Wochenspruch:
"Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen." (Jesaja 42, 3)
Psalm: 147, 3 - 6.11 - 14 a
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 29, 17 - 24
Epistel: Apostelgeschichte 9, 1 - 9.(10 - 20)
Evangelium: Markus 7, 31 - 37
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 302, 1 - 4 Du meine Seele, singe
Lied v.d. Predigt: EG 320, 1 - 4 Nun lasst uns Gott, dem Herren...
Predigtlied: EG 320, 5 - 8
Schlusslied: EG 395 Vertraut den neuen Wegen
Eingangsgebet
Lebendiger Gott,
es darf ja nicht wahr sein, dass die Welt vom Terror regiert wird.
Wir müssen und wollen etwas anderes glauben:
Dass du das Böse zum Guten wendest.
Dass du das Dunkle hell machst und das Kranke gesund.
Dass bei dir alle Geschichten gut ausgehen.
So verwandle auch unsere Sorgen,
was uns belastet und lähmt,
in neue Zuversicht,
verwandle die Lasten, die die Welt trägt, in Güte,
damit wir dich für unser Leben loben
und dir danken für die geschenkte Zeit.
Amen
Fürbittengebet
(aus der Agende der EKHN)
Komm, Heiliger Geist,
und lehre uns eine freundliche Sprache,
die Fremde willkommen heißt,
die neidlos loben kann,
die nicht verletzt und doch Kritik nicht unterschlägt,
die bei der Wahrheit bleibt.
Gemeinsam bitten wir:
Komm Gott Schöpfer, Heiliger Geist!
Komm, Heiliger Geist,
und lehre uns eine deutliche Sprache,
die denen ihre Stimme leiht,
die keine Stimme haben,
die zu müde geworden sind,
um noch etwas zu fordern,
die zu ängstlich sind, um zu widersprechen.
Gemeinsam bitten wir:
Komm Gott, Schöpfer, Heiliger Geist
Komm, Heiliger Geist,
und lehre uns eine mutige Sprache,
die das Lebensrecht für die Natur einfordert,
für Vögel und Fische,
für Berge und Täler, für Himmel und Erde.
Gemeinsam bitten wir:
Komm Gott, Schöpfer, Heiliger Geist
Komm, Heiliger Geist,
und lehre uns eine zärtliche Sprache,
die den Hass überwindet,
die unsere Häuser und unser Dorf/unsere Stadt
bewohnbar macht,
die Menschen zum Glauben lockt.
Komm, Heiliger Geist,
und verwandle unser Leben.(91)
Gemeinsam bitten wir:
Komm Gott, Schöpfer, Heiliger Geist
Predigttext: Apostelgeschichte 3, 1 - 10
Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit.
Und es wurde ein Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Türe des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen.
Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen.
Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an!
Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge.
Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!
Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest,
er sprang auf, konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott.
Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben.
Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor der Schönen Tür des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.
(Als er sich aber zu Petrus und Johannes hielt, lief alles Volk zu ihnen in die Halle, die da heißt Salomos, und sie wunderten sich sehr.
Als Petrus das sah, sprach er zu dem Volk: Ihr Männer von Israel, was wundert ihr euch darüber, oder was seht ihr auf uns, als hätten wir durch eigene Kraft oder Frömmigkeit bewirkt, dass dieser gehen kann?
Liebe Gemeinde,
als ich zum ersten Mal im Zirkus war, war ich vielleicht 4 Jahre alt.
Mein Großvater bestellte für uns die vordersten Logenplätze, und ich konnte alles aus nächster Nähe sehen. In der Tierschau sah ich zum ersten Mal einen Elefanten. Aber das Beste war: Mein Großvater war genau so begeistert wie ich, und so kamen wir beide aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Liebe Gemeinde, wie war es, als Sie aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen sind? Hüten Sie in Ihrem Gedächtnis ähnliche Schätze? Geschichten, die mit dem Worten anfangen: Als ich zum ersten Mal Schokolade gegessen habe... oder: Als ich das Meer gesehen habe... Als ich nach vielen Wochen Krankenhaus die erste frische Luft atmen konnte...
Wenn Sie solche Erinnerungen in sich tragen, ist das ein guter Zugang, ein Schlüssel zu der Geschichte, die heute der Predigttext ist: Wenn wir über die Wunder des Alltags staunen können, dann sind unsere Augen und Sinne offen für die Wunder, die in der Bibel erzählt werden.
Und es ist kein Naturgesetz, dass wir mit den Jahren das Staunen verlernen. Es ist nur gut, wenn wir uns auch als Erwachse nicht nur im Reich der nüchternen Tatsachen bewegen.
Das, was in unserem heutigen Predigttext erzählt wird, konnte nur geschehen durch Menschen, die staunen und sich begeistern konnten. Denn ein Wunder geschieht nicht im luftleeren Raum: Es braucht Menschen, die offen sind, die für das Wunder empfänglich sind.
Da ist zunächst einmal der Gelähmte: Schon 40 Jahre lang bettelt er an der Tempelpforte in Jerusalem. Ein ganzes Leben lang. Viele fromme Menschen kommen zur Gebetszeit dort vorbei, der Platz ist also günstig.
Auch Petrus und Johannes, die beiden Jünger Jesu, sind auf dem Weg zum Gebet im Tempel.
„Sieh uns an“, entschuldigen sie sich bei dem gelähmten Bettler, „Gold und Silber haben wir nicht.“
Die schlichte Antwort bringt viel in Bewegung. Ehrlich zeigen die beiden Jünger zunächst einmal, was sie nicht haben und was sie nicht können. Aber sie lassen es nicht dabei bewenden.
Schon die Tatsache, dass sie mit dem Bettler sprechen, erscheint mir als etwas Besonderes.
Ich stelle mir die beiden im Gedränge vor, am Haupteingang zum Tempel, wie sie sich aus der vorwärtsstrebenden Menschenmenge herauslösen und stehen bleiben. Wie sie sich zu dem Gelähmten herunter beugen, der da auf dem Boden sitzt, damit er auch etwas sehen kann, wenn sie jetzt sagen: „Sieh uns an!“
Und fast wie von selbst finden sich die Worte, die Gesten, die das Wunder möglich machen. Im Namen Jesu geben die beiden Jünger, was sie können, ihre ganze Begeisterung, ihre ganze Vollmacht, die von der Begegnung mit Jesus her stammte. Alle Kraft und allen Mut legen sie in das Machtwort, das Petrus nun ausspricht: „Was ich aber habe, das gebe ich dir. Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher.“
Es kann gut sein, dass die beiden Jünger bis zu diesem Moment noch gar nicht wussten, dass sie dazu die Vollmacht hatten. Sie haben, ohne lange darüber nachzudenken, getan, was sie von Jesus gelernt haben: Wie er haben sie den kranken Menschen, der da vor ihnen saß, mit Gottes Augen gesehen, als ein geliebtes, einmaliges Geschöpf, als ein Wesen, dem ihre ganze Kraft und Zuwendung gehört.
Ihr erster Gedanke war nicht: „Ach, was ist der so arm dran“, sondern: „Er ist ein Kind Gottes, und Jesus hat ihn erlöst.“
Das geschieht nicht nur in den Wundern der Bibel, sondern mitten unter uns: Dort, wo es Menschen gelingt, einander ganz zugewandt zu sein. Dort, wo wir erleben, dass andere Menschen an unsren wirklichen Sorgen Anteil nehmen, auch unsere Abgründe, dunklen Seiten, unsre Enttäuschung und Wut aushalten. Und dort, wo uns selbst so etwas gelingt: Dass wir einem Menschen wirklich beistehen können. Wo das gelingt, geschieht ein Wunder.
Wie gelähmt sind wir manchmal unter den Belastungen unseres Lebens. Und wir spüren die Last wirklich bis in die Knochen: In den Füßen, den Gelenken oder im Rücken- die Last von schwerer Arbeit, und noch schlimmer: Das Gefühl, dass das Leben nichts Gutes bereit halten kann, dass die schönen Jahre vorbei sind, ehe sie richtig angefangen haben.
Mit Medikamenten, Massagen und Gymnastik lassen sich die meisten Gelenke ja wieder stärken, aber manchmal fehlt ihnen die Kraft, die von innen kommt: Die Kraft, die entsteht, wenn ein Mensch Liebe und Zuwendung erlebt, wenn ihm jemand die Hand reicht und sagt: „Steh auf. Komm wieder auf die Beine.“
Die Geschichte von der Heilung des Gelähmten endet damit, dass er sich den beiden Aposteln anschließt. Und viele, die diese Szene miterleben, wollen nun auch dazugehören. Die Neuigkeit spricht sich in ganz Jerusalem schnell herum. Die heilende Kraft, die hier gewirkt hat, strahlt aus und ergreift viele Menschen. So werden wir aufmerk-sam darauf, dass von der Gemeinschaft, die durch Jesus entsteht, heilende Kräfte ausgehen können.
Es soll uns nicht so ergehen wie einem Papst, der vor Jahrhunderten einmal seine Besucher durch die großen Kirchen und Paläste Roms führte. Er zeigte den staunenden Gästen die unermesslichen Kir-chenschätze und kostbaren Kunstwerke und erklärte dann nicht ohne Stolz: „Ich kann nicht wie Petrus sagen: Gold und Silber habe ich nicht!“ Worauf einer der Besucher meinte: „Aber Sie können auch nicht wie Petrus sagen: „Im Namen Jesu Christi von Nazareth: Steh auf und geh umher!“
Unsere Kirche hat sich sehr verändert seit den Tagen des Petrus. Aus einer Gruppe von Menschen, die nichts anderes hatten als ihre Hoffnung, sind große Kirchen geworden, und auch wenn wir Protestanten keinen Papst haben- auch wir können nicht wie Petrus sagen: „Gold und Silber habe ich nicht.“
Der katholische Theologe Eugen Drewermann meint, dass die Kirche ihre Macht zu heilen in dem Maße verloren hat, in dem sie nach äußerlicher Macht und Herrschaft über Menschen strebte. Das kann ich so allgemein nicht sagen: Auch in der armen Kirche sind Heilungen schief gegangen, und auch in einer reichen Kirche gibt es heilsame Begegnungen. Auch eine Ärztin oder ein Arzt im Krankenhaus kann ehrlich Anteil nehmen am Schicksal der Kranken und wirklich helfen.
Aber die Kirche muss sich schon auch inmitten des Reichtums auf ihre Wurzeln besinnen. Wenn wir nicht wie Petrus sagen können: „Gold und Silber habe ich nicht“, dann müssen wir uns trotzdem vergewissern, wie wir einen Zugang finden zu den Kräften, die wir im Namen Jesu weitergeben sollen.
Gemeinde ist doch ein Raum, in dem Wunder sein dürfen. Frömmigkeit und Staunen gehören eng zusammen wie in dem Lied, das vor und nach der Predigt gesungen wird:
„Den Leib, die Seel', das Leben / hat Gott allein uns geben, / dieselben zu bewahren / tut er nie etwas sparen.“
Nichts ist selbstverständlich; schon die Tatsache, dass wir auf der Welt sind, unser Leben selbst, ist ein Wunder.
Begeisterung über Wunder und die heilende Kraft, die davon ausstrahlt: Die Gemeinde ist dazu da, sie freizusetzen und in Umlauf zu bringen. Sie kann ein Raum sein, in dem wir einander sehen und einander ermutigen, ein Raum, in dem wir an Leib und Seele ganz und aufgerichtet werden. Ein Raum, in dem wir die heilsame Kraft empfangen und weitergeben, die mit Jesus in die Welt gekommen ist.
Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Ingrid Volkhardt-Sandori
Oberdorfstr. 23, 35447 Reiskirchen
Herausgegeben vom Referat Ehrenamtliche Verkündigung:
Pfarrerin Dr. Christiane Braungart, Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
 069 71379-140   069 71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Verbindung mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Provinzialpfarrer Karsten Müller
Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf
 036202 771797
und Pfarrer i. R. Wolfgang Hartmann
Edelweißweg 19, 06118 Halle/Saale
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und WINWORD-Datei) erhältlich
und im Internet abrufbar (http://www.zentrum-verkuendigung.de/predigten.html)
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97