Die Kirche des Geistes
von Anne-Christina Wegner (06636 Laucha)
Predigtdatum
:
16.05.2005
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Pfingstsonntag
Textstelle
:
1. Mose 11,1-9
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Wochenspruch:
Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4,6)
Psalm: 100 (EG 740)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 11,1-9
Epistel:
1. Korinther 12,4-11
Evangelium:
Matthäus 16,13-19
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 504
Himmel, Erde, Luft und Meer
Wochenlied:
EG 125
oder EG 129
Komm, Heiliger Geist, Herre Gott
Freut euch, ihr Christen alle
Predigtlied:
EG 268
Strahlen brechen viele
Schlusslied:
EG 124
Nun bitten wir den Heiligen Geist
Liebe Gemeinde!
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass eigentlich alle Menschen das Gleiche wollen? Alle wollen Frieden, Gerechtigkeit, alle wollen ein bisschen Glück. Alle wollen eigentlich nur Gutes, aber irgendwie wird daraus nichts Rechtes: Der Friede scheitert schon im kleinen Alltag, Gerechtigkeit ist sowieso für jeden etwas anderes und unser Glück scheint sich oft nicht mit dem Glück des Nachbarn zu vertragen. Alle wollen das Gleiche, und doch kommen wir nicht dahin. Das Ziel stimmt, der Weg dahin ist umstritten.
War das schon immer so? Natürlich war das schon immer so – seit uran, und immer neu ist es so. Ein Thema für eine Urgeschichte, für unsere ureigene Geschichte: Die Geschichte vom großen Turmbau erzählt, was wir schon immer falsch machen und wie Gott darauf reagiert.
1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. 2 Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.
5 Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. 6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8 So zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. 9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.
Zunächst einmal: Die Menschen können sich wunderbar verständigen und verstehen. Sie wollen alle das Gleiche. Damit beginnt die Geschichte. Und wie sie so durch ihre Welt streifen, finden sie: Hier gefällt es uns, hier bleiben wir. Und sofort werden sie produktiv: Vorwärts, packt an! Es herrscht dort Steinmangel, also erfinden sie Backsteine, Asphalt nutzen sie als Mörtel. Wunderbar - sie sind flexibel, sie erfassen die Situation, spucken in die Hände - und schon haben sie eine Lösung, wie das Leben schöner werden kann. Eine große Gabe hat uns Gott mit unserer Intelligenz gegeben, großartig, wie erfinderisch wir sind!
Und dann geht es weiter. Statt stolz zu sein auf solch eine bequeme Erfindung, statt Häuser zu bauen für sich und ihre Kinder, denken sie nochmals nach: Im Moment sind wir zwar völlig sicher, aber es könnte ja mal anders sein. Jemand könnte uns ja angreifen wollen! O je, man wird uns bedrohen und in alle Winde zerstreuen! Schon ist Angst da. Eine völlig irreale Angst! Wer soll sie denn angreifen? Alle Menschen sind sich doch einig! Wir wollen Frieden, wir wollen Gerechtigkeit und Glück! Was soll uns also passieren?
Ha - wer weiß! Lieber heute gerüstet sein, damit dann morgen nicht vielleicht etwas passieren kann! Verrückt, nicht? Und doch Alltag. Überall könnten ja Leute sein, die neidisch sind. Hilfe, ich muss vorsichtig sein! Also geht die Geschichte weiter: Was eine wunderbare Erfindung war, wird zum Mittel der Machtsicherung. Sie mauern sich erst einmal ein: Dicke Mauern gegen einen Feind, den es noch gar nicht gibt. Und einen Turm, der den Himmel stürmt. Eine turmbewehrte Stadt - damit jeder gleich sieht: Die sind aber stark! Beeindruckend, abschreckend. Friedliche Erfindungen werden für Machtinteressen eingesetzt. Wohnhäuser können warten, erst muss die Stadtbefestigung her. Aufrüstung statt Aufbau!
Und - macht das sicher? Weit gefehlt! Gott aber stieg herab, zu sehen die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Sie wollten den Himmel erreichen mit ihrem Protzbau - Gott aber muss sich erst tief bücken, um das Ding überhaupt zu sehen! Mit so einem kleinen Bauwerk - da wollen sie Eindruck machen, wollen Angreifer erschrecken? Ziel verfehlt, Vorhaben gescheitert. All die viele Arbeit völlig umsonst.
Gott sieht das sofort: „Die sind sich alle einig, die greifen nach jedem Mittel. Nichts wird ihnen zu hochgegriffen sein, alles werden sie ausprobieren. Und sie werden sich immer wieder maßlos verschätzen, immer neue Türme in den Sand setzen!“ Ja, so sind wir wirklich - bei uns heiligt oft der Zweck die Mittel. Das aber will Gott nicht. Danach hatten zwar wir Menschen gar nicht gefragt, mit Gott hatten wir nicht gerechnet. Aber er handelt trotzdem.
Und er setzt sich locker über alle Mauern hinweg: Wenn die Menschen sich abschotten, dann wird er uns eben in Bewegung bringen. Wenn sie ihre Einigkeit zur Aufrüstung missbrauchen, dann wird er sie eben mit anderen Dingen beschäftigen. Sie haben sich eingemauert? Gut, Gott bringt sie so durcheinander, dass sie in alle Richtungen wieder losziehen. Sie wollten lieber Türme als Wohnhäuser? Gut, dann bleibts eben - aus dem Turm jedenfalls wird nichts.
Es berührt mich merkwürdig, wie alt unsere Erfahrungen schon sind : Abschottung führt nicht zu Sicherheit, Aufrüstung lässt nicht berühmt werden. Seit Jahrtausenden wissen wir das. Ist es heute anders? Eine traurige Geschichte! Das wäre so, wenn an dieser Stelle die Bibel zu Ende wäre. So aber bleibt es eine Geschichte zum Nachdenken: Was läuft denn falsch in der Geschichte? Wie müsste es denn bei uns sein, bei mir aussehen, damit wir nicht immer wieder nutzlose Türme bauen? Was falsch läuft, das fällt erst beim zweiten Lesen auf: Hier stimmt etwas mit der Gesprächstechnik nicht!
Untereinander reden sie nur mit Parolen - Heran, Genosse! Vorwärts zu neuen Taten!, das ist kein Gespräch, das ist Ideologie. Gut für Aufmärsche, schlecht fürs Leben. Zum richtigen Gespräch gehören Fragen, gehört Rede und Gegenrede. Bei uns sollten Parolen aller Art tabu sein: all die Schlagworte, die das Denken vernebeln, die Vorurteile und Ängste, die den Blick füreinander versperren. Das ist das Eine, was aus dieser Geschichte zu lernen ist.
Das andere ist noch wichtiger: In unserer ureigenen Turmgeschichte fehlt jedes Gespräch mit Gott. Und ohne das Gespräch mit Gott werden wir immer neu Türme in den Sand setzen. Erst einmal den Blick auf Gott richten, bevor wir ängstlich nach Feinden und Neidern Ausschau halten. Erst einmal vor Gottes Angesicht das eigene Leben prüfen, bevor wir mit der Schlechtigkeit anderer rechnen.
Und dann müssen all unsere Vorhaben zum großen Grundsatz jedes Christen passen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn du ihn liebst, wirst du mit ihm reden, statt ihn aus deinem Leben rauszuhalten. Ich jedenfalls möchte lieber angesprochen als misstrauisch ausgesperrt werden.
Also: miteinander, nicht gegeneinander leben. So ist es in Gottes Augen vernünftig. Wenn das Gespräch mit Gott fehlt, scheitern unsere großen Pläne - das ist seit uran so. Warum wird uns unsere Ur - Geschichte zu Pfingsten erzählt? Pfingsten ist das Fest des Geistes und der Sprache. Gottes Geist erfüllt die Herzen der Jünger - die preisen ihn und fangen an, miteinander, zu ihren Mitmenschen zu reden. Und auf einmal verstehen alle, was sie zu sagen haben.
Der Geist Gottes in unseren Herzen, das ist Gottes Antwort auf unsere immer gleiche, uralte Geschichte vom gescheiterten Turmbau. Er befreit uns vom Unverständnis füreinander, er bewegt unsere Herzen, damit wir das Gespräch mit ihm nicht verlieren. Dafür loben wir Gott. Amen.
Verfasserin: Pfrn. Anne-Christina Wegner, Untere Hauptstrasse 6, 06636 Laucha
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Missionarisch-Ökumenischer Dienst
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