Die ewige Stadt
von Tobias Eichenberg (39576 Stendal)
Predigtdatum
:
24.11.2002
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle
:
2. Petrus 3,(3-7).8-13
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Wochenspruch:
Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Lukas 12,35)
Psalm: 126 (EG 750)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 65,17-19 (20-22) 23-25
Epistel:
Offenbarung 21,1-7
Evangelium:
Matthäus 25,1-13
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 152 oder
EG 450
Wir warten dein, o Gottes Sohn
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 147
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied:
EG 149,1.5-7
oder EG 153
Es ist gewisslich an der Zeit
Der Himmel, der ist
Schlusslied:
EG 449,8
Alles vergehet, Gott aber stehet
[3 Ihr sollt vor allem wissen, dass in den letzten Tagen Spötter kommen werden, die ihren Spott treiben, ihren eigenen Begierden nachgehen
4 und sagen: Wo bleibt die Verheißung seines Kommens? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Schöpfung gewesen ist. 5 Denn sie wollen nichts davon wissen, dass der Himmel vorzeiten auch war, dazu die Erde, die aus Wasser und durch Wasser Bestand hatte durch Gottes Wort; 6 dennoch wurde damals die Welt dadurch in der Sintflut vernichtet.[a] 7 So werden auch der Himmel, der jetzt ist, und die Erde durch dasselbe Wort aufgespart für das Feuer, bewahrt für den Tag des Gerichts und der Verdammnis der gottlosen Menschen.]
8 Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag. 9 Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde. 10 Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.
11 Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, 12 die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden. 13 Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Mit welchen Gedanken sind sie heute hierher gekommen? Tragen Sie die Erinnerung an einen Menschen in sich, der im letzten Jahr aus diesem Leben gegangen ist, und um den Sie trauern? Wollen Sie das Ende des Kirchenjahres bedenken, das dem Kalenderjahr etwas voraus ist? Mancher setzt schon in dieser Zeit einen Schluss-Strich unter das alte Jahr, denn mit dem 1. Advent beginnt etwas ganz Neues. Oder sind Sie zum Gottesdienst gekommen, weil das für Sie dazugehört?
Wenn man draußen die Natur anschaut und seinen Empfindungen nachdenkt, ist unsere Jahreszeit vom Vergehen bestimmt: Blüten, Laub und Früchte vergehen im Spätherbst. Gleichzeitig denken wir an Menschen und Dinge, die einmal waren und nun nicht mehr sind. Das macht oft traurig, weil wir dadurch schmerzlich an unsere eigene Vergänglichkeit erinnert werden.
Die Bibel sieht dieser Wirklichkeit deutlich ins Auge: Nicht nur unser Leben, nein, diese ganze Welt wird vergehen, sagt unser Predigtabschnitt aus dem 2. Petrusbrief. Wer das bestreitet, macht sich etwas vor. Vielleicht argumentiert heute kaum jemand so wie jene Kritiker von damals, die behaupteten: „Seit dem Anfang der Welt ist alles beim Alten geblieben und wird auch so bleiben. Jesus wird nicht noch einmal auf diese Erde kommen!“
Eher sagen Menschen heute: „Unsere Erde hat sich in Jahrmillionen von selbst entwickelt ohne fremdes Zutun. Per Zufall hat sich gerade hier Leben entfaltet. Folglich ist auch alles andere in unserm Leben Zufall. Also nehme man sein Leben selber in die Hand und sorge für sich. Jeder muss schließlich wissen, wo er bleibt!“ Schon in der Schule wird den Kindern so eine Haltung vermittelt, und wir finden sie in allen Bereichen unserer Gesellschaft wieder.
Dem hält der 2. Petrusbrief entgegen: Habt ihr vergessen, dass die alte Welt in einer großen Flutkatastrophe unterging? Ebenso wird unsere Welt einmal durch Feuer vernichtet werden. Der Tag des Gerichtes wird in einem Feuersturm alles hinwegfegen, was Gott nicht entspricht. Es bleibt nicht alles beim Alten. Das ist so sicher wie die einstige Flut. Interessant ist an der alten biblischen Sprache, dass sie hier von „den Himmeln“ in der Mehrzahl spricht. Ist das nicht angemessen angesichts dessen, dass es allein in unserer Milchstraße 100 Milliarden Sonnen wie die unsere gibt?
Unsere Welt geht nicht einer glücklichen Zukunft entgegen, sondern einer Katastrophe. Diese Nachricht ist weder bequem noch hoffnungsvoll. Aber sie ist realistisch. Naturkatastrophen großen Ausmaßes und durch Menschen herbeigeführte Schäden sind Vorboten, die uns erinnern: Diese Welt wird vergehen! Zur Zeit des 2. Petrusbriefes konnte man sich eine weltweite Feuerkatastrophe allenfalls in der Fantasie vorstellen. Nach den Bildern von Atombombenabwürfen, von Reaktorunfällen und von den Terrorangriffen des 11. September 2001 aber habe wir eine Vorstellung davon, wie Zerstörung Länder und Kontinente überschreitet und sogar lange Zeit wirkt. Doch diese Aussicht ist nicht das Ziel. Gott, der Herr, wird vielmehr Himmel und Erde neu schaffen, um in ihnen Gerechtigkeit aufzurichten.
Offensichtlich gelingt es uns Menschen nicht, das selbst zu tun. Allen Erfolgen, wo Menschen Gerechtigkeit bewirken, stehen immer neue und größere Rückschläge gegenüber. Viele sind daher in der Gefahr zu resignieren: Es ändert sich ja doch nichts, sagen sie, wir spüren nichts von Gottes Wirken. Und damit stehen sie auf derselben Seite wie die eingangs erwähnten Zweifler: Warum merken wir nichts von Gott?
Gott hat Zeit und lässt der Menschheit Zeit. Das bringt uns der Vergleich aus dem Psalm nahe, der sagt: Bei dem Herrn sind tausend Jahre wie ein Tag. Unwahrscheinlich lange Zeiträume stehen Gott zur Verfügung, vergleichbar mit den riesigen Räumen unseres Weltalls. Es liegt nicht an Gottes Ohnmacht, sondern an seiner Größe, wenn unsere Weltgeschichte sich gleichsam wie an einer langen Leine abspielt. Gott lässt aber die Dinge nicht einfach laufen, um sie sich dann aus der Ferne anzusehen, wie manche Karikaturen zeigen.
Er will vielmehr mit seiner großen Geduld erreichen, dass jeder die Gelegenheit zur Umkehr bekommt. Zur Umkehr zu ihm, dem Schöpfer, von dem wir herkommen. Und zur Hinkehr zu ihm, auf den unsere Welt zu geht. Die von Luther gebrauchte Formulierung „dass sich jedermann zur Buße kehre“, ist heute missverständlich. Es ist nicht gemeint, dass wir für irgendetwas eine Geld- oder sonstige Strafe erhalten, also etwas büßen sollen. Vielmehr dürfen wir uns zu Gott wenden, weil die Strafe bereits abgebüßt ist.
Nicht durch uns, sondern durch Jesus, der sein Leben an unserer Statt vernichten ließ. So hat er am Kreuz den Weg der Umkehr zu Gott freigemacht. Wäre dieser Weg nicht gebahnt, hätten wir keinen Zugang zu Gott. Nun aber dürfen wir kommen und zu ihm „Vater“ sagen. Und gleichzeitig können wir ihm bringen, was in unserm Leben weit weg von ihm war, was daneben ging. Umkehr zu Gott beinhaltet die Freude, dass die Schuld vergeben wird, die wir ihm bringen. So wird Menschen ein neuer Anfang geschenkt. Frei von den Lasten eigener und fremder Schuld können sie ihren Weg gehen.
Viele Lieder singen davon. Eines davon ist manchen sicher geläufig: „Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, darin will ich vor Gott bestehn.“ (EG 350) Durch Jesus kommt Gerechtigkeit in das Leben von Menschen, die von Natur aus nicht gerecht sind und vor Gott nicht bestehen können. Nicht wir können vor Gott unsere Gerechtigkeit zeigen, nein, er schenkt uns seine Gerechtigkeit.
Wer so beschenkt worden ist, dessen Verhältnis zu anderen Menschen wird sich ändern. Gottes Gerechtigkeit wird sein Denken und Tun prägen. So wird er andere neu sehen lernen: Nicht nur das, was sie jetzt sind, sondern was Gott aus ihnen machen kann, wird in seinem Blick sein. Wer Gottes Gnade erfahren hat, kann auch andere von dieser Gnade her betrachten. So ergreift die Gerechtigkeit Gottes über einen Menschen hinaus immer auch andere. Wenn wir sie nur für uns haben wollen, stimmt etwas nicht! Deshalb ist auch die Frage für uns heilsam: Was ändert sich für andere Menschen dadurch, dass ich Gott kenne? Merken sie etwas davon, dass er mein Leben entlastet und beschenkt? Und sehe ich sie als welche an, die mich eher stören, oder interessieren sie mich, weil Gott sich für sie interessiert? Er will nicht, dass jemand verloren geht, sondern dass jeder zur Umkehr findet.
Wenn am heutigen Tag viele traurig sind, wäre das nicht eine Gelegenheit, sich ihnen zuzuwenden, damit sie merken: Ich bin doch nicht allein! Möchte nicht Gott, dass wir uns andern öffnen, um endlich einmal loszukommen von uns selbst? Auf diese Weise könnte schon an diesem Tag etwas Neues anfangen in unserem Leben, das anderen zur Hilfe wird.
Aber noch viel mehr hat er, der Herr, vor. Unsere Erde, an der schon so vieles unwiederbringlich zerstört und kaputt ist, will er ebenso neu schaffen wie die Himmel, damit Gerechtigkeit endlich überall Platz hat. Nicht das Ende ist das Ziel, sondern der Neuanfang ohne Unrecht, Schmerz und Tränen. Inmitten alles Vergehens und Leidens lassen Sie uns dieses Ziel in den Blick bekommen. Von diesem Ziel her dürfen wir die Gegenwart sehen: als eine vorläufige, die vergeht. Aber auch als eine Gelegenheit Gottes, uns zu ihm zu kehren, solange Zeit dafür ist. Und schließlich als eine Zeit, die wir ausfüllen dürfen für andere Menschen. So werden wir bereit für seine Ankunft. Sie ist dann nicht mehr ein Grund zum Erschrecken, sondern zur Freude und Hoffnung. Gott schenke uns, dass wir diesen Blick gewinnen –heute am Ewigkeitssonntag. Amen.
Verfasser: Pfr. Dr. Tobias Eichenberg, Schulstr.4, 39576 Stendal
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