Die Gemeinde der Sünder
von Elisabeth Ickler (60431 Frankfurt)
Predigtdatum
:
09.07.2006
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
3. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Petrus 3,8-15a.(15b-17)
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Wochenspruch:
Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Galater 6,2)
Psalm: 42,2-12 (EG 723)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 50,15-21
Epistel:
Römer 14,10-13
Evangelium:
Lukas 6,36-42
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 295
Wohl denen, die da wandeln
Wochenlied:
EG 428
oder EG 495
Komm in unsre stolze Welt
O Gott, du frommer Gott
Predigtlied:
EG 349
Ich freu mich in dem Herren
Schlusslied:
EG 355
Mir ist Erbarmung widerfahren
8 Seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. 9 Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt. 10 Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. 11 Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. 12 Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber steht wider die, die Böses tun« (Psalm 34,13-17). 13 Und wer ist's, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert?
14 Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; 15 heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. [Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, 16 und das mit Sanftmut und Gottesfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen. 17 Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.]
Hinführung
Der 1.Petrusbrief gehört zu den katholischen Briefen. Er hat keinen Empfänger, sondern er richtet sich an die Gesamtkirche. Dass der Apostel Petrus diesen Brief geschrieben haben könnte, ist zweifelhaft. Denn es ist in dem Brief nicht zu erkennen, dass der Schreiber Jesus persönlich gekannt hat.
Vieles in der Forschung zeigt darauf hin, dass der Brief um 80-90 nach Christus verfasst worden ist. Die Verfolgung der Christen war im Gange.
Der Brief ruft die Christen zu einem heiligen Wandel auf. Er setzt voraus, dass die Menschen schon erlöst sind. D. h. der heilige Wandel ist nicht als Mittel der Selbstrechtfertigung zu verstehen.
In unsrem Predigttext geht es darum, dass die Christen gemäß dem Vorbild des Leidens Christi zum rechten Verhalten im Leiden ermahnt werden.
Der Text erschlägt einen, wenn man ihn zum ersten Mal liest. Er vermittelt einen Verhaltenskodex, den man meint, nicht einhalten zu können. Und dennoch öffnet der Text Möglichkeiten über das Verhalten der Christen in der Welt heute. Was müssen wir als Menschen mitmachen? Wie können wir uns als Christen behaupten? Was haben wir, was wir gerne weitergeben wollen? Was bedeutet es ein mit Gott versöhnter Mensch zu sein? Wie kann ich die Christengemeinde so motivieren, dass sie eine offene Gemeinde bleibt, die bereit ist die Tugenden auch zu leben?
Liebe Gemeinde!
Wenn Sie im wenigen Worten ausdrücken sollten, woran man einen Christen erkennt, was würden Sie sagen? Es ist nicht so einfach. Rein vom Äußeren können wir nicht erkennen, ob jemand an Jesus Christus glaubt oder nicht.
Als Kind war das anders. Da hat man es etwas leichter gehabt. Die Frauen waren meist nicht sehr modisch gekleidet. Das Haar der Frauen war öfters zu einem Knoten zusammengebunden. Selten trugen die Frauen Hosen, sondern vielmehr Röcke. Sie trugen zu der Zeit oft Hüte, wenn sie in die Kirche gingen.
Die gläubigen Männer waren wie alle Männer gekleidet. Die Haarlänge ließ auch keine Spielräume zu. Alle hatten kurz geschnittene Haare.
Ich hörte oft in meiner Kindheit Aussagen über einem Menschen wie, „der ist religiös, der ist gläubig.“ Es lag oft an den Äußerlichkeiten, dass eine solche Annahme entstehen konnte. Ich weiß, dass ich Gewissensbisse hatte, als ich einmal nach meiner Konfirmation zum Abendmahl gehen wollte und hatte Hosen an. Ich war innerlich so darauf programmiert, einen Rock zu tragen.
Heute, wenn wir in die Gemeinden gehen und schauen uns um, da unterscheiden wir Christen uns nicht und von der übrigen Bevölkerung.
Die Zeiten haben sich verändert. Vielfalt ist vorhanden. Ob jung oder alt, jeder kann heute alles tragen. Kurzhaarfrisuren oder Langhaarfrisuren alles ist vorhanden. Nach dem Äußeren können wir nicht beurteilen ob jemand gläubig ist oder nicht.
Würden wir nach der Haltung der Christen fragen, dann ist die Beantwortung leichter. Es gibt Tugenden, die uns sofort einfallen. Ein Christ soll nicht lügen, nicht stehlen, nicht unfreundlich zu seinen Nächsten sein, hilfsbereit usw. Die Anforderungen, von der Umgebung, sind sehr streng. Von Christen erwartet man Manches, was man selber nicht einhalten kann oder will.
Auf jeden Fall höre ich immer wieder: „Und ihr wollt Christen sein!“ „Ihr geht jeden Sonntag zur Kirche und seid nicht besser als die Anderen, die nicht zur Kirche gehen!“ Als bekennender Christ wird man richtig beobachtet, und die die Erwartungshaltung ist groß. Es gibt eine Erwartungshaltung in der Gesellschaft, die wir wohl beeinflussen können, gerade mit unserem Verhalten in der Welt.
Unser Predigttext nimmt an, dass Christen von Nichtchristen nach dem Grund ihrer Hoffnung und Zuversicht gefragt werden. Und unsere Antwort wird sein: Der Glaube gibt uns eine Hoffnung, die so einzigartig ist, dass diese Hoffnung unser Leben beeinflusst oder steuert. Die Hoffnung darauf, das am Ende unseres Lebens das Heil steht und nicht das Unheil oder Sinnlosigkeit. Vor allem, dass kein Chaos entsteht, sondern, dass das Reich Gottes auf uns zukommt, wenn Gott sein Reich aufrichtet. Dann erfahren wir, worauf wir hoffen, dass Gott in Erscheinung tritt als der unumschränkte Herr dieser Welt.
Der Glaube der Christen ist schon gegenwärtig. Denn wir glauben und hoffen auf etwas, was schon geschehen ist. Nämlich: Die Offenbarung unseres Gottes in Jesus Christus und die Liebe unseres Gottes zu dieser Welt, die im Leiden und Sterben Jesu und vor allem in der Auferstehung der Toten realisiert worden ist. Jesus ist unser Herr und deshalb sollen und können wir ihn heiligen und als Herr über unser Leben anerkennen.
Konkret für unser Leben bedeutet das, dass wir Jesus gehorchen, wir tun Gutes und nichts Böses, hören wir in den Versen 8 und 9: „Endlich aber seid allesamt gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen ererbt.“
Der evangelischen Theologe Eduard Schweizer schreibt. „Wer unter der Gnade seines Herrn lebt, der weiß um den Segen, den er ererben soll. Darum ist er befreit davon, sich selber behaupten und sein ‚Recht’ durchsetzen zu müssen.“
Herr Prof. Schweizer hat recht. Wer so um seine eigene Befreiung bezüglich des Heils weiß; der braucht sich nicht länger zu verwirklichen, er ist schon verwirklicht. Solch ein gläubiger Mensch, kann Mitleid zeigen, kann barmherzig sein, er kann demütig sein. Er braucht nicht Böses mit Bösen zu vergelten. Er kann weiterschauen und sich fragen „Wie kann ich dem Feind oder meinem Gegner helfen?“ Er kann segnen. Er kann Fürbitte für diese Menschen tun. Hier kann die Hand ausgestreckt werden zu Versöhnung und Brücken gebaut werden. Hier muss keiner das Gesicht verlieren.
Das Vorbild, an dem wir uns orientieren, zeigt uns einen Weg des Schwachseins, der im Umkehrschluss doch stark ist. Aus der Vergebung nehmen die Christen ihre Kraft und können immer nach vorne schauen.
Große Persönlichkeiten in dieser Welt haben durch ihren christlichen Glauben gezeigt, dass sie zur Versöhnung die Hand ausstrecken. Martin Luther King z. B.: Er kam aus der Bürgerrechtsbewegung und predigte nicht Hass, sondern träumte von einer besseren Welt, in der die Menschen zusammenleben können. Gleich, welcher Hautfarbe oder Nationalität die Menschen sind.
Papst Johannes Paul II. besuchte den Attentäter im Gefängnis, der auf ihn geschossen hat. Und er hat ihm vergeben.
Auch die Wahrheitskommissionen in Südafrika versucht Täter und Opfer zueinander zu bringen, ohne Hass und Vergeltung.
Es sind nur drei Beispiele. Aber sie zeigen, dass es möglich ist, in die Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit, die sich in unsere Welt verbreitet, doch hineinzuleuchten und Hoffnung zu bringen. Es hilft der Umwelt, in der wir leben, wenn wir bereit sind als Christen auch etwas von der Versöhntheit Gottes mit der Welt weiter zu geben.
Wir haben Hoffnung und wir geben diese Hoffnung weiter, indem wir die Tugenden, die uns Petrus vorgibt, leben. Vielleicht werden Menschen neugierig und fragen sich „weshalb tun Christen Barmherzigkeit, Segnen statt fluchen usw.“
Kann sich Böses durch Gutes überwinden lassen?
Ich sage ja. Der Glaube versetzt Berge. Wir bezeugen unseren Glauben. Aber nicht aggressiv. Wir predigen keine Verdammnis. Es gilt, den Menschen angstfrei den Glauben zu vermitteln. Wir brauchen uns nicht zu behaupten. Aus dieser Kenntnis entsteht nicht das Bedürfnis, zu beweisen, dass wir Recht haben. Wir brauchen nicht für unseren Glauben zu demonstrieren. Die eigene Person an sich tritt in den Hintergrund. Der Christ weist auf den hin, der unsere Hoffnung ist.
Die Gemeinde, an die Petrus schreibt, war eine Gemeinde, die unter schweren Bedingungen lebte. Die römische Staatsmacht verfolgte Christen. Wir wissen durch die Geschichte, dass es verschiedenen Perioden der Verfolgung gab.
Die christliche Gemeinde erzeugte mit ihrem Verhalten, (Segnen, nicht Fluchen usw.) Neugierde bei ihren Mitmenschen. Sie widersetzte sich dem Kaiserkult und leistete keinen Widerstand gegen den Staat. Sie bot den Menschen durch ihren Glauben an Jesus eine alternative Lebensweise. Es sind die Tugenden, die Petrus hier aufzählt. Die Gemeinde konnte natürlich nicht in die Offensive gehen, das war nicht möglich. Sie paktierte nicht mit der Welt.
Heute gilt es auch für uns: was die Welt anbietet, muss nicht immer förderlich sein. Ich möchte noch einmal Prof. Schweizer zitieren: „Die Gemeinde wird nicht mir der Welt paktieren. Sie wird auch nicht fromme Demonstrationen und Propaganda-Aktionen durchführen. Sie wird etwas sehr Einfaches tun: bereit sein, die Antwort wissen. Lauert auf der einen Seite die Gefahr des feigen Schweigens, so auf der anderen die des auf eigene Methoden vertrauten Bekehren-Wollens. Überzeugen kann die Gemeinde die Welt nicht. Das kann nur Gott. Aber bezeugen kann und muss sie ihr diesen Gott wie ein Zeuge vor Gericht, dem klar ist, dass er mit seinem Zeugnis dem anderen vielleicht das Leben retten kann.“ Amen.
Verfasserin: Pfrn. Elisabeth Ickler, Am Weimarfloß 31, 60431 Frankfurt
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