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Die Freude sieht weiter.

von Jochen Gollin (Frankfurt)

Predigtdatum : 24.12.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 4. Advent
Textstelle : Johannes 1,19-23.(24-28)
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Wochenspruch:

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!
(Philipper 4, 4.5b)
Psalm:
102, 17 – 23 ( EG 741 )

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 52, 7 - 10
Epistel:
Philipper 4, 4 – 7
Evangelium:
Lukas 1, ( 39 – 45 ) 46 – 55 ( 56 )

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 17
Wir sagen euch an den lieben Advent
Wochenlied:
EG 9
Nun jauchzet all ihr Frommen
Predigtlied:
EG 11
Wie soll ich dich empfangen
Schlusslied:
EG 4
Nun komm der Heiden Heiland

Johannes 1, 19 – 23 (24 - 28)
19 Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten Priester und Leviten von Jerusalem, dass sie ihn fragten: Wer bist du? 20 Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. 21 Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin's nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. 22 Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? 23 Er sprach: »Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jesaja 40,3).
[ 24 Und sie waren von den Pharisäern abgesandt, 25 und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet? 26 Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. 27 Der wird nach mir kommen, und ich bin nicht wert, daß ich seine Schuhriemen löse. 28 Dies geschah in Betanien jenseits des Jordans, wo Johannes taufte. ]

Theologische Vorbemerkung: Das vierte Evangelium befreit das Bild Johannes des Täufers von allen apokalyptischen Zügen, die es bei den Synoptikern Matthäus, Markus und Lukas bestimmen. Aus dem endzeitlichen Vorläufer dort wird der Zeitgenosse und Zeuge für Jesus Christus hier.

Praktische Vorbemerkung:
Die Versangaben in den Klammern sind nicht für den mündlichen Vortrag, sondern zur Orientierung bei der Vorbereitung bestimmt.

Nicht wahr, liebe Gemeinde, dieser Täufer, den das Johannesevangelium uns vorstellt, ist nicht der, den viele von uns seit der Kindheit kennen: Der trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um die Hüfte. Seine Speise waren Heuschrecken und wilder Honig. Und seine Predigt war eine einzige Publikumsbeschimpfung.
„ Ihr Schlangenbrut. Wer hat Euch gewiss gemacht, dass Ihr dem künftigen Zorn Gottes entrinnen werdet? Seht zu, dass Ihr Frucht bringt, die der Buße entspricht“ (Matthäus 3)!

„Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen“ (Lukas 3).

So schildern uns die ersten drei Evangelisten Johannes den Täufer und dessen Gerichtspredigt und wollen damit sagen: Unsere bösen Taten haben Folgen für unsere Begegnung mit Gott. Wir werden Gott begegnen, aber es wird eine erschreckende Begegnung sein. Wir werden dem zornigen, dem richtenden und strafenden Gott begegnen. Eine Begegnung mit dem Feuer.
So, wie Matthäus, Markus und Lukas uns Johannes den Täufer schildern, muss dieser eine tiefe Vision davon gehabt haben, dass sich Gottes Wirklichkeit im Nein zur Sünde verdichtet: Gott ist Feuer. Gott schwingt die Axt. Der unfruchtbare Baum wird abgehauen.

Ganz anders das vierte Evangelium. Der Evangelist Johannes hat das ihm überlieferte Bild von Johannes dem Täufer gleichsam einer theologischen Reinigung unterzogen: Aus dem endzeitlichen Vorläufer ist der Zeitgenosse und Zeuge für Christus geworden. Wir hören im Predigttext:

Als die Juden ihn dreimal fragen: „Wer bist du?“ ist dies “ das Zeugnis des Johannes“: „Ich bin nicht der Messias.“ (Der steht, von euch nicht erkannt, in eurer Mitte (Vers 26)). So des Täufers Antwort auf die erste Frage. „Ich bin nicht der Prophet Elia“ (dessen Wiederkunft Ihr beim Anbruch der Endereignisse erwartet und der die Verhältnisse in unserem Volk richten soll, so wie sie einmal in der Frühzeit waren). So des Täufers Antwort auf die zweite Frage. „ Ich bin nicht Mose (der Prophet), dessen Wiederkunft Ihr unmittelbar vor der Ankunft des Messias erwartet.“ So seine Antwort auf die dritte Frage.

Wir spüren: Die Darstellung Johannes des Täufers hier, im vierten Evangelium, hat sich wesentlich geändert. Die Sprache des Täufers ist nicht länger mit gewaltsamen Bildern besetzt.

Da wird kein Druck gemacht. Da wird kein Ultimatum gestellt und mit dem Tod gedroht. Alles Apokalyptische, Angstmachende ist aus der Verkündigung des Täufers im 4. Evangelium verschwunden.

Es ist wie ein Aufatmen, wenn plötzlich eine Unterbrechung geschieht, wenn Zeit gewonnen wird. „Ich bin nicht...Ich bin nicht...“ Besinnung wird möglich. Das vierte Evangelium gibt uns die Chance nachzudenken. Im Vergleich mit seinen drei Vorgängern Matthäus, Markus und Lukas lädt der Evangelist Johannes dazu ein, unser bisheriges Bild vom Täufer zu überdenken und uns neu zu orientieren: Vielleicht geht es Ihnen wie mir und Sie können hinter der Wiederholung der Täuferworte „Ich bin nicht…“ schon jene anderen Worte mithören, die berühmten „Ich-bin-Worte“ des johanneischen Christus: „Ich bin... das Licht der Welt. Ich bin...der gute Hirte. Ich bin...der Weg, die Wahrheit und Leben.

Im Spiel mit den Worten lässt der Evangelist hinter der Gestalt des Täufers die ganz andere Gestalt des Jesus Christus aufscheinen. Deshalb beschreibt der Evangelist Johannes auch die Rolle des Täufers lediglich indirekt mit einem Jesajazitat: „Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste: Richtet den Weg des Herrn!“ Übersetzt heißt das: Richtet euch auf den, der schon in eurer Mitte lebt (Vers 26)! Beschäftigt euch weniger mit mir als mit ihm: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen ( 3,30). Und ich bin nicht wert, ihm seine Schuhriemen zu lösen (Vers 27). Lasst euch ein auf Jesus als den Weg, der allein zum Vater führt (14,6)! Wie lässt sich der Weg Jesu näher beschreiben?
Ich erinnere an ein Gleichnis, das sich nur im Lukasevangelium findet. Es könnte ebenso gut im Johannesevangelium seinen Platz haben. Denn die Hauptfigur des Gleichnisses ist der Gärtner. Und ist es nicht wieder der Gärtner, in dessen Gestalt der Auferstandene Maria Magdalena erscheint, einige Kapitel weiter, am Schluss des Johannesevangeliums (Johannes 20)?

Das Gleichnis vom Feigenbaum (Lukas 13,6-9), an das ich denke, kann als Antwort Jesu auf Johannes den Täufer gelesen werden, so wie ihn uns die ersten drei Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas vor Augen malen. Da ist nicht nur der Baum, der keine Frucht trägt, und nicht nur der Besitzer mit der Axt. Da taucht eine dritte, neue Figur auf: der Gärtner. Und nun spielt sich folgendes Gespräch ab. Der Besitzer sagt zum Gärtner: „Ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. Aus dem wird nichts mehr. So hau ihn ab!“ Doch der Gärtner ist anderer Ansicht. Er wird zum Anwalt für den Baum: „Herr, gib ihm noch dieses Jahr! Gib ihm noch diese Chance!“ Das ist nicht nur eine Bitte um Fristverlängerung. Es ist eine Investition von Vertrauen und eine Investition von Arbeit. „Lass ihm noch dieses Jahr. So lange will ich um ihn her graben und ihn düngen“: Nicht die Axt, sondern der Spaten besetzt die Phantasie. Ich könnte auch sagen: nicht die Schwerter sondern die Pflugscharen. Bilder sagen einiges über unsere Wünsche: Umgraben, den Boden lockern, Luft ranlassen, gießen, düngen, Neues pflanzen. Das ist der Weg Jesu, das ist Reich-Gottes-Arbeit, wie Jesus sie schön findet und wie er sie selbst geübt hat.
Vielleicht hilft es doch. Vielleicht lässt uns diese liebevolle Sorge, diese umsichtige Pflege plötzlich doch noch Frucht bringen. Vielleicht fließt wieder Saft, vielleicht fängt das Abgestorbene an zu leben. „Richtet den Weg des Herrn.“ könnte dann heißen: Richtet euch ein in Seiner helfenden, befreienden, um das Gute besorgten Liebe und tut, wozu euch diese Liebe drängt!

Die Botschaft des Johannes verdichtet sich in einer Geste. Seine Umkehrpredigt im Spiegel der ersten drei Evangelien und sein Zeugnis für Jesus Christus im vierten Evangelium finden ihre Gestalt in der Taufe. Die Christenheit hat die Johannestaufe nach Ostern übernommen und bewahrt. Sie wird zum Sakrament des Eingangs in das Leben als Christ in der Christengemeinschaft. Die Taufe gewinnt im Neuen Testament viele Bedeutungen hinzu. Aber sie bleibt die Taufe der Umkehr, der Neuorientierung auf Christus hin.

Ich wünsche mir, dass wir das heute, wo in wenigen Stunden der Advent endet und die Heilige Nacht anfängt, bewusster wahrnehmen. Ich wünsche mir, dass die Erinnerung an den Ursprung der Taufe uns hilft, die Einsicht festzuhalten, dass unsere Zeit befristet ist. Es ist letzte Zeit, auch wenn wir Zeit gewonnen haben. Taufe auf den Namen Jesu Christi, den Fleischgewordenen, Gekreuzigten und Auferstandenen, heißt: Wir leben in einer vielfach bedrohten Welt. Aber wir glauben und haben es vielfach erfahren, dass der Todesbann gebrochen ist. Das Böse hat seine Macht verloren. Wir sind frei von seinen Zwängen.
Daraus folgt eine Vision von Kirche: Kirche als die Gemeinschaft der Getauften ist eine Gemeinschaft von Menschen, die dem Bösen die Gefolgschaft verweigern; die nicht mehr mitmachen bei der Zerstörung des Lebens; die den Zeitgewinn nutzen: umkehren und arbeiten und lieben und die Erde nicht aufgeben; die anfangen mit Graben und Pflanzen, Düngen und Gießen, damit wir (denn wir sind ja gemeint) vielleicht doch noch Frucht bringen; und die vor Gott für diese Welt eintreten und bitten: “Gott, lass uns noch Zeit!“ und für jede gewährte Zeit dankbar sind.
Der Friede Gottes, der eine Schutzmacht ist für unser Denken, bewahre unsere Köpfe und Sinne in Christus Jesus. Amen


Pfarrer. i. R. Jochen Gollin, Große Spillingsgasse 41, 60385 Frankfurt

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