht. Mir fallen dabei die Fanatiker der Weltgeschichte oder auch die entfesselten Fans bei Fußballspielen ein. Da geschah und geschieht viel Unrecht.
Im Lexikon findet sich unter „Fanatiker“ der Eintrag: Der Fanatiker ist ein begeisterter Anhänger von jemandem oder etwas.
Und ein begeisterter Anhänger ist Paulus gewesen. Jesus hatte es ihm angetan. Seit Damaskus war alles anders geworden. Jesus hatte sein Leben herumgedreht, vom Kopf auf die Füße gestellt. Vorher war Paulus der fromme, engagierte Jude, der mit großem Eifer die jüdischen Lehren studierte. Und Paulus brannte darauf, dass diese Lehren durch das Volk akzeptiert und angenommen wurde.
In der Bewegung, die Jesus von Nazareth ausgelöst hat konnte er nur eine Abkehr von der Berufung Israels sehen. Dieser neuen Sekte musste der Garaus gemacht werden. Und zwar bald.
Erst die Begegnung mit Jesus selbst als dem lebendigen und auferstandenen Herren brachte eine radikale Wende in sein Leben. Aus dem glühenden Verfolger wird ein glühender Anhänger der Sache Jesu. Er versteht seine Bekehrung nicht als seinen Verdienst, sondern als Handeln Gottes. Gott selbst hat ihn ausgesondert (erwählt). Paulus konnte nichts dagegen tun. „Als es aber Gott wohl gefiel, der mich von meiner Mutter Leib ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat, dass er seinen Sohn offenbarte in mir..., besprach ich mich nicht erst mit Fleisch und Blut...“ (Gal. 1,15f) Paulus wurde zum Boten Jesu Christi. Etwas anderes konnte für ihn nicht mehr infrage kommen.
Und so zog Paulus dann durch das Land, verkündete den Menschen in vielen Städten die frei machende Botschaft von der Liebe Jesu Christi.
Paulus hatte es nicht leicht in den frühchristlichen Gemeinden, die er gegründet hatte. Das leuchtet ein, weil von den Mitgliedern der neu gegründeten Gemeinden eine totale Wende in ihrem bisherigen Leben verlangt wurde. Alles war neu und ungewohnt. Der, der bisher die Lehre Israels vertrat, sagte auf einmal etwas ganz anderes. Und das mit großem Engagement. Eine große Unsicherheit machte sich breit. Und da, wo Unsicherheit ist, da sind Leute nicht weit, welche die Orientierungslosigkeit der jungen Christengemeinden ausnutzen, um die Leute zu verunsichern und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Und so muss Paulus immer wieder in die Gemeinden kommen, um die Dinge gerade zu rücken und um sich zu erklären und manches Mal auch um sich zu verteidigen. Und das ist ein sehr mühsames Geschäft, dem sich Paulus da widmen muss.
Und Paulus tut dabei etwas, was man oberflächlich als „das Mäntelchen in den Wind hängen“ nennen könnte. Er wird den Juden ein Jude, damit er die Juden gewinnt, und denen „die unter dem Gesetz stehen, ist er einer geworden, der unter dem Gesetz steht – obwohl er doch nicht unter dem Gesetz ist. Den Schwachen ist er ein Schwacher geworden, auf dass er die Schwachen gewinnt. Wir merken, dass der Vorwurf, den Mantel nach dem Wind zu hängen, nicht greift. Paulus benutzt die Sprache derer, mit denen er redet. Er redet so wie sie, aber er sagt nicht, was die Zuhörerrinnen und Zuhörer hören wollen.
Von Martin Luther wird gesagt, er hätte den Leuten aufs Maul geschaut. Er hat so gepredigt, dass die Leute ihn verstanden haben. Er hat zu den einfachen Menschen in einfacher Sprache geredet, und zu den Professoren hat er in deren Sprache gesprochen. Er hat für deren Ohren gesprochen, aber ihnen nicht nach dem Mund geredet. Und das hat, wie wir wissen, dazu geführt, dass eine ganze Kirche radikal verändert wurde.
Das, was Paulus und Luther praktiziert haben, ist eine Kunst, die nicht weit verbreitet ist. So betrachtet, trifft sich hier das Problem des Paulus in unserem Predigttext mit dem Problem fast aller Verkündiger des Evangeliums.
Auch als Prediger auf der Kanzel hat man es ja nicht nur mit einer Sorte Christen zu tun. Im Gottesdienst (heute!) sitzen auch ganz unterschiedliche Menschen: Da sind die mit einem starkem Glauben, einige sind auf der Suche, andere wollen nichts von Gott wissen, wieder andere sind nur mal so zu Besuch da. Alle wollen unterschiedlich angesprochen werden, denn alle haben eigene Interessen.
So unterschiedliche Menschen treffen wir tagtäglich. Und denen möchten Sie – und ich! – die gute Nachricht von diesem Jesus weitergeben. Wie spricht man davon vor den einen und den anderen? Wie macht man das, dass möglichst viele Menschen verstehen, was man eigentlich meint? Wie wird man dem Zweifelnden gerecht und wie dem Selbstsicheren, so dass beide es verstehen, ins Nachdenken kommen und vielleicht auch zum Glauben finden?
Reden davon, das müssen wir und können wir, wenn wir wirklich überzeugt sind – nur das WIE, das ist die Frage.
Es gibt Christen, die tun das auf sehr lehrhafte Weise. Man gewinnt, wenn man sie predigen hört, leicht den Eindruck, der Glaube der Christen wäre eine ganz schwierige Angelegenheit, eine Wissenschaft für sich, fast eine Sache nur für die Gebildeten. Das liegt an der Art, wie von Glaubensdingen gesprochen wird, welche Sprache einer verwendet und welche Begriffe.
Da wird dann schon mal von Begriffen wie der „Heilsbedeutung Christi“, von seinem „Aufgefahren-sein in den Himmel“ oder der „theologischen Relevanz seiner Höllenfahrt“ geredet. Da fällt es schwer zuzuhören und man fragt sich: „Ist denn Christus nicht auch (und gerade) für die einfachen Menschen gekommen?“
Dann gibt es Andere. Viel Gefühl liegt in den Worten, wenn sie von Jesus reden: „Seelenbräutigam“ und „Sünderheiland“ nennen sie ihn. Und sie sind sehr ergriffen von dem, woran sie glauben. Aber sie merken nicht, dass die Leute, denen sie von ihrem Herrn erzählen, einfach nicht mitkommen. Weil ihren Hörern entsprechende Erfahrungen fehlen, können sie nicht verstehen, dass wirklich Menschen von Jesus als dem „Bräutigam“ sprechen. Sie kennen die Gefühle ja noch nicht, die dadurch ausgelöst werden, wenn einer Jesus seine Schuld bringt und bei ihm frei wird. Man muss sogar befürchten, dass sie es so nie kennen lernen, wie das ist, denn es kann suchende Menschen ganz schön abstoßen, wenn allzu überschwänglich von Jesus gezeugt und geredet wird. Man fragt sich dann vielleicht: Wie verstockt und verworfen muss ich wohl sein, wenn die Begeisterung für Jesus bei mir einfach nicht zündet?!
Oder die ganz Sicheren, die es genau wissen, mit denen ist es schwer zu reden.
Schließlich gibt es noch die „Gesetzlichen“. Sie kennen den Weg zu Gott ziemlich genau. Er führt über das Halten der Gebote, das Beachten der Vorschriften aus der Bergpredigt bis zur Anzahl des jährlichen Kirchgangs und der Teilnahme am Abendmahl. Von der frohen Botschaft ist bei ihnen wenig zu hören: Dass Gott die Menschen zuallererst unverdient annimmt und liebt, kommt bei ihnen eher wenig vor. Du musst... du sollst... du brauchst..., so beginnt ihre Verkündigung. Die Botschaft von der Liebe Gottes, der seinen Sohn für die Sünder sterben lässt, wird zur Gesetzesreligion verkehrt.
All diese unterschiedlichen Arten, von Gott zu reden, haben auch ihre Berechtigung! Die Frage ist nur, wann ich so rede und vor wem ich so spreche.
Ich denke, es kommt oft vor, dass wir nur über unsere Erfahrungen reden und dabei nicht an unser Gegenüber denken, darum werden unsere Worte nicht gehört. Weil halt mein Glaube so, so oder so ist und ich diese oder jene Erfahrung gemacht habe, deshalb spreche ich nun so, so oder so von meinem Glauben, von meiner Beziehung zu Gott. Und weil ich bei meinem Reden und Verkündigen nur auf mich selbst sehe, kann mich mein Mitmensch nicht verstehen. Seine Erfahrungen mit Gott sehen ja ganz anders aus, und meine eigenen kann ich ihm nicht nur durch Reden vermitteln. Die Frage bleibt also: Wie sprechen wir auf angemessene Weise von unserem Glauben, wie sagen wir den Anderen weiter, was wir mit Gott erlebt haben und wovon wir überzeugt sind?
Hören wir auf Paulus: „Denn wiewohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knechte gemacht, auf dass ich ihrer viele gewinne. Den Juden bin ich geworden wie ein Jude, auf dass ich die Juden gewinne... Den Schwachen bin ich geworden ein Schwacher, auf dass, ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette“ (V. 19 ff).
Hier steckt die Antwort: Der Andere, der Mitmensch, mein Nächster muss meine Orientierung sein. Er bestimmt das Wie. Wenn ich bei ihm theologische Bildung voraussetzen kann, darf ich wohl auch einmal in theologischen Begriffen reden.
Wenn er sich aufs religiöse Gefühl versteht, darf ich auch einmal seine oder meine Gefühle für Jesus ansprechen. Und ich darf wohl auch auf die Gebote und das Gesetz Gottes hinweisen, wenn es denn nötig ist. Aber: Stets ist der Andere das Maß meines Redens und Handelns! Nicht die Tatsache, dass ich so oder so von Gott reden kann, soll mich leiten, sondern das, was mein Mitmensch braucht, was seine Fragen sind, seine Probleme und Nöte. Ihm muss mein Reden entsprechen, denn ihn will ich für Gott gewinnen!
So gewinnt das Mäntelchen im Wind eine völlig neue Bedeutung. Ich rede zu den Anderen, aber ich rede ihnen nicht nach ihrem Mund.
Und noch eins kommt dazu. Ich habe zu Anfang von dem „Fanatiker Paulus“ geredet. Sicher ein missverständliches Wort. Aber es macht eins deutlich: Paulus hat gebrannt vor Eifer; er musste das Wort verkündigen. Jesus hatte es ihm angetan. Er hatte keine andere Wahl.
Das bestätigt er in Vers 16, wenn er sagt: „denn ich musste es tun.“ Ich selbst wünschte mir ein wenig von dem Feuer, das in Paulus gebrannt hat.
Ich wünschte mir, dass mehr Gemeindeglieder sich trauen, davon zu erzählen, was sie bewegt, was sie antreibt, was ihnen Mut oder was ihnen Kummer macht. Ich wünschte mir, dass wir Mut bekommen, ein wenig „in den Fußstapfen Jesu zu laufen“, auch wenn uns diese zu groß erscheinen.
Paulus sagt uns, wie das geht: „Den Schwachen bin ich geworden ein Schwacher, auf dass ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette.
Alles aber tue ich um des Evangeliums willen!“ (V.23)
AMEN
Verfasser: Gemeindepädagoge Berthold Salow, Leibnizstraße 4. 30104 Magdeburg
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