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Die Einladung

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 02.07.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Korinther 14,1-3.20-25
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Wochenspruch:

Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. (Matthäus 11,28)

Psalm: 36,6-11 (EG 719)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 55,1-3b.(3c-5)
Epistel:
Epheser 2,17-22
Evangelium:
Lukas 14,(15).16-24

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 168
Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied:
EG 250
oder EG 363
Ich lobe dich von ganzer Seelen
Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn
Predigtlied:
EG 224
Du hast zu deinem Abendmahl
Schlusslied:
EG 392
Gott rufet noch. Sollt ich nicht endlich

1 Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede! 2 Denn wer in Zungen[A] redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen.
3 Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.
20 Liebe Brüder, seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht; sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht; im Verstehen aber seid vollkommen. 21 Im Gesetz steht geschrieben (Jesaja 28,11-12): »Ich will in andern Zungen und mit andern Lippen reden zu diesem Volk, und sie werden mich auch so nicht hören, spricht der Herr.« 22 Darum ist die Zungenrede ein Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die prophetische Rede aber ein Zeichen nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen.
23 Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen? 24 Wenn sie aber alle prophetisch redeten und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein, der würde von allen geprüft und von allen überführt; 25 was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar, und so würde er niederfallen auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.

Liebe Schwestern und Brüder,
Vielleicht ist es Ihnen beim Zuhören so gegangen wie mir bei einem ersten Lesen dieses Wortes: um Himmels willen, was soll ich da nur sagen? Das hat doch mit uns in unserem Ort überhaupt nichts zu tun. Und vielleicht sitzen Sie jetzt ganz gespannt da und denken sich: Mal sehen, ob ihm/ihr doch etwas dazu einfällt. Ich muss zugeben, dass es wohl so ist: Was wir hier hören, klingt uns erst einmal fremd und weit entfernt von unserer Alltagswelt. Und doch möchte ich uns dazu ermutigen, diesem Wort nachzuspüren und es danach zu befragen, was es uns zu sagen hat. Gerade das, was im ersten Moment fremd ist, kann uns ja neue Einsichten eröffnen und neue Wege gehen lassen.
Es geht um geistliche Gaben
Sofort höre ich da die Frage: Was ist denn das überhaupt? Was natürliche Gaben sind, das wissen wir alle. Irgendwann hat der eine unter uns entdeckt, dass er geschickt mit seinen Fingern arbeiten kann und deshalb ist er Uhrmacher geworden. Es gibt für ihn keine größere Freude, als komplizierte Uhrwerke auseinander zu bauen und wieder zusammen zu setzen. Ein anderer würde spätestens nach dem 10. Versuch Werk samt Gehäuse in die Ecke werfen. Ein anderer hat bei sich gemerkt, dass er gut bei Stimme ist. Deshalb hat er sich dem Chor angeschlossen und kennt keine größere Freude als Lieder zu schmettern. Wieder eine andere ist irgendwann darauf gekommen, dass kleine Kinder ihr fasziniert zuhören, wenn sie ihre Geschichten erzählt. Mit offenem Mund sitzen sie da und vergessen das Fernsehprogramm. Ist doch klar: So jemand muss einfach Lehrerin werden.
Natürliche Gaben - jede und jeder von uns ist damit ausgestattet, von Anfang an: Dazu gehören unsere Sinne, dazu gehört unser Leib und unser Denkvermögen, dazu gehören all die Möglichkeiten, die wir im Lauf unseres Lebens an uns entdeckt und entwickelt haben. Jede und jeder von uns ist “begabt” - und es ist eine aufregende Sache, bei sich selbst Begabungen zu entdecken. Fast noch aufregender ist, anderen beim Entdecken ihrer Gaben zu helfen und zuzuschauen.
Wir haben sogar eine Einrichtung, die extra dafür da ist, um die natürlichen Gaben der Menschen ein wenig zu fördern und entfalten zu helfen: Das ist die Schule. Ein Satz dazu - sozusagen in Klammern gesagt: Es gehört zu den schmerzlichen Tatsachen in unserer Zeit, dass die Schule oft dieser Aufgabe nicht gerecht wird, auch nicht werden kann, weil sie mit zu vielen Lehrstoffen vollgestopft wird.
Aber nun weiter: Es geht in unserem Wort ja nicht um diese natürlichen Gaben, sondern um die geistlichen Gaben. Salopp gefragt: Wie kommt man da ran? Wenn ein Mensch Christ wird, dann nennt die Bibel das manchmal Neugeburt. Und so wie wir bei unserer Geburt mit natürlichen Gaben begabt worden sind, so werden wir bei unserer Neugeburt von Gott mit geistlichen Gaben begabt.
Gott gibt jedem Christen ein Ausrüstung für sein Leben als Christ, für die Aufgaben, die sich in diesem Christenleben stellen werden, damit wir sie erfüllen. Als Paulus Christ wurde, da wurde er zugleich berufen zum Missionar für die Heiden, und er bekam die Gaben dafür: die Gabe der Evangelisation und die Gabe der Lehre und die Gabe der Seelsorge. Lesen Sie einfach einmal die Paulusbriefe, um zu entdecken, wie Paulus sich um seine Leute müht, wie er sie lehrt und wie er um sie wirbt - dann sehen Sie diese Gaben im Gebrauch. Als die Gemeinde in Jerusalem anfing zu wachsen, da schenkte Gott ihr Leute, die die Gabe der Leitung hatten und die Gabe der Organisation.
Sie merken es schon: Es geht nicht um übernatürliche Gaben! Geistliche Gaben - das sind nicht nur Gaben wie “Glauben, Hoffnung, Liebe, Sanftmut” - sondern er gibt eben auch diese handfesten Gaben - eine Gruppe zu leiten, etwas ordentlich zu planen, den Haufen der Christen zusammen zu halten.
Die Bibel ist nun von einem überzeugt: Alle, die zu Jesus Christus gehören, haben geistliche Gaben empfangen. Und alle, die zu Jesus Christus gehören, haben dazu ihre natürlichen Gaben, die von der Stunde der Neugeburt an gleichfalls für Jesus in Dienst genommen werden wollen. Von daher können wir sagen: Jede Gemeinde ist reich an Gaben, an geistlichen Gaben und an natürlichen Gaben. Sie alle stehen für den Dienst der Gemeinde im Auftrag Jesu zur Verfügung. Sie alle wollen angewendet, gebraucht, entwickelt und dadurch gestärkt werden. Und alle diese Gaben, die wir empfangen haben und dann Jesus zur Verfügung stellen, nennt die Bibel geistliche Gaben.
Nun gibt es in vielen Gemeinden ein Problem - ganz anders als damals in Korinth. Dies Problem heißt: Die Gaben werden vergraben. Zu viele Gemeinden haben sich daran gewöhnt, dass der Pfarrer/die Pfarrerin alle geistlichen Gaben hat: die Gabe des Glaubens, die Gabe der Predigt, die Gabe des Gebetes, die Gabe der Liebe und die Gabe der Organisation. ER/sie muss das ja alles haben - alleine schon wegen des Studiums. Für die Gemeinde bleibt dann nur noch ein kümmerlicher Rest übrig - Die Gabe des Zuhörens und ein wenig unterentwickelt die Gabe des Spendens.
Liebe Schwestern und Brüder, das ist überspitzt gesagt - und hoffentlich ist es bei uns doch inzwischen ein wenig anders. Jedenfalls ist es nicht das Bild, das die Bibel und unser Wort vom Gebrauch der Gaben haben. Es ist auch nicht die Vorstellung, die Gott von seiner Gemeinde hat.
Gott will, dass wir alle unseren natürlichen und geistlichen Gaben entdecken und gebrauchen lernen: der eine die Freude am Gebet und die andere die Gabe, einem Menschen in Not zu helfen; der eine die Gabe des Singens zum Lobpreis Gottes und die andere die Gabe des intensiven Zuhörens, das Menschen ganz ernst nimmt. Ich bin zutiefst davon überzeugt: wenn wir es lernen, die Gaben Gottes in unserem Leben zu entdecken und in die Gemeinde einzubringen, dann wird unsere Gemeinde ausstrahlen und sich für viele Menschen als ein Ort erweisen, an dem sie sich aufgehoben finden.
Nun gibt es eine Klippe, die schon damals in Korinth zu schaffen machte: Was ist, wenn einer oder eine mit den Gaben aus dem Rahmen fällt? Was ist, wenn jemand entdeckt hat: Ich bin von Gott mit der Gabe des Gebetes beschenkt und nun alle daran misst: Betet ihr auch so viel wie ich? Was ist, wenn in einer Gemeinde nur die Gabe eines bestimmten Musikstiles - sei es Orgel oder Rock - zum Zug kommt? In Korinth ist das mit der Zungenrede so gelaufen. Die haben manche Christen zum Maßstab gemacht: Nur wer in Zungen, das heißt: in fremden Sprachen, die er/sie nicht gelernt hat, also unter der Wirkung des Heiligen Geistes sprechen und so Gott loben kann, der ist im Vollsinn Christ, sozusagen zu 100%!
Wenn so eine Gabe ins Zentrum gerückt wird, dann stehen Christen ganz schnell mit der Messlatte oder dem Fieberthermometer da und fühlen sich selbst und anderen den Puls, um zu sehen, ob da nicht noch etwas fehlt.
Dieser Gefahr gegenüber bringt Paulus zwei hilfreiche Maßstäbe ins spiel:
1. Maßstab: Alle geistlichen Gaben werden immer daran gemessen, ob sie dem Aufbau der Gemeinde nach innen dienen. Hilft die Art, wie ich meine Gaben in die Gemeinde einbringe, den anderen in der Gemeinde weiter? Hilft die Art, wie ich mit meiner Gabe in der Gemeinde umgehe, das andere ihre Gabe gleichfalls entdecken und entfalten können oder drücke ich sie an die Wand?
Ein Beispiel: Da kann jemand wirklich gut organisieren. Und wenn es etwas organisatorisch zu regeln gibt, dann nimmt er das in die Hand. Irgendwann einmal aber hat eine andere auch einmal einen guten Vorschlag gemacht, aber er war so ungeschickt vorgetragen, dass er nicht ankam - und unser “Chef” hat sie darüber auch noch ein wenig bloß gestellt. Die Folge: nie wieder kommt von dieser Frau ein Vorschlag zur Organisation.
Oder: da wagt jemand zum ersten Mal öffentlich zu beten - und dann kommt anschließend der Pfarrer als “Gebetsprofi” und spricht ein wohlformuliertes Gebet, gegen das das andere nur Gestammel war. Die Folge: nie wieder tut dieser Mensch seinen Mund auf, um mit anderen zu beten.
Geistliche Gaben, liebe Gemeinde, dienen der Gemeinde. Wenn sie nur der Selbstdarstellung dienen, dann werden sie nicht als geistlichen Gaben gebraucht. Das wird man sehr schnell bei sich selbst merken, wenn man ehrlich zu klären versucht: Suche ich mein ICH, mein gutes Image oder suche ich den Dienst für die Gemeinde mit meinen Gaben?
2. Maßstab: Was ist mit denen, die noch nicht glauben? Daran misst der Apostel Paulus die Gemeinde und ihre Gaben, ob sei den Kandidaten des ewigen Lebens den Zutritt zur Gemeinde schwer machen oder ihn erleichtern. Was für eine Sprache sprechen wir? Was für Lieder singen wir? Welche Formen bieten wir denen an, die wir einladen?
Das sind nicht nur Fragen des guten oder schlechten künstlerischen Geschmackes - das sind in erster Linie geistliche Fragen. Ein Gespräch in der Gemeinde über die verschiedenen Arten von Engeln mag für Christen ganz spannend sein - einen Nichtchristen wird das Problem kaum bewegen. Eine Predigt über die Streitereien in Korinth ist für Christen vielleicht auch ganz interessant - für einen Nichtchristen aber ist das keine aufregende Frage. Aber wie das Leben gelingen kann und ob man sich auf Gott verlassen kann - da vermag ein Nichtchrist sehr wohl eigene Lebensfragen zu entdecken.
Daran misst Paulus die Art, wie wir unsere geistlichen Gaben ausüben, praktizieren: ob sie dem einen Ziel dienen, dass Menschen zum Glauben an Jesus Christus kommen, dass Menschen es mitbekommen, wie gut es Gott mit ihnen meint. Daran misst Paulus die Art, wie wir unsere geistlichen Gaben ausüben, ob Menschen es mitbekommen, dass sie ihre Schuld loswerden können und dass ihr Leben noch einmal neu anfangen darf.
Nach innen und nach außen - jedes Mal ist es der gleiche Maßstab, den Paulus benennt: die Liebe zu den Menschen, ob schon in der Gemeinde oder noch draußen! Strebt nach der Liebe! Begegnet den Menschen liebevoll und freundlich. Dazu seid ihr begabt genug, jeder und jede. Und die Liebe wird unsere Hände bewegen und unseren Mund auftun, die Liebe wird uns genauso zeigen, wenn es Zeit zu schweigen ist und Zeit, den anderen einfach nur in die Arme zu nehmen. Und die Liebe wird uns auch dazu helfen, dass wir die Gaben nicht zur Eigenpflege missbrauchen, sondern sie wirklich in Dienst nehmen lassen und uns drangeben für die Gemeinde und die Menschen um sie herum. Amen.

Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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