Die Gemeinde der Sünder
von Karl Schmitt (Wald-Michelbach)
Predigtdatum
:
15.06.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
3. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Römer 12,17-21
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Wochenspruch:
Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Galater 6,2)
Psalm: 42,2-12 (EG 723)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 50,15-21
Epistel:
Römer 14,10-13
Evangelium:
Lukas 6,36-42
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 445, 1+2+ 4+5
Gott des Himmels und der Erden
Wochenlied:
EG 389,1-5
Ein reines Herz, Herr, schaff in mir
Predigtlied:
EG 629,1-3
Liebe ist nicht nur ein Wort
Schlusslied:
EG 172
Sende dein Licht und deine Wahrheit
Hinführung:
Der Predigttext stammt aus dem Teil des Römerbriefs, in dem der Apostel Paulus Weisungen, Anweisungen gibt – für das Verhalten der Christengemeinde in Rom untereinander und gegenüber Außenstehenden. Grundlage dafür ist die tiefgründige und ausführliche Darstellung des christlichen Glaubens in den ersten Kapiteln dieser Schrift. Die Sprache unseres Predigtabschnitts ist klar und zupackend. Es ist ein Text, der mich in jeder Hinsicht nicht nur ganz überzeugt, sondern stark anrührt.
Meine Predigt folgt den einzelnen Aussagen bei Paulus Stück für Stück (Form der „Homilie“). Dabei ist es mir wichtig, die Worte des Apostels mit anderen biblischen Aussagen zu verbinden, wie es Paulus ja auch tut, aber auch mit anderen Zeugnissen: aus Kunst und Geschichte, aus dem gesellschaftlichen und persönlichen Leben, und natürlich mit Erfahrungen und Verhaltensweisen in unserem Leben.
Ich gebe die herangezogenen biblischen Aussagen mit der jeweiligen Bibelstelle (jeweils in Klammern) an. Dies ist zur Information und zum leichteren Sich-Zurechtfinden der Predigenden gedacht, natürlich nicht dazu, diese Stellenangaben auf der Kanzel vorzulesen.
Die übrigen Aussagen und Beispiele verdanke ich folgenden Quellen:
Das Gedicht „Die Füße im Feuer“ von Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898) steht z.B. in der Sammlung Der ewige Brunnen gesammelt und herausgegeben von Ludwig Reiners, Verlag C. H. Beck, München 1955, Neuauflage 1966, Seiten 512-513
Das Zitat von Andrew Carnegie (1835-1919) findet sich in: H. Hamdorf-Ruddies, M. Josuttis, H.-D. Stolze (Herausgeber), Zitate für die Predigt, aus der Reihe "Dienst am Wort", Nr. 63, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, Seite 76
Der Bericht über Musikerziehung in Venezuela und damit Verbundenes stammt aus: Sendereihe in der „Musikstunde“ im zweiten Programm des Südwestrundfunks: „Mit Peter und dem Wolf zum Karneval der Tiere“ – Wie man Kindern Klassik vermittelt, 5 Teile, Autor: Christian Schruff; hier: Teil 3 „Leuchtende Vorbilder“, gesendet am 18.4.2007 in SWR 2
Die Geschichte mit dem Einbruch im Elternhaus und der Versöhnung mit dem Vater steht in: Zitate zum Kirchenjahr. Eine Sammlung für die praktische Auslegung, Band 1, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, Seiten 115-116
17 Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. 18 Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. 19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5. Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« 20 Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25,21-22). 21 Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Liebe Gemeinde!
Da ist in wenigen Worten viel gesagt. Es sind wertvolle Weisungen, Anweisungen, die uns auf Jesus Christus hinweisen und auf das, was in seinem Namen und in seinem Geist geschieht und geschehen soll. In Jesus haben diese Weisungen, diese Anweisungen ihren guten Grund und ihr volles Recht. Nur weil Jesus selbst so gehandelt hat, haben sie ihren guten Grund und ihr volles Recht.
Gehen wir dem im Einzelnen nach!
Da sagt Paulus zunächst: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem“. So wie es Jesus selbst gehalten hat. Der 1. Petrusbrief spricht von Jesus so: „er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt" (1. Petrus 2,22-23). Das ist gut, so zu handeln, aber auch schwer. Wir sagen lieber: „Man kann sich doch nicht alles gefallen lassen“. Und: „Wie du mir, so ich dir“. Aber besser sagen wir, im Dank an Jesus und im Blick auf unsere Mitmenschen: „Wie er mir, so – ich dir“.
Nicht nur uns fällt das schwer, Böses nicht mit Bösem zu vergelten. Auch denen, die als edel gelten: als Edelleute. Das zeigt sich in dem großartigen und berühmten Gedicht „Die Füße im Feuer“, das der Schweizer Dichter Conrad Ferdinand Meyer im 19. Jahrhundert geschrieben hat. Es erzählt in drängender, dramatischer Sprache davon, wie sich in Südfrankreich während eines wilden Sturmes ein französischer Offizier verirrt. Endlich findet er ein Schloss und wird dort freundlich aufgenommen. Als er allein im Speisesaal vor dem offenen Kamin sitzt, geht es ihm auf einmal auf: ‚Den Saal kenne ich’. Bei einer Jagd auf die Hugenotten hatte er den Schlossherrn gesucht, aber nicht gefunden. Um dessen Versteck herauszubekommen, hatte er die junge Schlossherrin gepackt und ihre nackten Füße in die Glut des Feuers am Kamin gesteckt. Sie hatte geschwiegen.
Bald danach war sie an den verkohlten Füßen gestorben. Als er jetzt mit der Familie zu Tisch sitzt, flüstern die Kinder ihrem Vater zu, wer der Gast ist Und nun beginnt eine Nacht langen, furchtbaren Kampfes im Herzen des hugenottischen Edelmannes, des Schlossherrn. Mächtig ist das Verlangen in ihm, den Mord an seiner armen Frau zu rächen. Am nächsten Morgen entlässt er aber den Gast, der natürlich auch eine sehr unruhige Nacht hinter sich hat und der ja immerhin der Mörder seiner tapferen Frau ist, ohne ihm etwas zu tun. Das aber ist dem Edelmann sehr schwer gefallen und war ihm wohl nur im Gedanken und im Gedenken an Gott möglich. So spricht er am Schluss dieses Gedichtes zu seinem Gast, dem Offizier: „Dem größten König eigen! Heute ward sein Dienst mir schwer... Gemordet hast du teuflisch mir mein Weib! Und lebst! ... Mein ist die Rache, redet Gott“.
Dann heißt es weiter in unserem Predigttext: „Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden“. Statt auf Böses mit neuem Bösen zu antworten und so die schlimme Kette fortzusetzen, werden wir dazu gerufen, mit Gutem und mit der Mühe um Frieden zu antworten. Das wird wohltuend nüchtern gesagt. Paulus macht uns darauf gefasst, dass es sein kann, dass wir nicht mit allen Menschen im Frieden leben können. Manche wollen’s partout nicht, und dann geht’s auch nicht. Darum sagt es der Apostel hier mit gleich zwei Einschränkungen: „Ist’s möglich, soviel an euch liegt“. Auch hier ruht der Grund und ruht das Recht zu dieser Weisung, zu dieser Anweisung in Jesus Christus, ja, in Gott selbst.
So schreibt der gleiche Apostel Paulus gegen Ende seines 2. Briefes an die Korinther dies: „Zuletzt ... freut euch, lasst euch zurecht bringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein“ (2. Korinther 13,11).
Dann geht es in unserem Text so weiter: „Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5. Mose 32,35): ‚Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr’“. Auch das ist schwer, ähnlich wie bei der Anweisung, wir sollten Böses auf keinen Fall mit Bösem vergelten. Da juckt es uns schon, da zuckt es uns in den Fingern, da spukt es uns im Kopf herum, ja, geben wir es ruhig zu: Wir hätten schon Lust, uns selbst zu rächen, wenn es nur eine Möglichkeit dazu gäbe! Aber aus zwei Gründen sollen wir unbedingt darauf verzichten:
Den ersten Grund nennt unser Text: Gott behält sich die Rache vor – wenn denn schon Rache sein muss! Ja, Gott selbst: damit Rache mächtig, aber nicht grenzenlos geschieht, damit sie wirkt, aber nicht zerstört.
Dafür findet sich ein eindrucksvolles biblisches Beispiel im Prophetenbuch Jeremia: in der letzten der großen Klagen Jeremias in Kapitel 20. Der Prophet selbst fühlt sich umgeben, fast umzingelt von Leuten, die Rache an ihm üben wollen. Er sagt: „Ich höre, wie viele heimlich reden: ‚Schrecken ist um und um!’ ‚Verklagt ihn!’ ‚Wir wollen ihn verklagen!’ Alle meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle: ‚Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen’“ (Jeremia 20,10). So erlebt Jeremia sogar Freunde und Gesellen, Menschen also, die ihm eigentlich gut sind oder jedenfalls gut sein sollten. Aber für sich selbst sagt er: „Und nun, Herr Zebaoth, der du die Gerechten prüfst, Nieren und Herz durchschaust: Lass mich deine Vergeltung an ihnen sehen; denn ich habe dir meine Sache befohlen“ (Jeremia 20, 12). Ja: Deine Vergeltung; ich habe dir meine Sache übertragen!
Auf Rache verzichten: erstens also, weil das Gottes Sache ist. So wie es der 1. Petrusbrief auch von Jesus Christus sagt: von ihm, der auf Schmähungen und Drohungen verzichtete, wie wir es vorhin schon hörten aus dem gleichen Zusammenhang in 1. Petrus. Da heißt es von Christus noch weiter: „er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet“ (1. Petrus 2,23), also Gott selbst.
Aber es gibt noch einen zweiten Grund, warum es unbedingt besser ist, wenn wir darauf verzichten, selbst Rache zu üben: Das würde uns als Menschen viel zu sehr beschäftigen, viel zu sehr belasten. Andrew Carnegie war ein Großindustrieller schottischer Herkunft. Er besaß ein Riesenvermögen, tat aber sehr viel Gutes damit, schuf viele Stiftungen, darunter auch die berühmte Konzerthalle in New York, die nach ihm „Carnegie Hall“ heißt; er war auch Angehöriger der Friedensbewegung und starb hoch betagt im Jahre 1919. Andrew Carnegie sagte einmal: „Wenn wir unsere Feinde hassen, geben wir ihnen große Macht über unser Leben: Macht über unseren Schlaf, unseren Appetit, unsere Gesundheit und unsere Geistesruhe“.
Text weiter: „Vielmehr, ‚wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln’“. Diese Weisung, auch Widersachern Speise und Trank zu gewähren, ist lebensbejahend, lebenszugewandt, lebensnah, ja, lebensnäher, als wir vielleicht wollen. Noch einmal eben nicht: „Wie du mir, so ich dir“, sondern: „Wie er mir, so – ich dir“!
Da ist noch die auffällige Ausdrucksweise: „Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohler auf sein Haupt sammeln“, eben auf den Kopf deines Widersachers. Dahinter steht ein Wort aus dem Alten Testament: aus dem Buch der Sprüche Salomos (25,21-22). Und hinter diesem Wort aus dem ersten Teil unserer Bibel steht wiederum eine Sitte aus dem alten Ägypten: eine Sitte zur Buße, ein Bußritus, um eine Sinnesänderung zu erzielen. Dieser Bußritus im alten Ägypten sieht so aus, dass der Schuldige ein Kohlebecken auf dem Kopf tragen musste, um demjenigen Genüge zu leisten, den er beleidigt hatte. Gleichgültig nun, ob Paulus diesen Bußritus kannte, oder ob er dies nur als eine allgemein bekannte Redensart übernimmt – er will auf jeden Fall sagen: Sorge du dafür, dass dein Widersacher nicht vom Leben abgeschnitten wird, sondern zu essen und zu trinken hat! Und sorge du dafür, dass er nicht in die Enge getrieben und ihm die Luft zum Leben abgedrückt wird, sondern dass er sich regen kann, dass er Raum hat und Gelegenheit findet, seine Schuld auch einzusehen und abzutragen, dass er Buße üben kann, dass er umkehren kann!
Der letzte Vers unseres Textes heißt dann so: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“. Biblisches Vorbild dafür ist Josef, zweitjüngster Sohn des Erzvaters Jakob im Alten Testament. Josef, der von seinen Brüdern nach Ägypten Verkaufte und dort zu Macht und menschlicher Größe Aufgestiegene, sagt gegen Ende der großartigen Geschichte, die uns im 1. Buch Mose farbig und mitreißend erzählt wird, zu seinen Brüdern in einem Wort, das zu Recht berühmt geworden ist: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk“ (1. Mose 50, 20).
Für uns ein noch wichtigeres, ein noch tieferes Vorbild, das Urbild für das Überwinden des Bösen mit Gutem ist Jesus. Von ihm sagt der 1. Petrusbrief in dem gleichen Zusammenhang, aus dem wir schon zweimal hörten, dies: „der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden“ (1. Petrus 2, 24).
Wie können wir das Böse mit Gutem überwinden? Wie und wo gibt es so etwas? Dafür zunächst ein Beispiel, das Sie überraschen mag, in dem sich soziale Arbeit und klassische Musik miteinander verbinden, ja, geradezu verbünden. Es geht um Venezuela in Südamerika: einen Staat, in dem es riesige Gegensätze zwischen Reich und Arm gibt, in dem ein Drittel der Bevölkerung 15 Jahre und jünger ist, und in dem fast 80 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze leben. Die meisten Jugendlichen müssen damit rechnen, auf der Straße zu leben, mit Gewalt und Drogen, gerade auch in den Barrios, den Elendsquartieren zum Beispiel in der Hauptstadt Caracas. Und genau hier setzt die Arbeit ein mit Musikschulen. Kinder und Jugendliche werden von der Straße weggeholt und zum Musizieren im Orchester erzogen. Zurzeit sind das immerhin etwa 150 000 Kinder und Jugendliche.
Seit gut 30 Jahren sind nun in Venezuela Kinder- und Jugendorchester entstanden. Inzwischen war das führende Kinder- und Jugendorchester zu drei Tourneen in Deutschland. So konnten viele Menschen hierzulande einen lebendigen Eindruck von dem enormen Leistungsvermögen dieser Kinder und Jugendlichen gewinnen. Wenn man sie spielen hört, kann einem schon einmal der Atem wegbleiben: technisch und musikalisch überragend und mit gewaltigem Temperament. Und sie spielen bewusst und absichtlich nicht vor allem südamerikanische Show-Stücke, die bei uns kaum jemand kennt. Sie spielen vielmehr Musik, die bei uns zum bekannten Repertoire gehört: Tschaikowsky und Beethoven. Und wie! Die Kinder und Jugendlichen wissen, was sie an diesem Tun haben.
Manche von ihnen sagen: „Ohne Musik wäre ich auf der Straße“. Andere: „Ohne Musik würde ich wohl Drogen nehmen“. Manche sagen sogar: „Ohne diese Musik wäre ich nicht mehr am Leben“. Einer, der heute Klarinettenlehrer ist, saß als Jugendlicher neunmal im Gefängnis: Drogendelikte, Raubüberfälle. Dann bot man ihm eine Klarinette an. Heute erinnert er sich: „Zuerst dachte ich, sie wollten sich über mich lustig machen. Ich dachte, niemand hätte zu einem Kind wie mir das Vertrauen, dass ich das Instrument nicht stehlen würde. Aber – sie schenkten es mir. Und es fühlt sich viel besser in meiner Hand als ein Revolver“.
So werden wir uns nicht wundern, wenn Sir Simon Rattle, immerhin Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, sagt: „Die Zukunft der klassischen Musik liegt in Venezuela“. Nicht in seiner Heimat England, auch nicht in Deutschland, meint er also. Immerhin gibt es aber auch in anderen Ländern und zum Glück auch bei uns gute Ansätze in dieser Richtung. Denken wir da an Musikschulen. Denken wir da aber auch an ein Projekt, das der gerade genannte Sir Simon Rattle betreibt: dass Kinder, die nie mit Musik und Kunst zu tun hatten, unter der Leitung eines englischen Choreographen Tanzbewegungen einstudieren und sie dann zum Spiel der Berliner Philharmoniker aufführen. Dazu müssen sie sich anstrengen und konzentrieren; dafür ernten sie am Ende Erfolg und Anerkennung – all das war für viele völlig neu.
Sage also ja niemand: Kultur, Kunst, Musik: Ja, dafür könne man auch mal etwas geben, wenn man mal Geld übrig habe; aber das sei mehr oder weniger Luxus. Nein! Kultur, Kunst, Musik: Das und Vergleichbares führt zu sozialem Verhalten, zu besseren Leistungen, zu größerem Glück, zu vollerem Leben. Es ist nicht schöner Luxus, sondern pure Notwendigkeit! Gut, dass die Medien, zum Beispiel das Radio, über solche Dinge berichten!
Und noch ein ganz anderes, jetzt sehr persönliches Beispiel dafür, wie Böses mit Gutem überwunden werden kann. In der begehrtesten Wohngegend am Rande einer mittleren Großstadt steht ein prächtiges Haus. Die Besitzer hatten, wie jedes Jahr im Sommer, alle Türen verschlossen und waren für ein paar Wochen in Urlaub gefahren. In einer Nacht „arbeitete“ dort ein Einbrecher. Er wusste überall genau Bescheid. Dieser Einbrecher war niemand anderes als der Sohn des Hauses. Er war sozusagen das schwarze Schaf der Familie.
Gegen sein Elternhaus aufgehetzt, ließ er sich schließlich zu dem Einbruch hinreißen. Nachdem er den Schreibtisch des Vaters aufgebrochen hatte, fand er einen großen Briefumschlag. Er erkannte die Handschrift seines Vaters und las: „Abschrift des Testaments“. Das Datum ließ erkennen, dass das Testament erst wenige Wochen nach der letzten Auseinandersetzung mit dem Vater aufgesetzt worden war. Und er las weiter: „Mein Sohn Klaus soll sein Kindesanteil unverkürzt erhalten. Ich will, dass seine Brüder und Schwestern ihn wieder aufnehmen, sollte er einst zurückkehren von seinen Verirrungen. Sie sollen ihm sagen, dass ich ihn lieb gehabt habe bis zu meiner letzten Stunde“. Der Sohn konnte nicht weitermachen. Niedergeschmettert starrt er auf das Testament. Wie ein Blitzstrahl ging es ihm durch, dass er doch ein erbärmlicher Schurke sei und dass er solche Liebe gar nicht verdient habe.
Ein paar Tage später kam es zur Aussprache mit dem Vater, zur Versöhnung. So kann es wahr werden, was uns der Apostel Paulus in unserem Abschnitt zu sagen hat. So kann es auch wahr werden, was uns der gleiche Paulus in unserem Wochenspruch aus seinem Brief an die Galater aufträgt und verheißt: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Galater 6,2). Amen.
Verfasser: Pfr. i.R. Karl Schmitt, Schulstr. 6, 69483 Wald-Michelbach
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