Die ewige Stadt
von Martin Bender (55128 Mainz-Bretzenheim)
Predigtdatum
:
22.11.1998
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle
:
Offenbarung 21,1-7
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Wochenspruch:
Laßt eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Lk. 12,35)
Psalm: 126 (EG 750)
Lesungen:
Altes Testament:
Jesaja 65,17-19 (20-22) 23-25
Epistel:
Offenbarung 21,1-7
Evangelium:
Matthäus 25,1-13
Liedvorschläge:
Eingangslied:
EG 150
Jerusalem, du hochgebaute Stadt
Wochenlied:
EG 147
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied:
EG 351
Ist Gott für mich, so trete
Schlußlied:
EG 533
Du kannst nicht tiefer fallen
1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.
Liebe Gemeinde!
Unser Text ist einer der letzten Abschnitte der Bibel; er gehört zu dem einzigen prophetischen Buch des Neuen Testaments. Er weist hin auf die Zeit nach unserer Zeit und ist somit eine Art Vermächtnis an die Christenheit, an die, die an das Versprechen Gottes und seine Einlösung glauben.
Der Verfasser trägt zwar denselben Namen wie der Lieblings-Jünger Jesu, wie der Verfasser des Evangeliums und der der Johannes-Briefe. Doch es dürfte sich dabei um vier verschiedene Personen handeln, die entweder zufällig denselben Namen trugen oder aber - was wahrscheinlicher ist - sich ganz bewußt in die gedankliche Tradition des Jüngers gestellt haben.
Schon im Johannes-Evangelium wird das Leben und Wirken Jesu nicht einfach als Chronik erzählt, sondern das Geschehen wird gedeutet und gewertet. Der Schreiber sieht alles unter dem Blickwinkel der langfristigen Wirksamkeit Jesu, mit Blick auf die Zukunft.
Diesen Blick hatten schon die alten Propheten des Gottesvolkes, doch sie konnten eigentlich nur hinweisen auf das drohende Gericht und auf den kommenden Erlöser.
Nun steht da der Seher Johannes, der aus recht unmittelbaren Berichten erfahren hat von Jesus und von seinem Wirken. Nun sieht er das weitere Wirken Gottes, das begonnen hat mit Jesus, und das seine Erfüllung finden wird in einer neuen Welt. Was da bevorsteht, das hat im Grunde schon begonnen: Die Schaffung einer neuen Welt. Darum sagt er auch: „Es ist geschehen.“ - Das Entscheidende ist Realität geworden: Der Sieg über den Tod durch die Auferstehung Jesu. - Alles, was jetzt kommt, ist nur noch die logische Folge aus dem, was Gott durch seinen Sohn Jesus Christus begonnen hat.
Wenn wir nun heute einen solchen Text hören oder lesen, dann müssen wir uns klarmachen, daß er in einer Zeit entstanden ist, in der noch ein völlig anderes Denken und Fühlen herrschte. Die Gemeinde jener Zeit, die noch auf unmittelbaren Zeugenaussagen gründete, war noch auf unmittelbares Erleben ausgerichtet. Man verstand die Zusage Jesu, wiederzukommen, als zeitnah. Man rechnete noch mit der persönlichen Begegnung mit ihm.
Nun wissen wir heute, daß eine persönliche Begegnung auch ohne die sichtbare Anwesenheit Jesu möglich ist. Paulus hat es als erster erfahren und Ungezählte nach ihm.
In dieses Denken hinein stellt der Seher Johannes ein ganz anderes Bild: Der wiederkehrende Christus wird uns nicht in dieser unserer Welt begegnen, sondern in einer neuen, gänzlich anderen Welt.
Jesus hatte einmal gesagt: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Er hat nicht einfach die Angst beseitigt, sondern ihre Ursache, das, was uns ängstigt.
Für diese neue Welt steht hier das „Neue Jerusalem“, die neue Stadt Gottes. „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!“ - Gott kommt zu uns und nimmt Wohnung bei uns.
Wie auch immer es sei - ob Gott zu uns kommt, oder ob er uns zu sich nimmt - er sagt es uns zu: „Siehe, ich mache alles neu!“
Er schenkt uns eine neue Welt und sagt „Es ist geschehen.“ - Wie eine solche Welt etwa aussehen könnte, zeigen einige Beispiele:
Die alte Welt -
was war das?
Die neue Welt -
was wird das sein?
Krieg
Friede
Streit
Einvernehmen
Konflikte
Harmonie
Arbeitslosigkeit
Arbeit und Brot für alle
Hunger
Nahrung für alle
Flüchtlingselend
Heimat für alle
Krankheit
Gesundheit
Umwelt-Verschmutzung
Saubere Welt
Rohstoff-Verknappung
Rohstoffe in Fülle
Schon hier - am letzten Beispiel - sehen wir, daß das in unserer Welt kaum möglich sein wird. Aber ein Stück weit können wir schon dahin arbeiten - sofern wir uns von dem neuen Geist lenken lassen, den Gott uns geschenkt hat.
Aber kommt es eigentlich darauf an, mit Menschenverstand und Menschenkraft den Himmel auf Erden zu schaffen? - Gerade dies ist seine Zusage, daß ER es tun wird. Ein Stück diese Himmels auf Erden wurde deutlich in den Worten eines Sterbenden:
„Als ich wußte, daß ich bald sterben würde, hatte ich fürchterliche Angst. Aber jetzt weiß ich, daß ich hinübergehen darf in eine Welt, in der es keinen Streit und keinen Mangel und keine Schmerzen geben wird. - Und deshalb habe ich auch keine Angst mehr.“ Diese Erkenntnis oder Grundhaltung hat früher dazu geführt, daß man glaubte - und manche Menschen hängen dem heute noch an - das Gottesreich stehe uns erst in der Ewigkeit bevor und sei in dieser Welt noch nicht zu finden oder zu verwirklichen. Das ist ebenso falsch wie die Meinung, man könne den Himmel auf Erden herunterholen.
Gottes Herrschaft über seine Welt ist nicht erst seit Jesus angebrochen, sondern sie war schon immer da. Durch Jesus Christus ist sie offenbar geworden. Er, der die Welt überwunden hat, d. h. der der Herrschaft der bösen Mächte entgegengetreten ist, gibt uns die Kraft und die Zuversicht, der neuen Welt entgegenzugehen, ohne uns schon hier und jetzt in sie zu flüchten.
Das Hoffen und Warten auf ein besseres Jenseits mag zwar über einzelne schwere Augenblicke hinweghelfen, aber es trübt unseren Blick - nicht nur für die Realität unseres Lebens, sondern auch für das Wirken Gottes in unserem Leben und in der Welt - auch wenn es für uns mitunter kaum noch erkennbar erscheint.
Jesus hat Menschen sehend gemacht. Er hat damit nicht nur Blinde geheilt, sondern er hat die innere Blindheit geheilt, er hat den Menschen die inneren Augen geöffnet für sein Werk und sein Wirken.
Als der Auferstandene ist er in unsere Mitte getreten und ist Gegenwart. Wo er mit seinem Geist unser Handeln bestimmt, da wird schon etwas neu.
Wir gedenken heute in besonderer Weise der Toten - unserer verstorbenen Angehörigen und insbesondere der im letzten Jahr Verstorbenen. Früher hatte dieser Sonntag deshalb den Namen „Toten-Sonntag“. Heute heißt er „Ewigkeits-Sonntag“. Wir denken über den Tod hinaus. Wir denken auch daran, daß unser irdisches Leben sein Ende haben wird.
Aber wir dürfen uns trösten lassen durch die Zusage, daß ER alles neu machen wird, und daß es bereits geschehen ist.
Er wird - wie es in unserem Text heißt - alle Tränen abwischen, und es wird kein Leid noch Geschrei noch Schmerz mehr sein.
Das darf uns nicht zu dem Fehlschluß verleiten, daß es keinen Abschiedsschmerz mehr geben würde beim Verlust eines lieben Menschen.
Aber wir haben die Zusage der neuen Stadt. Wie sie aussehen wird, das wissen wir nicht. Der Seher Johannes hat hier auch nur in Bildern gesprochen. Denn mit menschlicher Vorstellungskraft ist das nicht auszumalen oder gar zu erkennen, was uns erwartet. Aber darauf hoffen und warten und auf die Zusage vertrauen, das dürfen wir. Und das ist ja wohl fürs erste schon genug
Und wir dürfen wissen, daß unsere Verstorbenen sich in jenem Jerusalem in bester Obhut befinden. - Das darf und soll uns trösten. Amen.
Verfasser: Prädikant Martin Bender, Südring 98, 55128 Mainz
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