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Die ewige Stadt

von Christian Fuhrmann (39104 Magdeburg)

Predigtdatum : 25.11.2012
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : Jesaja 65,17-19.(20-22).23-25
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Wochenspruch:

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. Lukas 12,35

Psalm: Psalm 126

Lesungen

Altes Testament: Jesaja 65, 17 - 19. (20 - 22). 23 - 25

Epistel: Offenbarung 21, 1 - 7

Evangelium: Matthäus 25, 1 - 13

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 298 Wenn der Herr einst die Gefangnen

Wochenlied: EG 147 Wachet auf, ruft uns die Stimme

Predigtlied: EG 148, 1.4 - 7 Herzlich tut mich erfreuen

Schlusslied: EG 153 Der Himmel, der ist

Liebe Gemeinde,

traumhaft schöne Bilder hat uns der alte Prophet vor Augen gestellt. Gott verwandelt die Welt, in der wir leben. Oder sagen wir besser: Gott verwandelt einmal die Welt, in der wir noch leben müssen?

Der Prophet Jesaja bringt enttäuschten Menschen die Vision einer besseren Welt nahe. Seine Hörer waren als Freie aus der Gefangen-schaft nach Jerusalem zurück gekommen. Die Eltern und Großeltern hatten sehnsüchtig von der Heimat erzählt. Und nun sind sie am Ziel ihrer Reise angekommen. Sie stehen zwischen Schutt und Asche und vor der riesigen Aufgabe, Jerusalem – die heilige Stadt – wieder auf-zubauen.

Ob sie wollen oder nicht – sie müssen sich diesem Leben stellen. Einem Leben, das durch zerbrochene Träume bestimmt ist. Ein Le-ben steht vor ihnen, das so ganz anders ist, als geplant.

Die schönen Hoffnungsbilder des Propheten lassen erahnen, welche Not seine Mitmenschen umtrieb. Die Seuchengefahr und die Kinder-sterblichkeit waren hoch im Trümmerland. Der Prophet setzt dage-gen: „Als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt.“ Kinder werden nicht für den frühen Tod gezeugt werden.

Die Lebensgrundlagen waren unsicher in dieser Zeit ohne Schutz der Gerechtigkeit. Und die Vision des Propheten erzählt davon, dass die Menschen nicht bauen werden, was andere dann bewohnen und nicht pflanzen werden, was andere dann ernten.

Die Klagen zu Gott über Krankheit und Sterben, über Unrecht und Unheil nahmen wohl zu Recht kein Ende.Und die quälende Frage, ob Gott das alles nicht sieht und nicht hört, kann auch den Glauben zum Trümmerfeld machen…

In diese Situation spricht der Prophet in Gottes Namen: „Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.“

Heute, etwa 2.500 Jahre später, hören wir am Ewigkeitssonntag die Vision des Propheten. Für viele von uns rühren die Bilder Schmerzen und Trümmer des eigenen Lebens an. Wie soll es auch anders sein, an diesem Sonntag mit dem Gedenken an unsere Verstorbenen.

Tod und Sterben bringen immer Brüche in unser Leben.

Da ist der Mann, der nach Jahrzehnten gemeinsamen Lebens die Stille in der Wohnung nicht aushält. Sie fehlt ihm, seine Frau. Er kann nicht weiter ohne sie.

Da ist die junge Frau mit ihren beiden Kindern. „Mein Leben ist ein Scherbenhaufen, seit die Polizei mit der Pfarrerin vor der Tür stand.“ Und während sie das sagt, ist dieses Bild wieder vor ihren Augen, das sie nicht mehr loslässt „Wir bringen eine schlechte Nachricht“, sagte der Uniformierte. Da war alles klar und alles kaputt.

Liebe Gemeinde,

heute, am Ewigkeitssonntag etwa 2.500 Jahre nach dem Propheten Jesaja hören wir wieder seine Worte und sehen wieder seine traumhaften Bilder.

Laden diese Bilder nicht nahezu zum Vergessen ein? Wollen sie etwa auffordern, die Angst vor der Krankheit genauso wie die Angst vor dem Sterben zu übersehen? Und soll genau so die Furcht vor dem Verlust der Arbeit wie die Befürchtung zu verarmen einfach verdrängt werden?

In einem Bibelgesprächskreis fragt ein Teilnehmer: „Kann mir das weiterhelfen, wenn ich verzweifelt bin und das Leben unerträglich finde?“ Und eine sonst sehr stille Teilnehmerin fragt:“ Ist das nicht alles Vertröstung? Wir müssen doch in einer ganz anderen Welt leben!“

Ja - der Prophet Jesaja spricht von einer Welt, die wir so nicht erleben:

Kein Verrat und keine Ungerechtigkeit, keine Enttäuschung – was für ein Leben! Dafür aber Frieden und Liebe, sattes Leben ohne Brüche und Scherben.

Woher können wir die Kraft nehmen, für solche Hoffnungsvisionen?

Der Prophet vor 2.500 Jahren hatte diese Kraft. Sein Volk lebte in tiefer Enttäuschung auf dem Schutthaufen der Schätze ihrer Vorfahren. Den Trauernden und Depressiven, den Kranken und vom Unrecht Gezeichneten bringt er Gottes Stimme nahe: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und nicht mehr zu Herzen nehmen wird.“

Jesaja lässt Gott in seiner Vision sprechen. Nicht wir Menschen sind es, die es vollbringen. Der Schöpfer der Welt selbst spricht von der verwandelten Welt.

Das prophetische Gottvertrauen ist die Kraft, die Jesaja mutig wer-den lässt, nicht von den sichtbaren Ruinen, sondern von schönen Mauern zu sprechen. Sein Glaube ist es, nicht beim Tod und Sterben zu verharren, sondern vom Leben zu schwärmen.

Mitten im Alten hört der Prophet Gottes Worte vom Neuen. Und er hat den Mut, diese Worte nicht für sich zu behalten. In dunkler Stim-mung sieht er viel Licht am Horizont. Und dieses Licht seiner Hoff-nung leuchtet bis in die Dunkelheit des aktuellen Lebens.

Nein – der Prophet läuft nicht weg, auch träumt er sich nicht weg. Er bleibt mitten im Schutt und spricht von bewohnbaren Häusern. Er flieht nicht vor der Trauer der Eltern um das Kind. Und gleichzeitig hofft er auf Gottes Welt, in der keine Kinder da sein werden, die nur einige Tage leben. Er bleibt den Menschen nahe, die plötzlich ohne Lebensgrundlage da stehen. Und er erzählt ihnen von Gottes verwan-delter Welt, in der sie ernten sollen, was sie gesät haben.

Die visionären Bilder stiften nicht zu Weltflucht an. Auch vertrösten sie nicht auf ein Jenseits. Es geht in den Hoffnungsbildern des Pro-pheten um das Leben heute in all seiner Härte. Es geht um das, was unser Leben bestimmt und um das, was unseren Ausblick in die Zukunft ermöglicht.

Solche Prophetenworte stiften seit Jahrtausenden zu eigenen Träu-men an. Sie laden ein, sich auf die Träume als Gegenbilder zu den Lasten im Leben einzulassen. Nicht um das alles zu vergessen, aber um sich nicht von solchen Horrorbildern gefangen nehmen zu lassen.

Der Prophet Jesaja ist ein echter Protestant. Als Protestant verbietet er sich nicht die Klage über die schlimmen Verhältnisse. Er verbietet sich nicht die laute Trauer um die Verstorbenen. Er verbietet sich nicht die Tränen über die schweren Enttäuschungen. Auch ist er kein „Hans im Glück“ der einfach Unglück mit Glück verwechselt.

Sondern der Prophet sieht in seinem Gottvertrauen mehr als der kluge Realist. Der Realist analysiert und ergründet die Not. Und wenn sie groß genug ist, kommt er mit seiner klaren Berechnung zu dem Schluss: „Da kann man nichts machen!“

Der Protestant sagt dagegen – „es kann auch ganz anders sein und ich glaube, dass es ganz anders sein wird“.

Liebe Gemeinde,

Gott schenkt uns durch den Protestanten Jesaja Bilder der Hoffnung. An diese Hoffnungsbilder dürfen wir uns halten und klammern, wenn wir unsere Sterbenden loslassen müssen.

In unserer Trauer um die Verstorbenen schenken uns solche Bilder eine neue Perspektive. Der Blick zurück und die mit ihm verbun-denen Erinnerungen werden vor einen hellen Horizont gestellt. Das, was war und was wir schmerzlich vermissen, wird in dieses Licht der Zukunft und Hoffnung eingebettet.

Liebe Gemeinde,

vielleicht begehen wir alle Jahre den Ewigkeitssonntag, um uns ein-zuüben in solche Sichtweisen wie die von Jesaja. Gott hat uns eine Hoffnung zugesagt, die wir in den Traurigkeiten unseres Lebens nur schwer entdecken können. Aber es ist noch lange nicht entschieden, dass unveränderlich ist, was wir heute als unveränderbar erleben. Was heute zerstört und zerbrochen ist, kann neu und ganz erfahren werden – sagt der Prophet in seinem trotzigen Protest.

Und wir? – Wir werden sehen! Und dürfen uns heute schon mal trösten lassen:

„Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und nicht mehr zu Herzen nehmen wird.“

Verfasser: Kirchenrat Christian Fuhrmann Michaelisstraße 39, 99084 Erfurt

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