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Die Gemeinde der Sünder

von Wolfgang Wenzlaff

Predigtdatum : 01.07.2012
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 3. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Petrus 3,8-15a.(15b-17)
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Wochenspruch: Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Galater 6, 2)

Psalm: Psalm 42 ,2 - 12

Lesungen

Altes Testament: 1.Mose 50, 15 - 21

Epistel: Römer 14, 10 - 13

Evangelium: Lukas 6, 36 - 42

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 450 Morgenglanz der Ewigkeit

Wochenlied: EG 428 oder

EG 495 Komm in unsre stolze Welt oder O Gott, du frommer Gott

Predigtlied: EG 401 Liebe, die du mich zum Bilde

Schlusslied: EG 157 Lass mich dein sein und bleiben

Vorbemerkung: Der Predigtvorschlag bleibt bei den fünf Eigenschaf-ten hängen, die im ersten Vers des Abschnittes aufgezählt werden. Trotzdem sollte der ganze Abschnitt vorweg gelesen werden. Das Bild von der olympischen Fahne will das Verbindende und die Gleichberechtigung dieser Eigenschaften deutlich machen.

Liebe Gemeinde,

Wenn man sich etwas an fünf Fingern abzählen kann, dann meint man, es sei im Grunde ganz einfach. Der Briefschreiber des 1. Pet-rusbriefes hat in seiner fünfteiligen Aufzählung eine solche Ermuti-gung formuliert. Damit ihr gut miteinander auskommt, macht es doch einfach so, ist seine Empfehlung: Seid gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig.

Versuchen wir einmal, diese Aufzählung nicht gleich als ein lästiges An-die-Kette-nehmen zu verstehen, als den bedrängenden Befehl, so müssten wir als Christen sein, sondern als Ermutigung, als ein gemeinsames Zeichen wie die fünf olympischen Ringe zu sehen. Auf der olympischen Fahne sind sie als Symbol der Völkerverbindung gedacht, nämlich dass mit dem weißen Hintergrund zusammen die Farben der Flaggen aller Nationen hier in nur einer Flagge zusammengebracht sind. Jeder kann sich wiederfinden, an jeden ist gedacht, keiner ist benachteiligt.

Hier also fünf Ringe für ein Miteinander als Gemeinde, in der jeder gern dabei sein will.

1. gleichgesinnt sein

Schon wird das scheinbar Einfache gar nicht mehr so einfach. Denn jeder hat meist etwas Eigenes für sich im Sinn. Unsere Sinne funk-tionieren nur auf den ersten Blick gesehen gleich. Wo Einer etwa modernere Musik im Gottesdienst fordert, meint ein Anderer, das sei gar nicht angebracht. Mit den Bibelübersetzungen ist es nicht viel anders. Und über die Ausgestaltung des Kirchenraumes läßt sich ebenfalls sehr unterschiedlicher Meinung sein. Die gleiche Gesin-nung der Gemeinde kann aber dort entstehen, wo Menschen sich auf den gemeinsamen Grund besinnen, der für uns alle gilt: Jesus Christus.

Unsere Sinne in gleicher Weise auf ihn richten bedeutet dann, Jesus sowohl in den Jahrhunderte alten Chorälen hören zu können, als auch in einer modernen Rockmusik oder in einer Ballade. Wenn etwa jährlich zu den Konfirmandentreffen in Wittenberg am Refor-mationstag mehrere Hundert Jugendliche meist erst etwas zaghaft und dann immer stärker werdend ihr King of Kings and Lord of Lords – Glory Halleluja. Jesus, Prince of Peace, Glory Halleluja anstimmen, dann wird vor der Schloßkirche Wittenbergs die gleiche Gesinnung hörbar, die kurze Zeit vorher in der Kirche drinnen Ge-meindeglieder empfunden haben mögen, als Martin Luthers: Ein feste Burg ist unser Gott zu gewaltigen Orgeltönen gesungen wurde. Es wird so deutlich, die Jugendlichen draußen und die Gemeinde drinnen sind gleich Gesinnte in ihrem Gotteslob zu dem König der Könige und Friedefürsten.

2. mitleidig sein

Viele Menschen klagen gern und ausführlich über ihr eigenes Leid. Es tut uns gut, wenn wir Jemandem unser Herz ausschütten können und unser Gegenüber sich Zeit nimmt, um uns zu zuhören. Wir brauchen solche Sympathie – wie das griechische Wort für Mitleid heißt. Sympathie kommt offenbar nicht ohne Grund als Fremdwort oft in unserer Alltagssprache vor. Wenn ich einen Menschen sympathisch finde, denke ich in der Regel noch nicht daran, welchen Kummer und welche Sorgen er oder sie haben könnte, sondern finde es angenehm, ihm oder ihr zu begegnen.

Mitleid zu haben, geht jedoch darüber hinaus. Wo ich mitleide, da bin ich bereit, auch das Unangenehme zu ertragen, z. B. die Klagen geduldig anzuhören. So wie wir als Menschen im Familien- und Freundeskreis es erleben, vom Mitleid getragen zu sein und lernen selber mitleidig zu sein, so ist es auch in unserer christlichen Ge-meinschaft von Anfang an so gedacht, unseren Blick nicht von dem Leid der Anderen abzuwenden, sondern eben mit zu leiden. Dass wir schon in einer kleinen Gemeinde nicht selten überfordert sind, einander leiden zu können und erst recht nicht das Leid der ganzen Welt auf uns nehmen können, soll uns nicht davon abhalten, ganz kleine Schritte der Sympathie – des Mitleidens zu gehen. Dem An-deren in seinen Klagen zuhören wollen und die Ohren nicht auf Durchzug zu schalten, ist ein grundlegender Ausdruck meines Mitleides.

3. brüderlich sein – geschwisterlich sein

Dazu eine kleine Geschichte nicht von zwei Brüdern, sondern von zwei Schwestern:

Zwei Schwestern wohnten einst beieinander. Die jüngere war ver-heiratet und hatte Kinder, die ältere war unverheiratet. Die beiden arbeiteten zusammen, sie pflügten das Feld und streuten den Samen aus. Zur Ernte brachten sie das Getreide ein und teilten die Garben in zwei gleich große Stöße, für jede einen. Als es Nacht geworden war, konnte die Ältere keine Ruhe finden: „Meine Schwester hat eine Fa-milie, ich bin allein und ohne Kinder, sie braucht mehr Korn als ich.“ Also stand sie auf und wollte heimlich ein paar von ihren Garben zu denen ihrer Schwester legen.

Auch die Jüngere konnte nicht einschlafen. „Meine Schwester ist allein und hat keine Kinder. Wer wird in ihren alten Tagen für sie sorgen?“ Und sie stand auf, um von ihren Garben ein paar zum Stoß der Älteren zu tragen.

Auf halbem Weg, mitten auf dem Feld, trafen sie aufeinander. Da erkannte jede, wie gut es die andere mit ihr meinte. Sie ließen ihre Garben fallen und umarmten einander. Seither wird gesagt, dieser Ort ist heilig.

(gefunden in: Typisch. Kleine Geschichten für andere Zeiten. www.anderezeiten.de)

4. barmherzig sein

Den barmherzigen Samariter, der zum Inbegriff für diese Eigenschaft geworden ist, kennt wahrscheinlich jeder als biblische Geschichte. Am Ende sagt Jesus: So geh hin und tu desgleichen! So einfach, kurz und gut, läßt sich manchmal sagen, wie es sein soll unter uns. Wenn jemand in Not geraten ist, ihn nicht links liegen lassen, sondern ihm aufhelfen und für ihn sorgen. Und dabei fällt auf: Barmherzigkeit kann auch weiter delegiert werden, wie hier gut zu lernen ist. Der Samariter hilft unmittelbar und denkt nicht, es kommt bestimmt noch einer nach mir, der mehr Zeit hat, der sich hier besser auskennt, der nicht allein ist, so wie ich jetzt. Er packt an, tut das Nötige und veranlaßt weitere Hilfe, die er sucht und bezahlt und läßt dann los und geht seiner Wege. Er sucht selber als Helfer wiederum nach einem weiteren Helfer. So funktioniert im guten Sinne Gemeinschaft und Gemeinde.

Wenn wir das Ende dieser Geschichte vom barmherzigen Samariter hören, haben wir zu Recht den Eindruck, es ist so in Ordnung. Der Samariter hat zur richtigen Zeit getan, was er tun konnte. Nun ist wieder Zeit für die eigenen Dinge. Barmherzigkeit soll auch das eigene Herz nicht vergessen, wenn es sich einem anderen Herzen erbarmungsvoll zuwendet. So werden wir in der Gemeinschaft zu einem gleichberechtigten Teil, indem wir helfen und selbst Hilfe in Anspruch nehmen, etwas von unserer Liebe schenken und uns selbst beschenken lassen. Wenn wir nur das Eine oder nur das Andere tun wollen, gefährden wir auf Dauer diese Gemeinschaft.

5. demütig sein

Zur Linken und zur Rechten des Mutes sollten Sanftmut und Demut stehen. Alle drei könnten auch sitzen oder gern auch liegen. Darauf kommt es nicht an. Worauf es aber ankommt ist, dass nicht Einer dieser drei meint größer, wichtiger, unverzichtbarer zu sein. Zwar kennen alle drei auch den Hochmut als unangenehmen Gesellen an ihrer Seite. Doch wir Menschen merken meist schnell, „aus welchem Holz jemand geschnitzt ist“, wie der Volksmund sagt.

Wirklicher Mut überhebt sich genauso wenig wie die Sanftmut und die Demut. Sie stehen gemeinsam dafür ein, dass Gemeinschaft gelingt. Wie der Mut vielleicht am besten für die Tapferkeit stehen kann, und die Sanftmut für Zärtlichkeit, so steht die Demut für die Tugend des Dienens. Sie wird schnell belächelt oder gar verspottet, manchen reizt sie auch zur Weißglut. Und doch ist sie unverzichtbar, wo Menschen einander begegnen. Die Demut weiß um die eigenen Schwächen ebenso wie um die Schwächen des Anderen. Sie verur-teilt den Anderen nicht und auch sich selbst nicht. Sie nimmt, was kommt aus Gottes Hand und beugt sich zu Zeiten unter seine Hand und läßt sich zu anderen Zeiten von Gottes Hand tragen wie eine Königin. Und sie ist es auch – die Demut.

Das also kann man sich an den fünf Fingern abzählen. Der Apostel schreibt seinen Brief in der Überzeugung, so geht es. Vielleicht war die Behauptung am Anfang, es sei im Grunde ganz leicht, ja doch übertrieben. Aber die Erfahrung kann jeder machen, wo diese fünf Finger im Spiel sind: Gleichgesinntheit, Mitleid, Brüderlichkeit, Barmherzigkeit und Demut, da ist eine Gemeinschaft, in der jeder seinen Platz findet.

Wenn wir uns „allesamt“ – wie es eingangs steht – darum bemühen, dann wird der Segen Gottes deutlich zu spüren sein und unser Leben wird geheiligt sein.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Wolfgang Wenzlaff

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