Die ewige Stadt
von Thomas Kluck (64287 Darmstadt)
Predigtdatum
:
26.11.2006
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle
:
Jesaja 65,17-19.(20-22).23-25
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Wochenspruch:
Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.
(Lukas 12,35)
Psalm: 126 (EG 750)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 65,17-19 (20-22) 23-25
Epistel:
Offenbarung 21,1-7
Evangelium:
Matthäus 25,1-13
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 450
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 147
„Wachet auf“, ruft uns die Stimme
Predigtlied:
EG 560
Es kommt die Zeit
Schlusslied:
EG 533
Du kannst nicht tiefer fallen
Liebe Gemeinde,
eine alte Legende erzählt: Zwei Mönche, die gemeinsam mit anderen in einem Kloster leben, haben seit vielen Jahren fast nur über ein Thema miteinander gesprochen: Wie wird es nach dem Tode sein?
Jeder von beiden hat seine Vorstellungen davon, jeder beschreibt dem anderen, wie er sich die jenseitige Welt denkt. Aber immer, wenn einer das Jenseits in bunten Farben geschildert hat, winkt der andere ab: „Aliter!“ – wie unter Mönchen im Mittelalter üblich natürlich in Latein – also: Anders wird es sein, anders als du es dir vorstellst!
Und wenn dann der zweite wortreich seine Vorstellung vom Jenseits dargelegt hat, antwortet wieder der erste: „Aliter – anders!“
Schließlich vereinbaren sie: wer von ihnen zuerst stirbt, soll dem anderen im Traum erscheinen und ihm erzählen, wie es nun wirklich ist!
Tatsächlich erscheint der eine nach seinem Tod dem anderen im Traum, und der fragt ihn gespannt: Wie ist es denn nun wirklich?
Die Antwort lautet: Totaliter aliter! Ganz anders! Ganz anders, liebe Gemeinde, wird es sein, ganz anders, als wir es uns in unseren kühnsten Träumen vorstellen.
Die Bibel ist voller Bilder, die beschreiben, wie es dann sein wird. Bilder, die Trost spenden. Es wird ganz anders sein, aber wir brauchen uns davor nicht zu fürchten. Eine Beschreibung dessen, was sein wird, hörten wir schon in der Lesung. Eine andere Beschreibung steht bei Jesaja im 65. Kapitel:
17 So spricht der HERR: Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. 18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, 19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
[20 Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. 21 Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. 22 Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen.]
23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. 24 Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.
25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.
Wenn ich daran denke, wie vielen Menschen vor uns dieser Text bereits Trost und Hoffnung gegeben hat, dann spüre ich selbst etwas von dieser Hoffnung auch für mein Leben.
Als der Text vor etwa 2500 Jahren entstand, war das babylonische Exil des Volkes Israel gerade beendet, und die Gefangenen konnten allmählich heimkehren. Voll freudiger Erwartung kehrten die Menschen zurück ins Land Israel, sie hatten es sich wunderschön vorgestellt. Doch nun, dort angekommen, trifft es sie wie ein Keulenschlag. Die Häuser sind verfallen, der Tempel zerstört, das Land ist verwahrlost. Hunger und Not, Resignation und Verzweiflung an der Tagesordnung. Warum nach dieser Enttäuschung also noch mal neu anfangen? Warum Weinreben pflanzen? Woher Hoffnung nehmen? Jesaja kennt die Situation der Menschen sehr wohl. Er weiß, wie sehr die Menschen leiden.
Inmitten dieses Leidens und Verzweifelns hört Jesaja die Stimme Gottes. Sie spricht von einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Gott schenkt Jesaja diese Vision, um allen Menschen Mut zu machen. Die Vorstellung von einem wunderbaren Leben, Wolf und Schaf weiden beieinander, es herrscht Frieden. Es gibt keine Ungerechtigkeit und nur sinnvoll genutztes Leben. Ganz ähnlich den Visionen, die Jahrhunderte später dem Seher Johannes offenbar wurden, die wir in der Lesung hörten.
Das Besondere ist: Die Zusage, dass es einmal so sein wird, verändert jetzt und hier schon die traurige Realität. Die Verheißung einer guten Zukunft lässt uns jetzt und hier schon aufatmen. Die Grenzen zwischen „es wird sein“ und „es ist schon“ werden in Jesus Christus durchlässig. Durch ihn kam das Heil zu uns auf die Erde. So haben wir schon hier eine Vorahnung wie es einmal sein wird. Auch wenn es totaliter aliter – total anders sein wird, können wir manchmal schon etwas davon spüren, wie es einmal sein wird. Und deshalb brauchen wir uns nicht zu ängstigen.
Beim Lesen von Texten wie diesen kann man die Ewigkeit spüren, in Gottesdiensten, in Gesprächen oder auch in alten Kirchen, die schon eine lange Geschichte hinter sich und hoffentlich auch vor sich haben. Auch beim Besuch von Friedhöfen kann man die Verbindung spüren von dem, was war, von dem was ist und dem, was sein wird. Ewigkeit – total anders, aber doch hier schon in Ansätzen spürbar.
Am Anfang des Predigttextes heißt es: Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken, und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Danach kommen die wunderbaren Verheißungen. Mir sagt das: All das, was schwer war, wird nicht mehr ins Gewicht fallen. Es wird dich nicht mehr belasten. Die alten Probleme werden hinfällig sein. In der Offenbarung des Johannes liest sich das so: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.
Gott ist es, der von den alten Belastungen befreit. Gott wird die Tränen abwischen. Wir müssen Geduld haben – mit uns selbst und mit anderen. Wir haben die manchmal schwere Aufgabe des Wartens. Aber die Zusage, dass Gott es einmal so machen wird, wie uns die Bibel verheißt, lässt uns die Wartezeit ertragen – und sie sogar aktiv gestalten.
Gott wird uns helfen, unsere Trauer zu überwinden, aber wir können auch etwas dazu tun. Viele von Ihnen haben sich auf den Abschied, den sie im letzten Jahr auf sich nehmen mussten, vorbereiten können. Viele konnten in Frieden Abschied nehmen - andere wurden ganz schnell auseinandergerissen, völlig unvorbereitet und überraschend. Bei vielen bleibt das Gefühl zurück, dass so vieles noch zu sagen gewesen wäre. Vieles ist abgebrochen und noch immer nicht geklärt.
Wie kann ich offen Gebliebenes klären, wenn das Gegenüber nicht mehr da ist? Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Ich kann es einem Menschen meines Vertrauens erzählen, den Kindern, der Freundin, dem Pfarrer...und auf einmal kann es geschehen, dass sich die Beziehung zu dem Verstorbenen verändert, so als hätte ich mit ihm selbst gesprochen. Ich kann auch all das, was noch offen ist, im Gebet vor Gott bringen. Zum Beispiel als Klage: Wieso Gott, durfte ich das nicht mehr mit dem Verstorbenen erleben? Warum er? Warum jetzt? Oder als Bekenntnis: Gott, diesen schweren Fehler kann ich nicht mehr gut machen, ich vertraue dir an, was ich falsch gemacht habe, und hoffe auf deine Vergebung. Oder als Gespräch: Was hätte er dazu wohl gesagt? Wie soll ich mich jetzt verhalten?
Ich möchte Sie ermutigen, diese Möglichkeiten zu nutzen, auszusprechen, was noch offen ist. Ich bin sicher: es wird die Beziehung zum Verstorbenen und zu mir selbst zum Guten verändern.
Viele Bilder gibt es von der Ewigkeit! Viele Möglichkeiten, eine Ahnung von der Ewigkeit zu bekommen! Ob Ewigkeit so zu verstehen ist, wie Jesaja sie sieht oder wie der Seher Johannes sie beschrieben hat, spielt eigentlich keine Rolle. Wichtig ist: Was den Verstorbenen widerfährt und was auch jeder und jedem von uns irgendwann bevorsteht, das muss uns nicht erschrecken, sondern wir können dem zuversichtlich entgegen gehen. Denn die Beziehung zu Gott hat mit dem Tod kein Ende, sondern sie vertieft und intensiviert sich.
Ich bin und bleibe geborgen bei Gott. Anfang, Mitte und Ende meines Lebens stehen in Gottes Händen.
Es wird einst wunderbar sein, aber wir können hier schon eine Vorahnung davon haben. Wo Gottes Stimme mich im Innersten erreicht, da verliere ich meine Angst, da erahne ich, wie groß und umfassend Gott ist. Da spüre ich: Bei Gott ist die Zeit aufgehoben in die Ewigkeit. Bei Gott ist zwar alles totaliter aliter, ganz anders, aber davor brauche ich mich nicht zu fürchten, denn der Tod ist nicht das Ende, sondern der Übergang zum Leben in seiner ganzen Fülle, zum Leben in Gott – das ist unsere Hoffnung für unsere Verstorbenen und für uns selbst. Amen.
Verfasser: Pfr. Dr. Thomas Kluck, Herdweg 122, 64287 Darmstadt
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