Die Herrlichkeit Christi
von Astrid Standhartinger (64331 Weiterstadt)
Predigtdatum
:
06.01.2002
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Epiphanias
Textstelle
:
2. Korinther 4,3-6
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Wochenspruch:
Die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt. (1. Johannes 2,8b)
Psalm: 72,1-3.10-13.19
Lesungen
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 450,1-3
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 70
oder EG 71
Wie schön leuchtet der Morgenstern
O König aller Ehren
Predigtlied:
EG 632
Wenn das Brot, das wir teilen
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott
Hinführende Gedanken zur Predigt:
Ich habe mich gefragt, was an diesem Predigttext so wichtig ist, dass ich es weitergeben möchte.
Dabei fiel für mich die ganze Auseinandersetzung, in der Paulus steckte, aus. Seine Verteidigungsrede kann ich auch in vielen Punkten nicht unwidersprochen lassen. Ich müsste eine lange Passage der Predigt dazu verwenden, den Konflikt und die Männer und Frauen, die sich mit ihm auseinandergesetzt haben, lebendig zu machen. Das wäre gut in einer Bibelarbeit.
Aber die GottesdienstbesucherInnen möchten etwas mitnehmen, was sie berührt und vielleicht auch weiterbringt. Deshalb habe ich mich auf den V 6 beschränkt.
Und auch da war meine Frage: Was kann mir, als einer Frau, die in dieser Zeit lebt, helfen? So bin ich auf die Befreiungsgeschichte des Evangeliums gekommen und finde sie wieder in einigen Aussagen des Textes, die auch eine Rolle in der Verteidigung des Paulus spielen:
V 4: das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes.
V 5: nicht uns selbst sondern Jesus Christus predigen wir.
Aber noch deutlicher und ausgewogener finde ich sie im V 6: Die Befreiungsgeschichte beginnt hier mit dem „hellen Schein“ der „in unsere Herzen gegeben“ ist. Und sie nimmt uns mit auf den Weg zur Erkenntnis, dass Gott sich erkennen lässt im Gesicht Jesu Christi. Gerade da ist seine Herrlichkeit zu erkennen. Wobei das nicht mit einer Zuschauerhaltung möglich ist, sondern nur in der Begegnung hier und heute.
Ich könnte mir deshalb auch vorstellen nur den Vers 6 als Predigttext vorzulesen.
3 Ist unser Evangelium verdeckt, so ist's denen verdeckt, die verloren werden, 4 den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes. 5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. 6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Liebe Gemeinde,
Das Evangelium ist eine Befreiungsgeschichte. Und wir haben es sehr nötig, dass davon ein Stückchen auch in unserem Leben ankommt.
Sehr unterschiedliche Dinge können und müssten bei uns, die wir hier miteinander Gottesdienst feiern, endlich befreit zu werden. Ob es schwere Lasten sind, die ich mit mir rumschleppe, oder Ängste um die eigene Familie und die eigene Zukunft, es wäre gut, sie los zu werden. Ob mich die Gefährdung durch die augenblicklichen Konflikte oder die terroristischen Bedrohungen belasten, es wäre gut, frei atmen zu können.
Aber es nützt nichts, einfach den Kopf in den Sand zu stecken, und zu sagen, ich nehme die Gefahren einfach nicht wahr, ich will sie nicht sehen, für mich soll es sie nicht geben.
Wenn es eine Befreiungsgeschichte gibt, dann müsste sie uns auch von solchen Lasten und Ängsten befreien. Und es käme wirklich darauf an, dass die ganz realen Bedrohungen einbezogen sind, auch wenn sie vielleicht nicht auf der Stelle aufgelöst und verändert werden können, damit sie mir nicht den Raum zum Atmen, zur Freude oder gar zum Leben nehmen.
Die Befreiungsgeschichte, die in den wenigen Worten aus dem 2. Korintherbrief steckt, ist für mich genau so.
Paulus redet von einem hellen Schein, den Gott uns in unser Herz gelegt hat. Mit dem kann unsere Befreiungsgeschichte anfangen.
Wörtlich sagt er: „Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu.“
Vielleicht fragen sie sich: Wo soll da Befreiung drin stecken? Das Wort selbst kommt noch nicht einmal vor.
Aber stellen sie sich vor, sie können den hellen Schein entdecken, den Gott in ihr Herz gelegt hat. Das wird auf jeden Fall ausstrahlen auf das eigenes Leben. Ich könnte mir denken, dass das manche Belastung erleichtert und manche Zukunftsangst nicht mehr so erschreckend und lähmend sein lässt.
Suchen wir also den hellen Schein, den Gott in unser Herz gelegt hat, wie Paulus das ausdrückt, dann beginnt ganz sicher ein Prozess mit uns, der uns frei macht für das Leben und die Möglichkeiten, die wir geschenkt bekommen haben.
Ein Suchschritt könnte damit beginnen, dass wir bewusst wahrnehmen, was uns alles an Bewahrendem, Wunderbarem und auch immer wieder Überraschendes hervorbringenden schöpferischen Kräften umgibt. Paulus weist darauf hin. Bevor er auf uns zu sprechen kommt, benennt er Gott als die Schöpfungskraft, die das Licht werden ließ, mit dem alles begann. Und diese Kraft hat über Jahrmillionen und durch unendliche Weiten mit einer für uns unfassbaren Sorgfalt und wunderbaren Zielgerichtetheit ein Universum erschaffen und die Welt mit ihren vielen wunderbaren Geschöpfen, von denen ich eins bin. Mit all unserer Klugheit und Intelligenz können wir bei jeder Entdeckung nur ins Staunen kommen.
Ein anderer Suchschritt könnte in unserer Geschichte mit Gott beginnen. Jede und Jeder von uns hat seine eigene Geschichte von Bewahrung und Begleitung, von Auseinandersetzung und Zweifel. Aber sie hat uns nicht losgelassen, unsere Geschichte mit Gott. Wie sagte Gott zu Mose, als der wissen will, wie er ihn nennen soll? Mein Name ist „ich werde sein, der/die ich sein werde“ 2. Mose 3,14). Und das heißt doch, in deiner Geschichte kannst Du mich erkennen. Immer wieder komme ich auf dich zu, gehe dir voran, trage dich hindurch. Die Kraft, die dich trägt auf dem Weg, den du gehst, bin ich, unverfügbar aber dir immer wieder nah.
Und vielleicht hilft es uns auch auf unserer Suche, wenn wir die Religionsgeschichte der Menschheit anschauen. Von Anfang an haben Menschen sich dem Göttlichen anvertraut, es gesucht und sich aus ihm das Woher und Wohin des eigenen Lebens erklären lassen. Eine Ahnung davon liegt sicher im Menschlichen und formt uns als Menschen. Die konkreten religiösen Antworten sind unterschiedlich, aber die Ahnung ist gleich.
Einen hellen Schein hat Gott in unser Herz gegeben. Wir können ihn in uns spüren, denn er erleuchtet und erwärmt unser Herz und verbindet uns mit seiner Kraft.
Aus ihm entsteht etwas, das ganz ähnlich sein könnte für unser Leben, wie das Licht für die Schöpfung: der Beginn eines großen mitreißenden Anfangs.
Es soll etwas entstehen aus dieser Verbindung, die Gott mit uns eingeht und wir mit ihm. Paulus nennt das die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes. Ich möchte es weniger dogmatisch sagen: wir begreifen, wo und wie Gott zu finden ist und erlebbar wird.
Auch wenn hier das Wort Herrlichkeit geschrieben steht, so versteht Paulus darunter nicht Macht, Prunk, goldene Kreuze oder herrliche Dome. Mit ihm spricht das ganze Neue Testament gegen eine solche Deutung. Gottes Herrlichkeit ist in solchen Dingen nicht enthalten. Wohl aber ist sie erkennbar im Antlitz Jesu Christi.
Was ist damit gemeint? Jesus hat ihn für uns sichtbar gemacht. Wir können ihn finden nicht nur damals in einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Land, sondern heute an vielen Orten. Um das deutlich zu machen, hat Jesus uns immer wieder Beziehungsgeschichten erzählt. Gottes Reich geschieht in dem, wie wir einander begegnen, wie wir für einander sorgen und einander beistehen.
Im 1. Johannesbrief ist diese Beziehung sehr eindeutig gesagt: „Gott ist Liebe, wer in der Liebe bleibt, der/die bleibt in Gott und Gott in ihr/ihm.“ Und Liebe oder Beziehung gibt es nicht theoretisch oder als Standbild oder versachlicht. Liebe besteht aus vielen einzelnen Gesten, Worten, Taten – oder sie ist nicht. Sie ist nur real, wenn ich mich in eine solche Beziehung mit Geben und Nehmen, mit Leid und Freude einlasse. Hier ereignet sich die Herrlichkeit Gottes anfechtbar, angreifbar und oft sehr gebrochen, aber immer bezogen aufeinander.
„Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt. 25, 40) So hören wir Jesus im Matthäusevangelium sagen, und das gibt die Richtung an, in die wir uns wenden müssten, um die Herrlichkeit Gottes heute zu sehen. Das ist natürlich ein ganz anderer Begriff von Herrlichkeit Gottes, als wir das gemeinhin von der Wortbedeutung her verstehen würden.
Und dieser Widerspruch ist gewollt, damit uns etwas ganz Entscheidendes auffällt und bewusst wird: In unserer Zerrissenheit und unseren Widersprüchen, in Auseinandersetzung und Leid, in Freude, Gelingen und Glück ereignet sich etwas, was Gott sichtbar machen kann. Wenn wir uns auf den anderen zubewegen, dem Unrecht widerstehen oder den Mund auf machen, Stimme der Rechtlosen sind – dann erstrahlt die Herrlichkeit Gottes, die im Antlitz Jesu zu finden ist.
Das ist der große Befreiungsprozess. Denn so habe ich teil mit allen Sinnen und großen Fähigkeiten, die mir geschenkt sind, aber auch mit meiner Angst und Sorge, Trauer, Schuld oder Unfähigkeit an den immer wieder neuen schöpferischen Ausdrucksformen und Wundern. Der Grund, aus dem ich bin und der mich trägt, bekommt Gestalt in mir und lässt mich nicht verloren sein. Amen.
Verfasserin: Pfrn. i. R. Astrid Standhartinger, Grüner Weg 2A 64331 Weiterstadt
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