Menü

Die ewige Stadt

von Rosemarie Wiegand (65207 Wiesbaden)

Predigtdatum : 20.11.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : Lukas 12,42-48
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:



Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Lukas 12,35)



Psalm: 126 (EG 750)



Lesungen



Altes Testament:

Jesaja 65,17-19 (20-22) 23-25

Epistel:

Offenbarung 21,1-7

Evangelium:

Matthäus 25,1-13



Liedvorschläge



Eingangslied:

EG 450

Morgenglanz der Ewigkeit

Wochenlied:

EG 147

„Wachet auf“, ruft uns die Stimme

Predigtlied:

EG 560

Es kommt die Zeit

Schlusslied:

EG 533

Du kannst nicht tiefer fallen



Hinführung zur Predigt zum Ewigkeitssonntag 20. November 2005



In einem ersten Schritt zur Auslegung des Predigttextes ist mir der Kasus „Ewigkeitssonntag“ wichtig gewesen. In unserem Sprachgebrauch ist noch sehr oft die Rede von „Totensonntag“.

Viele Menschen in meiner Gemeinde sprechen auch nur vom „Gottesdienst am Totensonntag“. Erst im zweiter Linie kommt die Bezeichnung „Ewigkeitssonntag“ vor. Jede Bezeichnung hat ihren theologischen Schwerpunkt. Lässt das Wort „Totensonntag“ zunächst nur die Verstorbenen als die Toten in den Blick nehmen, gehen bei dem Wort „Ewigkeitssonntag“ die Gedanken über den Tod hinaus und nehmen die Frage mit: Was wird sein nach dem Tod? In dieser Spannung beginnt meine Predigt: Totensonntag – Ewigkeitssonntag.

In diesen Zusammenhang stelle ich den Predigttext und beziehe ihn auf unsere Lebenssituation, indem wir von Gott bestellte HaushalterInnen unseres Lebens sind. Den Gerichtsgedanken lasse ich nur am Rande anklingen und nehme noch als Stütze den 12. Vers aus Psalm 90 hinzu: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“

Totensonntag – Ewigkeitssonntag: Sie geben die Möglichkeit, die eigene Lebenspraxis zu überprüfen und zu fragen: Wie sind Tod und Leben miteinander verbunden? Sie geben mir Raum, meine Lebensführung und -einstellung daran zu messen: Bin ich klug genug, zu erkennen, was mein Leben ausmacht?

Als Lesung schlage ich die Epistel Offb. 21, 1-7 vor (darauf weise ich in der Predigt hin).



Liebe Gemeinde!

„Totensonntag“ oder „Ewigkeitssonntag“ oder einfach nur „Letzter Sonntag des Kirchenjahres“ – drei Bezeichnungen gibt es für diesen Sonntag.

„Totensonntag“, fragte mich einmal eine Frau, „was ist denn das für ein Sonntag?“ Diese Frau hatte die christliche Einteilung der Sonntage vergessen, und dieser Sonntag im November, der Totensonntag, hatte für sie bisher keine Rolle gespielt.

Anderen ist die Tradition dieses Sonntages vertraut und bei manchen verbunden mit schmerzlichen Erinnerungen. Der Totensonntag, der letzte Sonntag im Kirchenjahr, ist der Erinnerung an die Verstorbenen gewidmet und erinnert die Lebenden daran, wie sehr der Tod zum Leben dazugehört. Wer sich daran erinnern lassen will, wird Namen von Menschen hören, die der Tod genommen hat in den Familien, in der Nachbarschaft, in unserem Ort.

Totensonntag ist ein Sonntag, der uns die Verstorbenen in Erinnerung behalten lässt, dazu werden auch in unserer evangelischen Tradition die Gräber geschmückt. Im Gottesdienst gehört es dazu, noch einmal die Namen derer zu hören, die im zu Ende gehenden Kirchenjahr, in der Zeit zwischen dem ersten Adventssonntag und dem Totensonntag, gestorben sind.

Auch die Bezeichnung „letzter Sonntag im Kirchenjahr“ erinnert daran, dass etwas zu Ende geht, bevor wieder Neues beginnen kann.

„Totensonntag“, so fragte mich die Frau weiter, „ist das der letzte Zeitpunkt, wo etwas zum Tod eines bestimmten Menschen gesagt wird? Mit dem Tod ist doch alles vorbei!“

Michael Quoist hat es in einem wunderschönen Gebet so formuliert:

Als ob es die Toten gäbe!

Herr, es gibt keine Toten,

es gibt nur Lebende, auf unserer Erde und im Jenseits.

Herr, den Tod gibt es,

aber er ist nur ein Moment,

ein Augenblick, eine Sekunde, ein Schritt,

der Schritt vom Vorläufigen ins Endgültige,

der Schritt vom Zeitlichen ins Ewige.

Der Tod ist ein Übergang vom Vergänglichen ins Unvergänglíche, sagt Quoist. Diese Gedanken führen uns zu der dritten Bezeichnung dieses Sonntags: „Ewigkeitssonntag“.

Mit dieser Bezeichnung wird ein Tor aufgetan, durch das wir Lebenden nicht gehen, durch das wir nicht sehen können. Aber wir erahnen Gottes Ewigkeit, in die hinein der geführt wird, der durch den Tod gegangen ist.

Ewigkeitssonntag – diese Bezeichnung weitet den Ausblick und sprengt alle Grenzen und Horizonte.

(hier ist ein Blick auf die Lesung Offb. 21,1-7 möglich)

Ein neuer Himmel und eine neue Erde, das himmlische Jerusalem – das sind Bilder, die die Apokalypse gebraucht, um uns vor Augen zu führen, was auf uns wartet; Gott wird bei uns wohnen auf immer und ewig.

Wir Menschen müssen einander einmal loslassen. Wir nehmen voneinander Abschied, und jeder geht seinen letzten Weg allein, doch Gott ist da. Niemand der Lebenden hat je dahinein einen Blick werfen können, doch unser christlicher Glaube hält Bilder dafür bereit, die uns in Trauer und Tod Kraft und Zuversicht geben können.

Totensonntag – wir denken an die Verstorbenen, und darüber hinaus nehmen wir die Ewigkeit in den Blick, den letzten Tag des Todes und den ersten, an dem der Tod nicht mehr sein wird, kein Leid, kein Geschrei. Und doch fällt es uns schwer, Menschen herzugeben, mit denen uns viel verbindet.

Und das alles bekommt an diesem Sonntag im Kirchenjahr noch einmal ein besonderes Gewicht: auszuhalten, wie unwiederbringlich Tage und Gelegenheiten sind, auszuhalten, dass Begegnungen und Möglichkeiten nicht mehr wiederkehren. „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden.“ So hat es der Schreiber des 90. Psalms formuliert.

Jesus erzählt dazu ein Gleichnis:

42 Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wer ist der treue und kluge Verwalter, den der Herr über seine Leute setzt, damit er ihnen zur rechten Zeit gibt, was ihnen zusteht? 43 Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, das tun sieht. 44 Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen. 45 Wenn aber jener Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr kommt noch lange nicht, und fängt an, die Knechte und Mägde zu schlagen, auch zu essen und zu trinken und sich voll zu saufen, 46 dann wird der Herr dieses Knechtes kommen an einem Tage, an dem er's nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, und wird ihn in Stücke hauen lassen und wird ihm sein Teil geben bei den Ungläubigen.

47 Der Knecht aber, der den Willen seines Herrn kennt, hat aber nichts vorbereitet noch nach seinem Willen getan, der wird viel Schläge erleiden müssen. 48 Wer ihn aber nicht kennt und getan hat, was Schläge verdient, wird wenig Schläge erleiden. Denn wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.



Liebe Gemeinde!

Ein treuer Verwalter, der zur rechten Zeit das Richtige tut, der sich verantwortlich fühlt für das ihm anvertraute Leben und bereit ist, dem Herrn jederzeit Rechenschaft zu geben.

Ein untreuer Verwalter, der die ihm anvertrauten Aufgabe und Verpflichtungen missbraucht und vernachlässigt und gar nicht im Sinne des Herrn das ihm Anvertraute lebt.

Dann kommt der Tag, an dem der Herr (von beiden) Rechenschaft fordert. Von Belohnung und Strafe wird gesprochen – Belohnung für den klugen und Strafe für den untreuen Verwalter.

Beiden hatte der Herr Verantwortung für andere Menschen und für sich gegeben. Beiden traute er zu, dass sie diese Aufgabe wahrnehmen und auch leben können. Warum sonst hätte er ihnen diese Aufgabe anvertrauen sollen?

Dieses Gleichnis führt uns hinein in die Welt der damaligen Hörerinnen und Hörer. Das Warten darauf, dass Jesus wiederkommen wird, bald schon, vielleicht sogar noch zu Lebzeiten der einen oder anderen, steht im Hintergrund. In viel größerer Entfernung davon und Distanz leben wir und warten nicht mehr drauf, dass Jesus noch zu unseren Lebzeiten wiederkommen wird. Wir nehmen diesen Glauben mit auf den Weg hinein in die Weite der Ewigkeit. Und trotzdem kommen wir nicht daran vorbei, uns darüber Gedanken zu machen, wie wir mit unserem Leben, mit dem, was uns anvertraut ist, umgehen.

„Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ – dieses Psalm-Wort (Ps. 90,12) fällt mir wieder dazu ein. Auch hier ist von Klugsein die Rede, jedoch aus einem ganz anderen Zusammenhang heraus, im Rahmen des Sterbens.

Und da ist es nicht egal, wie ich lebe, nicht egal, auf welcher Basis ich mein Leben aufbaue. Es ist nicht egal, wie achtsam und verantwortungsvoll ich lebe. Ich kann mein Leben so planen und einrichten, als würde mir die Ewigkeit hier auf Erden zur Verfügung stehen, als gäbe es für mich keine Tabus. Grenzen kann ich überschreiten ohne Rücksicht auf Gott, den Schöpfer.

Ich kann aber andererseits auch glauben, dass der Schöpfer mir mein Leben anvertraut hat, und aus diesem Glauben heraus verantwortlich umgehe mit dem, was mir gegeben ist, weil ich ihm einst mein Leben zurückzugeben habe. Ich kann mein Leben als Geschenk sehen und annehmen, mit dem ich achtsam und sorgsam umgehen muss.

Wir leben nicht alleine auf der Welt, wir sind hineingenommen in Gottes Schöpfung, und wir sind Verwalterinnen und Verwalter im Haus unseres Lebens und ebenso Haushalterinnen und Haushalter im Haus der Erde.

Leo Tolstoi sagt: „Man muss so leben, als habe man noch eine Stunde Zeit und könnte nur noch das Allerwichtigste erledigen. Und gleichzeitig so leben, als werde man das, was man tut, bis in alle Ewigkeit fortsetzen.“

„Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, so sagen es die Worte des alttestamentlichen Psalms.

Wir haben unser Leben gleichsam auf Kredit, mit dem wir arbeiten und leben können. Und wenn wir dann einmal Bilanz ziehen und sagen können: „Ja, da gab es viel Schönes in meinem Leben. Ich habe Liebe geben und empfangen können. Da sind Begegnungen, die mich beschenkt haben, die mir auf meinem Weg wichtig geworden sind. Da sind Fehler, die mir verziehen wurden. Ich durfte leben in der Fülle des Lebens, und auch auf schweren und leidvollen Wegen habe ich Gottes Geleit erfahren dürfen. Es ist in Ordnung so, wie es war und ist“ – wer dieses am Ende sagen kann, der hat mit seinem Kredit gearbeitet wie der kluge Verwalter, der so lebt und handelt, als ob sein Herr jeden Augenblick zurückkommt und von ihm Rechenschaft fordert.

Wir können nicht anders als unser Leben anzunehmen und im Vertrauen zu gestalten. Das gilt auch für Trauernde, die meinen, sie könnten nach dem Verlust eines geliebten Menschen nicht mehr leben. Oder für Kranke und Verzweifelte, die meinen, es lohne sich nicht mehr weiterzumachen. Sogar dem Leid und dem Schmerz des Abschieds tut es gut, wenn sie gestaltet werden können.

Deshalb „Totensonntag“: damit wir uns daran erinnern lassen, wie begrenzt unser Leben ist. Und deshalb „Ewigkeitssonntag“: dass wir auch dann vor Gott bestehen können als kluge Haushalter unseres Lebens. Amen.



Verfasserin: Pfrn. Rosemarie Wiegand, Pfarrstr. 1, 65207 Wiesbaden

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich (Bestellformular).