Die Einladung
von Holger Forssmann (91058 Erlangen)
Predigtdatum
:
09.06.2002
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
1. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Korinther 9,16-23
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Wochenspruch:
Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. (Matthäus 11,28)
Psalm: 36,6-11 (EG 719)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 55,1-3b.(3c-5)
Epistel:
Epheser 2,17-22
Evangelium:
Lukas 14,(15).16-24
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 444
Die güldene Sonne
Wochenlied:
EG 250
oder EG 363
Ich lobe dich von ganzer Seelen
Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn
Predigtlied:
EG 243 oder
EG 614
Lob Gott getrost mit Singen
Lass uns in deinem Namen, Herr
Schlusslied:
EG 139,4
Gelobet sei der Herr
16 Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! 17 Täte ich's aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich's aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. 18 Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache.
19 Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne.
20 Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. 21 Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. 22 Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. 23 Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.
Hinführende Gedanken
Die Korintherbriefe des Paulus geben Einblick in die Konflikte frühchristlicher Gemeinden. In diesen neugegründeten Gemeinden ist noch nichts selbstverständlich. Alles will begründet werden, es gibt noch keine Traditionen. In der Hafenstadt Korinth, wo die Gegensätze von Arm und Reich, Gebildet und Ungebildet, Judenchristentum und Heidenchristentum schroff aufeinander stoßen, ist das besonders augenfällig. Selbst Paulus, obwohl „Vater“ der Gemeinde in Korinth, hat keine unhinterfragbare Autorität. Auch er muss seine Überzeugungen ausdrücklich begründen und sich darüber hinaus gegen Vorwürfe und Unterstellungen wehren.
Für die heutigen Gemeinden ist das ungemein spannend zu verfolgen. Der sogenannte „Traditionsabbruch“, den wir gerade in den städtischen Gemeinden erleben, lässt uns ja neu nach unseren Grundlagen fragen: Warum gibt es überhaupt die Kirche? Und warum gibt es sie in der vorfindlichen Gestalt? Auf welche Autoritäten berufen wir uns in Zweifelsfällen?
Die Antworten, die Paulus in den damaligen Auseinandersetzungen gefunden hat, sind für uns immer noch wegweisend. Auch im vorliegenden Textabschnitt, in dem sich Paulus gegen Vorwürfe wehren muss. Dabei geht es im Besonderen um zwei Fragen, die heute von Neuem aktuell sind:
1. Wie ist das Verhältnis von Amt und Beruf? Müssen AmtsinhaberInnen eigentlich Geld verdienen? Und woher beziehen sie ihre Motivation? Oder, aktuell formuliert: Wie verhalten sich eigentlich Amt und Ehrenamt in der Kirche?
2. Wie ist das Verhältnis von Amt und persönlicher Identität? In welchem Maß können AmtsinhaberInnen eigentlich noch sie selber sein? Muss das Amt zwangsläufig die eigene Person, ihre Wünsche, Bedürfnisse und Lebensäußerungen überlagern?
Die Beantwortung auch nur einer dieser beiden Fragen reicht weit über das hinaus, was man einer Gemeinde in 15 Minuten am Sonntagvormittag erzählen kann. Es muss also genügen, die Gemeinde zum Aufhorchen und Nachdenken zu bringen. Sinnvoll und wünschenswert ist es, so ein Thema vielleicht anhand der vorliegenden Predigt auch einmal in den Kirchenvorstand oder in die Hauskreise zu tragen. Denn solche Fragen gehören nicht nur auf die Kanzeln, sondern in das Gespräch der Gemeinde und ihrer Gruppen.
Um des Evangeliums willen
Liebe Schwestern und Brüder,
I.
es ist schön, zu wissen, wohin man gehört. Eine Lebensaufgabe zu haben, den eigenen Auftrag zu kennen, das ist viel wert. Sich am richtigen Platz wissen, überzeugt sein von dem, was man tut, das stellen wir uns idealerweise unter einem Beruf vor. Wir merken es den Leuten an, die ihren Beruf gefunden haben. Sie tun mehr als nur das Nötigste. Sie sind mit Eifer, mit Freude, manchmal sogar mit Begeisterung bei ihrer Sache. Das ist dann auch schön für die Menschen, die mit ihnen zu tun bekommen.
Es ist schön, einen Hausarzt zu haben, der mich als ganzen Menschen sieht. Wenn ich zu ihm komme, weiß ich, dass er mich kennt und sich nicht nur für meine Krankheit interessiert. Wenn er mich fragt: Wie geht’s, dann will er auch wissen, wie es beruflich geht und in der Familie. Und näher betrachtet hat das alles ja vielleicht auch mit der Krankheit zu tun, mit der ich gerade zu ihm komme.
Es ist auch schön, einen Friseur zu haben, der nicht nur fragt: „Wie immer?“ sondern eigene Ideen hat und mir Vorschläge macht, wie sich mein Aussehen verbessern lässt. Wenn er dann meine Haare anfasst, merke ich, dass er das gerne tut und dabei nicht schon an seinen Feierabend denkt.
Wenn wir von „Beamtenmentalität“ sprechen, meinen wir meistens genau das Gegenteil. Wir denken an Erfahrungen mit lustlosen Verwaltungsmenschen, die uns Formulare zuschieben und eine Tür weiterschicken. Wir erinnern uns an Lehrer, die auf ihren Ruhestand oder die nächsten Ferien warten und einstweilen routiniert ihren Stoff abspulen, ohne die Kinder wahrzunehmen, die ihnen gegenübersitzen.
Dass das nicht so sein muss, zeigt uns der Apostel Paulus. Er stellt sich hier der Gemeinde in Korinth als leidenschaftlicher Beamter vor, als einer, der völlig in seinem Auftrag lebt. „Mir ist das Amt anvertraut“, schreibt er in unserem Predigttext. Im griechischen Originalwortlaut wird auch ersichtlich, welches Amt, nämlich das eines Haushalters.
Seine Sorge gilt freilich nicht den Gemeindefinanzen. Er kümmert sich vielmehr um die Güter, von denen eine Gemeinde tatsächlich lebt: Wort und Sakrament. Gott selber will mit diesen Gütern die Gemeinde sättigen, wie er sein Volk in der Wüste mit Manna gesättigt hat. An seiner Gemeinde sollen die Leute sehen, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von einem jeden Wort, das aus Gottes Mund kommt. Der geistliche Reichtum der Gemeinde also liegt Paulus als Haushalter am Herzen.
II.
Dieses Amt, das dem Paulus anvertraut ist, lässt sich nicht in festgelegten Bürozeiten erledigen, soviel ist klar. Eine so weit gefasste Haushalterschaft wie sie die Sorge um das Evangelium in Wort und Sakrament ist, die lässt sich nicht auf Arbeitsstunden aufteilen. Und sie lässt sich nicht mit Dienstschluss abgeben. Da gibt es keine Trennung von Arbeit und Freizeit. So ein Amt ist eine Lebensaufgabe. Bis heute.
In unseren Kirchengemeinden ist diese Sorge für das Evangelium auf mehrere Schultern verteilt. Sie gehört zum Pfarramt, zum Lektoren- und Prädikantenamt und zum Amt des Kirchenvorstands hinzu. Und alle Amtsträger und Amtsträgerinnen, denen diese Sorge, um das Evangelium anvertraut ist, tun hoffentlich mehr als nur das Nötigste, sind mit ganzem Herzen bei dieser Sache. So verlangt es dieses Amt der Haushalterschaft nämlich.
Das Bewusstsein für die Besonderheit dieses Amtes haben wir damit auch in unserer Kirche bis heute bewahrt. Das zeigen uns zumindest noch die, Formulierungen, die bei Amtseinführungen verwendet werden. „Bist du bereit, ... dich in allen Dingen so zu verhalten, wie es deinem Auftrag entspricht?“ Diese Frage zeigt, dass die Sorge um das Evangelium nicht auf den Sonntagvormittag beschränkt ist. Sie schließt auch die Lebensführung einer kirchlichen Amtsperson mit ein. Und das gilt nicht nur für Pfarrer und Pfarrerinnen.
(Hier sollte ein persönliches Beispiel folgen. Bitte jedenfalls ein positives, aber keinesfalls ein Selbstlob. Man erzähle von erfahrener Gastfreundschaft in einer fremden Kirchengemeinde; von der Beilegung eines Streitfalls durch die Vermittlung einer Vertrauensperson aus dem Kirchenvorstand, von einem tröstlichen Anruf oder Besuch in einer schweren Zeit: von einem offenen Pfarrhaus, das mehr war als nur der Wohnsitz der Pfarrfamilie...)
Es ist nicht nur unmöglich, so ein Amt auf feste Arbeitszeiten zu begrenzen. So ein Amt lässt sich auch nicht angemessen bezahlen. Es ist gut, dass die meisten Leute es unbezahlt ausüben. „Ehrenamtlich“ sagen wir dazu. Und es ist gut, dass die Kirchen für ihre Pfarrer/innen das Prinzip der Alimentation gewählt haben. Versorgt sollen sie sein. Und darüber hinaus frei sein, mit Wort und Tat, mit ihrem ganzen Leben einzustehen für das Evangelium.
Paulus selber ist übrigens auch ein „Ehrenamtlicher“.
Er will nicht einmal versorgt werden von den Korinthern. Jeder soll deutlich sehen, dass die Gemeindegründung nur ein geistliches Ziel hatte, kein materielles. Es ging nur darum, Gottes Auftrag zu erfüllen und sein Wort weiterzugeben. In Korinth arbeitet Paulus darum für seinen Broterwerb in der Textilwerkstatt von Aquila und Priszilla. Er hat nämlich das Handwerk des Zeltmachers gelernt.
III.
Das kirchliche Amt, die Sorge um das Evangelium, um Wort und Sakrament kann nie ein normaler Job werden, auch nicht für Pfarrerinnen und Pfarrer. Von einem normalen Job kann man nie sagen: „Ich muss es tun“, wie Paulus das hier formuliert. Und gerade in der Praxis einer Kirchengemeinde. zeigt sich immer wieder: Nicht die Fähigkeiten einer Amtsperson sind das Entscheidende. Die Hauptsache ist die Liebe zum Evangelium.
Amtsträgerinnen. die aus dieser Liebe heraus mehr tun als nur das Nötigste, die mit Eifer, mit Freude, manchmal sogar mit Begeisterung bei ihrer Sache sind, denen verzeiht man auch Unprofessionalität.
Es scheint sogar so zu sein, dass sich Gott besonders gerne der Schwachen bedient und gerade sie beauftragt.
Mose, der nicht richtig reden kann, muss vor den Pharao. Und der merkt: Dieser Mann redet nicht, weil er es besonders gut kann, sondern weil er muss, weil er einen Auftrag hat.
Und mit Paulus scheint es ja nicht anders gewesen zu sein. „...dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen“, schreibt er uns heute und betont immer wieder in seinen Briefen, wie wenig Grund er hat, sich zu rühmen, wie schwach und untauglich er eigentlich ist. Aber gerade dadurch tritt Gottes Handeln umso leuchtender hervor. Von Paulus ist darum auch der wunderbare Zuspruch Gottes überliefert: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Um dieser Zusage willen ist Paulus auch bereit, persönlich zurückzutreten. Denn das Entscheidende tut ja Gott. Auch bei Paulus selber. Er hat ihm ein neues Leben in Christus geschenkt und damit „Freiheit von jedermann“. Da kommt es auf weiteren Ruhm, auf Beförderungen und Karriere wahrhaftig nicht mehr an. Er kann ruhig sein altes Ich noch weiter verlieren, „sich selbst jedermann zum Knecht machen“.
Den Juden wird er ein Jude, den Griechen ein Grieche, den Schwachen ein Schwacher. Er versucht, sich durchsichtig zu machen, ein Fenster zu sein. Durch dieses Fenster hindurch sollen die Leute nicht mehr den alten Paulus sehen, sondern das Evangelium von Jesus Christus und damit die neue Identität. „Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.“
Was heißt das für die Arbeit einer Kirchengemeinde? Paulus ist an dieser Stelle oft missverstanden worden. Die Kirche hat auch bewusst versucht, allen Leuten etwas zu bieten, den Jugendlichen etwas Jugendgemäßes, den Familien etwas Familiengemäßes, den Alten etwas Seniorengemäßes.
Da ist viel Gutes geschehen. Aber die, Hauptsache, die Sorge um. das Evangelium, ist dabei manchmal vergessen worden. Sich selber durchsichtig zu machen ist aber nur sinnvoll, wenn die Mitte klar bestimmt bleibt. Sonst bleiben die Leute nur bei sich selber, sehen das Neue und Andere nicht. Die Hauptsorge, die allen Bemühungen vorausgeht, muss also die Sorge um das Evangelium sein. Wenn diese Mitte klar ist, können wir auf alle erdenkliche Weise auf die Leute zugehen. Wer dann durch uns hindurchsieht, den rechten. Durchblick hat, sieht nicht mehr uns und auch nicht mehr sich selbst, sondern Jesus Christus, das Licht der Welt. Amen.
Verfasser: Pfr. Dr. Holger Forssman, Eulerstr. 10, 91058 Erlangen
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