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Die ewige Stadt

von Karsten Müller (Halle /Saale)

Predigtdatum : 23.11.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : 2. Petrus 3,(3-7).8-13
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Wochenspruch:
Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Lukas 12, 35)
Psalm: Psalm 126

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 65, 17 - 19.(20 - 22).23 - 25
Epistel: Offenbarung 21, 1 - 7
Evangelium: Matthäus 25, 1 - 13

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 152 Wir warten dein, o Gottessohn
Wochenlied: EG 147 Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied: EG 153 Der Himmel, der ist
Schlusslied: EG 153 Ermuntert euch, ihr Frommen

Liebe Gemeinde,

die Spötter sind schon da. Und es hat sie schon immer gegeben. „Wo ist denn euer Gott?“, ist ihre Frage oder sie stellen fest: „Mit dem Tod ist alles aus.“

Wenn mit dem Tod alles aus ist, scheint es im Leben auf nichts oder auf alles anzukommen. Auf nichts, weil ja nichts mehr kommt. Ich kann leben wie ich will. Wenn es gut geht, nehme ich mir vor, ein guter Mensch zu sein. Wenn nicht, bin ich mir selbst der Nächste. Was gehen mich die anderen an. Mit dem Tod ist doch alles aus. Wenn mit dem Tod alles aus ist, kann es auch auf alles ankommen: Ich muss mit-nehmen, was ich kriegen kann, von den 1000 Orten, die ich vor dem Tod gesehen haben muss, will ich wenigstens 500 sehen.

Wo bleibt Christus?, fragen sich die Leser und Leserinnen des 2. Petrusbriefes. Sollte er nicht wiederkommen, seine Herrschaft auf richten und der Welt ein Ende bereitet? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Schöpfung gewesen ist, lautet die nüchterne Feststellung. Alles bleibt beim Alten. Wo bleibt Christus?

Diese Frage stellen sich nicht nur Spötter oder Skeptiker. Sie kann auch dem glaubenden Menschen in den Sinn oder über die Lippen kommen. Denen unter uns, zum Beispiel, die im vergehenden Kirchenjahr einen lieben Menschen ver-loren haben. Christus, wo bleibst du, wenn ein junger Men-sch an Krebs sterben muss? Christus, wo bist du bei all den Unglücken oder Amokläufen, bei denen Menschen mitten aus dem Leben gerissen werden. Wo bist du, wenn schwer kranke Menschen an den Apparaten hängen und nicht leben und nicht sterben können.

Was hilft es da, dass unser Briefabschnitt darauf hinweist, dass eben nicht alles bleibt, wie es ist – und das auch früher nicht so war? Was hilft es, wenn uns in Erinnerung gerufen wird, dass die Welt, in der wir leben, mit der wir uns viel-leicht auch quälen, nur eine vorläufige Welt ist, aufgespart für das Feuer, bewahrt für den Tag des Gerichts und der Verdammnis der gottlosen Menschen? Hilft uns eine solche Vorstellung?

Am Ende des Offenbarungsbuches steht der Satz: Und es wird nichts Verfluchtes mehr sein. (Offenbarung 22, 3) Im Gericht werden wir gefragt nach unserem Tun und las-sen, nach unserer Frömmigkeit und unseren Gottlosigkeiten. Alles wir noch einmal zur Sprache kommen und das ist auch gut so. Wir werden Verantwortung übernehmen müssen, aber am Ende wird nichts Verfluchtes mehr sein. Wenn schon in der Sintflut die Menschheit auf Erden nicht aus-gelöst wurde, wieso sollten dann Menschen nach ihrem Tod ausgelöst werden?

Das Ende des Kirchenjahres stellt unsere Perspektiven in Frage. Gerichtsvorstellungen müssen revidiert werden. Das Gericht am Ende der Zeit ist nicht vorstellbar als Landge-richt mit göttlichen Mitteln. Dass die Welt im Feuer unter-geht, das ist seit der Mitte des letzten Jahrhunderts durch-aus vorstellbar. Nicht vorstellbar ist, dass Gott seiner Schöpfung ein solches Ende setzt.

Wir wissen, dass unser Leben ein Ende haben wird. Aber wir dürfen auch in der Gewissheit leben, dass das Leben mit dem Tod nicht in das Nichts fällt. Diese Gewissheit nährt sich aus den Ereignissen am Ostermorgen.

Die Gräber auf unseren Friedhöfen sind aber nicht leer. Wir treffen dort auch keinen Engel, der uns mitteilt, dass Menschen, die der Tod aus unserer Mitte nahm, aufer-standen sind. Ist also die Hoffnung auf Auferstehung, auf neues Leben nach dem Leben begründet? Kann man nach fast 2000 Jahren noch von dieser Hoffnung leben, auf sie bauen?

Man kann. Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lie-ben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag. So sagt es unser Briefabschnitt. Das Ende des Kirchenjahres stellt unsere Perspektiven in Frage – oder rückt sie gerade. Wir werden an die Feststellung des 90. Psalms erinnert, dass tausend Jahre vor Gott wie ein Tag sein können. Warum sollen wir nicht auf eine Hoffnung bauen, die nach göttlicher Rechnung auf einem Ereignis beruht, dass sich vorgestern abspielte. Die Erfahrungen der Frauen, die am Ostermorgen vom Grab kommen, sind so nahe bei uns.

Wie nahe das Ende der Zeit ist, wissen wir nicht. Wir wissen es nicht für die Welt und wir wissen es nicht für unser Leben. Sicher, wir haben manchmal Vorahnungen. Wenn wir älter werden, spüren wir, wie die Kräfte abnehmen. Zeit und Stunde aber kennen wir nicht.

Diese Erfahrung und die Erfahrung, dass Christus in der ersten Generation der Christen seine Herrschaft in der Welt nicht direkt aufrichtete, führt in unserem Briefabschnitt zu einer Argumentation, die aufhorchen lässt: Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde.

Wenn wir jetzt an die Gottlosen denken oder an die, die wir dafür halten, dann sei der Gedanke bei uns, dass die Hand mit der wir auf andere zeigen mit drei Fingern auf uns selbst zeigt. Wir alle sind auf Gottes Geduld angewiesen. Wir soll-ten nicht den Fehler des selbstgerechten Pharisäers im Tempel wiederholen, der Gott dankt, dass er nicht ist wie der Zöllner neben ihm. „Gott, sei mir Sünder gnädig“, das ist auch unser Satz. Danke, Gott, dass du Geduld mit uns hast. Danke, Gott, dass du uns eine neue Perspektive schenkst.

Am Ende unseres Briefabschnitts wird die Perspektive ganz konkret: Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Ge-rechtigkeit wohnt. Kann Warten eine Lebenshaltung sein?

Warten ist nicht unbedingt positiv besetzt. Wir erinnern uns an die Kindheit, an das Warten auf Weihnachten oder das Herbeisehnen des Endes der Schulzeit. Irgendwie verbindet sich mit dem Warten auch Passivität: Menschen, die auf einen Zug warten oder in der Schlange stehen.

Warten wir wirklich auf einen neuen Himmel und eine neue Erde? Wir suchen eher Sicherheiten. Berechenbares steht hoch im Kurs. Nicht wenige Menschen bei uns sagen: Wie es ist in meinem Leben, kann es bleiben. Das ist ja an sich auch nichts Schlechtes.

Aber dieser Wunsch, dass es bleibt, wie es ist, erfüllt sich in keinem Leben. Das Leben liegt nicht in unserer Hand. Wir können es gestalten, auch planen in gewisser Weise. Aber wir können es nicht behalten.

Wenn wir heute an Menschen denken, deren irdisches Leben vergangen ist, dann wenden wir den Blick zurück. Wir erin-nern uns an die Zeit, die wir mit einem lieben Menschen verbrachten. Wir trauern, dass diese Zeit vorbei ist und nicht wiederkommt.

In unsere Trauer am Ewigkeitssonntag mischt sich aber auch die Hoffnung des Ostermorgens: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Wir warten in unserem Leben nicht auf den Tod, wir warten ... auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach Gottes Verheißung.

Wir können auch sagen: Im vorläufigen warten wir auf das Beständige. In der Unsicherheit warten wir auf die Sicher-heit, im Vergänglichen warten wir auf das Bleibende.

Dorthin sind wir auf dem Weg. Der Himmel und die Erde, auf die wir warten und hoffen, sind nicht in dieser Welt zu finden. Aber sie sind uns versprochen. Wir wissen auch, dass der, der sie uns versprochen hat, dass der sein Ver-sprechen hält. Er sagt: Ich lebe und ihr sollt auch leben.
Amen.

Verfasser: Pfarrer Karsten Müller
An der Johanneskirche 1, 06110 Halle (Saale)

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