Wochenspruch:
„Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
(Lukas 9, 62)
Psalm: 34, 16 – 23
Lesungen
Altes Testament: 1. Könige 19, 1 – 8 (9 – 13 a)
Epistel: Epheser 5, 1 – 8 a
Evangelium: Lukas 9, 57 – 62
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 449 Die güldne Sonne
Wochenlied: EG 97 Holz auf Jesu Schulter
Predigtlied: EG 640 Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen
Schlusslied: EG 632 Wenn das Brot, das wir teilen
Ihr Lieben,
„mein lieber Petrus!“ – denke ich beim Lesen der vorgeschla-genen Verse. Das ist keine leichte Kost. Mir fallen die Worte des Apostel Paulus an die Korinther ein:
„Milch habe ich euch zu trinken gegeben, und nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Auch jetzt könnt ihr‘s noch nicht!“ (1. Korinther 3, 2).
Das trifft auch heute noch zu. Gerade die Gedanken vom Los-kauf „mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen Lammes“.
Unser Predigttext beginnt mit dem Aufruf:
„Und wisset, dass…“. Dies ist eine Lieblingsformulierung des Apostel Paulus im Römerbrief und in den beiden Korinther-briefen.
Und ich erinnere mich daran, dass dieser Hirtenbrief nicht von dem Apostel Petrus geschrieben wurde, sondern von einem Paulus Schüler. Da schreibt einer unter dem Namen des Petrus und ermutigt die Gemeinden in Zeiten der inneren und äußeren Not während der Verfolgung durch Kaiser Domitian am Ende des 1.Jahrhunderts durchzuhalten. Die Absicht des Briefes ist die Stärkung der Gemeinde in akuter Bedrohung in einer Sprache der damaligen Zeit auf dem Hintergrund des damaligen Welt- und Menschenverständnisses.
Akute Bedrohung für Leib und Seele droht uns in den heutigen Tagen nicht – Gott sei Dank!
Dennoch gilt die Botschaft des Textes auch uns, damit auch wir „Glauben und Hoffnung zu Gott haben mögen“. Denn als christliche Gemeinde sind wir heute hier zusammen gekommen, um uns im Glauben stärken zu lassen.
Ich möchte wissen, was Jesus von Nazareth mit meinem Leben zu tun hat; sein Leben, sein Wirken und sein Sterben. Immerhin sind mittlerweile fast zweitausend Jahre seit damals vergangen. Für Jesu Sterben steht das Symbol des Kreuzes. Es ist seit urchristlicher Zeit und bis heute weltweit das zentrale Symbol des christlichen Glaubens. Das zeigt an, dass Jesu Tod am Kreuz in allen christlichen Konfessionen als das zentrale Heilsereignis verstanden und am Karfreitag gefeiert wird.
In der kirchlichen Sprache begegnet uns in immer neuen Wen-dungen die Formel, Jesus sei für uns gestorben. Falls wir es nicht selber tun, so wird uns ein unbefangenes Kind oder ein unchristlicher Zeitgenosse fragen: „Warum eigentlich für uns?“
Die Antwort für unsere Sünden wird dem ernsthaft Fragenden keine Antwort sein, sondern allenfalls Anlass für weitere Fragen geben.
Warum musste Jesus überhaupt auf so gewaltsame Weise einen Verbrechertod sterben?
Was hat sein Tod mit uns, gar mit uns heute, zu tun?
Und erst Recht mit unserer Sünde?
Und was soll man von einem Gott halten, dem für das Heil der Menschen offensichtlich nichts anderes einfällt als ein Men-schenopfer?
Die Spötter und Religionsskeptiker haben es leicht zu begründen, dass sie von einem Gott, der seinen Sohn hinschlachten lässt, nichts wissen wollen! Das wissen wir. Wer sich diesen Fragen ernsthaft aussetzt, der wird für sich keine schnellen Antworten finden und der wird von anderen auch keine schnellen Antworten erwarten.
Und dennoch suchen wir eine Antwort.
Viele Antworten, die wir suchen, sind als fertige Ergebnisse überhaupt nicht zu haben. Sie erschließen sich dem Suchenden nur auf einem Erkenntnisweg, den jeder selber gehen muss. So kann es sein, dass ich im Laufe meines Lebens unterschiedliche Antworten auf meine Glaubensfragen finden werde. Das hängt davon ab, wie ich meine Lebenserfahrungen sehe, deute oder verstehe.
Wichtig für mich ist das Bestreben, immer mehr dem Lebens-entwurf Gottes zu entsprechen und in das Bild verwandelt zu werden, wie Gott es gedacht hat.
Was haben Jesus von Nazareth und sein Tod damit zu tun?
Was wissen wir historisch über den Tod Jesu?
Der Tod Jesu am Kreuz ist historisch ein unbestrittener Tatbe-stand. Der jüdische Historiker Josephus und der römische Geschichtsschreiber Tacitus (beide Ende des 1. Jh. nach Christi) dokumentieren je aus ihrer Sicht, aber in der Sache überein-stimmend, dass Jesus das Haupt einer Jüngergemeinde war, und dass er durch den römischen Prokurator Pontius Pilatus in Jerusalem Tod durch Kreuzigung verurteilt und hingerichtet wurde. Für die Juden und Römer war dieses Ereignis in jener Zeit kaum der Rede wert.
Wie kam es zur Verurteilung?
Jesu Verkündigung vom nahen Ende und dem Anbruch der Königsherrschaft Gottes und einer neuen Zeit hat bei seinen Hörern vielfältige und unterschiedliche Erwartungen ausgelöst: religiöse, politische und soziale. Diese Erwartungen werden ihm beim Volk viele Sympathien und zunächst auch viel Zustimmung eingebracht haben.
Aus Sicht des jüdischen Hohen Rates und der römischen Be-hörden stellte sich Jesu Auftreten anders dar. Der religiöse Stö-renfried Jesus von Nazareth wird bei Pontius Pilatus als politi-scher Unruhestifter angezeigt und damit als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung hingestellt. In einem „kurzen Prozess“ im Stil einer dringenden römischen Polizeimaßnahme gegen einen gefährlichen Anführer wird Jesus zum Tode verurteilt und hin-gerichtet. Die Tafel, die über dem Kreuz Jesu angebracht wurde, verkündigte das offiziell festgestellte strafwürdige Delikt. Es lautete: „Jesus Nazarenus Rex Judeorum“ d. h. „Jesus von Naza-reth König der Juden“.
Wer unerlaubterweise den Königstitel führte, beging nach römi-schem Recht ein Majestätsverbrechen, das mit dem Tod bestraft wurde. Für Rom war dieser ganze Vorgang eine Routine-bagatelle, mit der sich der Prokurator eines vermeintlichen politischen Aufrührers entledigte. Für die jüdische Priesterschaft war es nach Lage der Dinge die beste Lösung. Für die Jünger war es eine Katastrophe.
Zunächst.
Der nächste historisch gesicherte Tatbestand – zwei Tage später – ist sehr überraschend. Dieselben Personen, die am Karfreitag angstvoll und entsetzt auseinandergelaufen waren und niedergeschlagen an ihr früheres Leben anzuknüpfen suchten, finden sich am Tag nach dem Sabbat in einem unerwartet anderen Zustand. Sie haben die Gewissheit, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern ihnen erschienen ist und sich ihnen als lebendig erwies.
Es gibt unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten für diese Erfahrungen der Jünger Jesu. Man mag diese Widerfahrnisse als Visionen, Hörerlebnisse oder als Erscheinungen Jesu bezeichnen. Das gemeinsame und Entscheidende liegt in dem, wie Menschen daraus hervorgegangen sind:
Nämlich mit der Gewissheit, dass Jesus lebt, dass sie von seinem Geist erfüllt sind und sie aus der Kraft dieses Geistes leben und Zeugen jener Liebe Gottes sein können, die ihnen in Jesus begegnet ist.
Die unterschiedlichen Ausdrucksformen, auch die unterschied-liche Geschichten vom leeren Grab, können als Hinweisversuche auf jene Lebenswirklichkeit gelesen werden, die sich eröffnet, wo sich Menschen von dem Geist Jesu erfüllen und führen lassen.
Und darüber anderen Menschen erzählen und sie ermutigen, sich hineinnehmen zu lassen in diese neue menschliche Lebenswirklichkeit, getragen von der unbedingten Liebe Gottes, so wie sie Jesus vorgelebt hat.
Wie wird Jesu Tod von Ostern her gedeutet?
Bei der Deutung des Todes Jesu spielt das Welt- und Men-schenbild des Alten Testaments eine bedeutende Rolle.
Nach dem Alten Testament befindet sich der Mensch aktuell in einem gestörten Verhältnis zu Gott. Er lebt im Widerspruch zu dem, was er nach dem Willen seines Schöpfers sein sollte. Er ist nämlich nicht vom Geist Gottes geleitet, sondern folgt wie unter einem Zwang seiner Selbstsucht und seiner Lebensgier – und das auf Kosten der anderen Menschen. Dadurch vergiftet und beschädigt der Mensch sein eigenes Leben und das Leben der Gemeinschaft. Diese Grundverfassung, in der sich der Mensch immer schon befindet, nennt die Bibel „Sünde“.
Aus eigener Kraft ist kein Mensch in der Lage, sich aus dem Machtbereich der Sünde zu befreien. Er muss daraus befreit werden. Das ist der Verstehenshintergrund, der allen Deutungen des Todes Jesu zugrunde liegt. Dies gilt für die Gleichstellung seines Todes mit dem Tod des Gottesknechts aus Jesaja 53 oder wie in unserem Predigttext: Jesu, das unschuldige Lamm – ein Sühneopfer und Lösegeld zugleich.
Beim Sühneopfer handelt es sich um die Übertragung der Schuld auf ein Opfertier, und zwar auf einen Bock. Mit einem öffentlichen Schuldbekenntnis und durch das Aufstemmen sei-ner Hände auf den Kopf des Opfertieres überträgt der Hohepriester die noch nicht getilgten Sünden des Volkes auf den Bock, der nun mit der übernommenen Schuldenlast in die Wüste hinausgetrieben wird. Der „Sündenbock“ trägt auf diese Weise die Sünde des Volkes Israel und deren zerstörerischen Wirkungen aus der Gemeinschaft hinweg. Das Leben der Ge-meinschaft kann nun, davon nicht mehr belastet, neu beginnen.
Im jüdischen Glaubenssystem wird das Sühneopfer nicht Gott dargebracht, sondern es dient dem Heil, dem Heilwerden der Glaubensgemeinschaft, dem Volk Gottes. Das Opfertier darf nicht als eine Art Tauschobjekt in einem Handel mit Gott ver-standen werden.
Das Gleiche gilt für die Deutung des Todes Jesu als Lösegeld.
In der hellenistischen Welt, in der die Adressaten des 1. Pet-rusbriefes lebten, gehörte das Lösegeld zur Normalität des da-maligen Alltags. Es handelt sich um eine Möglichkeit, Menschen aus der Gefangenschaft oder aus der Schuldsklaverei wieder frei zu kaufen.
Das Beispiel des Lösegeldes schien geeignet zu sein, etwas von dem zu verdeutlichen, was der Tod Jesu für uns Menschen bewirkt. Vergleichbar war vor allem die Ausgangslage. Sie be-steht darin, dass sich der Gefangene oder Sklave nicht mit ei-gener Kraft aus seiner Situation befreien kann, sondern auf eine von außen kommende Hilfe angewiesen ist. Jesu Tod ein Lösegeld an wen? Eines ist deutlich: Es geht nicht darum, dass Jesus als das Lösegeld zu verstehen wäre, das an Gott gezahlt werden müsste.
Denn warum und wofür sollte Gott ein solches Lösegeld for-dern? Befreit werden sollte ja der Mensch aus der Herrschaft der widergöttlichen Mächte. Aber es geht noch nicht einmal um den Handel mit diesen Mächten. Es geht vielmehr darum, diesen Mächten dort ihre Macht zu nehmen, wo sie diese Macht ausüben, nämlich in uns Menschen.
Was kann Jesu Tod dazu beitragen, den bösen Mächten ihre Macht über uns zu nehmen? Wir werden es verstehen, wenn wir uns klarmachen, wer und was Jesus an das Kreuz gebracht hat und wie er seinen Weg bis zu seinem Tod am Kreuz gegangen ist.
Er wurde angeklagt und verurteilt, weil er eine Welt ausgerufen hat, in der nicht mehr das gelten sollte, was die politisch, mili-tärisch und finanziell Starken erzwangen und die Hüter der Re-ligion anordneten.
In der Welt, die Jesus verkündete, sollten nicht mehr die spitzen Ellenbogen und rücksichtsloseren Verhandlungsspezialisten herrschen.
Auch das Recht und Gerechtigkeit sollten nicht mehr von raffi-nierten Juristen bestimmt werden. Der Wert des Menschen sollte nicht mehr von seinem Bankkonto abhängen. Jesus hat vielmehr eine Welt eröffnet, die ganz schlicht von Gottes Liebe erfüllt und getragen ist und aus der Kraft der Liebe gestaltet wird. Durch diese Botschaft sahen die Vertreter der jüdischen Religion und der römischen Staatsmacht ihre Weltordnung bedroht und ihre Machtposition infrage gestellt. Zu Recht! Und deshalb musste Jesus beseitigt werden – so schnell wie möglich.
Die Gewaltbereitschaft, die mit der Grundhaltung des alten Adams in uns angelegt ist, vermochte es wohl, Jesus nach den Gesetzen dieser Welt zu töten. Sie vermochte es aber nicht, Jesus von jenem neuen Weg abzubringen, den er vorlebte und verkündete: von dem Weg der Liebe aus der Gemeinschaft mit Gott. Wofür Jesus gelebt hat, dafür ist er auch gestorben!
Hier wird deutlich, was gemeint ist, wenn Jesu Tod mit Blick auf den Menschen als Lösegeld bezeichnet wird. Es ist weder an Gott noch an böse Mächte etwas zu bezahlen. Mit dem Lösegeld ist das Mittel oder der Weg genannt, der den Menschen aus seiner Gefangenschaft und Befangenheit in Schuld und Sünde befreit und zu einem freien Leben aus der Kraft der Liebe erlöst. Mit Jesu Lebenszeugnis, das in seinem Tod gipfelt, ist dieses Leben aus der Liebe Gottes für jeden Menschen möglich geworden.
Jesus hat uns von unserer Selbstsucht befreit zu einem Leben, das sich und sein Umfeld aus dem Geist und der Kraft der Liebe gestalten kann. Die ist nicht erst durch sein Opfertod geschehen; es ist geschehen in seinem Kommen und in allen Tagen seines Wirkens auf den staubigen Straßen von Galiläa, in denen er sich in Liebe für uns geschenkt hat.
Das leuchtet mir ein, das sehe ich ein – besonders heute am Sonntag Okuli.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Peter Gergel
Am Hohlberg 17, 61462 Königstein
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