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Die Kirche des Geistes

von Theo Günther (36341 Lauterbach)

Predigtdatum : 03.06.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Exaudi
Textstelle : 4. Mose 11,11-12.14-17.24-25
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Wochenspruch:

Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4,6)

Psalm: 118,24-29 (EG 747)

Lesungen

Altes Testament:
4. Mose 11,11-12.14-17.24-25
Epistel:
Apostelgeschichte 2,1-18
Evangelium:
Johannes 14,23-27

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 166,1-4
Tut mir auf die schöne Pforte
Wochenlied:
EG 125
(oder EG 136,1-4+7)
Komm, Heiliger Geist, Herre Gott
O komm, du Geist der Wahrheit
Predigtlied:
EG 268
Strahlen brechen viele
Schlusslied:
EG 168,4-6
Wenn wir jetzt weitergehen

(Die hier abgedruckte Predigt folgt nicht der Perikopen-Ordnung, sondern legt die alttestamentliche Lesung vom Pfingstmontag einer Dialog-Predigt zu Pfingsten zugrunde: „Der Turmbau zu Babel und das Pfingstwunder“.)

Liebe Mitchristen,
vielen von Ihnen wird die biblische Erzählung aus dem Buch Genesis vom Turmbau zu Babel bekannt sein. Diese Erzählung möchten wir zu Beginn der Predigt in Ihre Erinnerung rufen und vorlesen:
1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. 2 Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinár und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.
5 Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. 6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8 So zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. 9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.
Babel, eine mächtige, aufstrebende Stadt, auf der Höhe der Zeit mit offenbar aufgeschlossenen Bewohnern, die ihre Ziele und Ideale haben und die für diese arbeiten.
Ihr Fortschrittsglaube, ihr Machtdenken, ihre Selbstüberschätzung und ihre Überheblichkeit manövrieren sie aber in eine Situation, die alle gut gemeinten Ansätze und Bemühungen scheitern lässt
Es unterscheidet sie, so denke ich, gar nicht so viel von den Menschen unserer Zeit.
Diese Erzählung macht deutlich, dass hohe Zivilisation ohne Bindung / Rückkopplung an Gott, die Menschen nicht eint und innerlich nahe bringt, sondern entzweit. Wo der Mensch seine ihm gesetzten Grenzen überschreitet, wenn er versucht, sich selbst zum Schöpfer aufzuspielen, da wird seine Größe zur Lüge und seine Macht zerfällt.
Zerrissenheit und Unverständnis prägen das Leben, und die Sehnsucht nach den guten Möglichkeiten, die zum Greifen nahe schien, liegt wie ein dunkler Schatten auf dem Leben.
Diese Erfahrungen von Zerrissenheit, von Unverständnis, die den Egoismus fördern, sie begegnen uns auch heute immer wieder neu. Im Großen wie im Kleinen.
Wochenlang schon sehen wir uns der Krise, dem Kosovokrieg gegenüber, wo Machthaber, Regierende keine Möglichkeit finden, Not und Elend für die Menschen dieser Region zu beenden. Seit Babel und der Zerrissenheit dort, hat sich doch nichts geändert.
Dialog:
Geist der Wahrheit:
(Es klopft)
Entschuldigung, lieber Prediger, darf ich mal stören?
Prediger:
Bitte, wenn’s sein soll. Mit wem habe ich denn das Vergnügen? Wer muss mich denn ausgerechnet jetzt stören, wo ich hier am Predigen bin. Es ist im Moment wirklich ernst und wichtig, dass wir da am Ball bleiben. Also fassen Sie sich bitte kurz!
Geist:
Ach, ich komme doch gerade deswegen: Ist das denn alles nur so schlecht und düster? Ich geb’ ja zu, dass das stimmt, was du da gesagt hast – aber ihr habt doch eben auch etwas vom Geist der Wahrheit gelesen und von dieser Pfingstpredigt des Petrus, der darauf wartet, dass der Heilige Geist ausgegossen wird und die Menschen ganz begeistert sein werden von Gott.
Prediger:
Ja, ja - das ist schon richtig. Wir haben das eben gelesen und das steht ja auch so in der Bibel drin. Nur: Ich muss doch sehen, was vor Augen ist! Und da sehe ich nun mal, das sich irgendwie gar nichts verändert hat. Ich kann die Leute schon gut verstehen, die an Gott zweifeln, wenn sie all das Elend auf der Welt sehen. Und es ist ja nicht nur der Kosovo. Es gibt auch die fast vergessenen Kriege zwischen Äthiopien und Eritrea, im Kongo, in Angola. Es gibt den Hindu-Fundamentalismus in Indien, der unsere christlichen Glaubensbrüder und Glaubensschwestern in Indien bedroht. Es gibt …
Geist:
Du kannst ja gar nicht aufhören, mit deiner Schwarzmalerei.
Prediger:
So ist aber die Welt. Und ich kann da noch vieles aufzählen! Auch aus unserem Land: von der Gewalt an Schulen und in Familien, über das Mobbing am Arbeitsplatz bis zum unwürdigen Umgang mit Flüchtlingen...
Und ich muss das alles mit ansehen und aushalten. Und dann soll ich noch vom „lieben Gott“ predigen und Begeisterung wecken! Schwierig! Sehr schwierig! Wenn ich das sehe, dann ist mir manchmal mehr zum Heulen zumute, als zum Freuen und Feiern – Pfingsten hin und Pfingsten her. Die schönen Worte der Bibel über einen lebendigen Geist Gottes, die schönen Worte von Verständigung über Grenzen hinweg, über Frieden auf Erden – es fällt manchmal schwer daran zu glauben – gerade jetzt, wo der Krieg so unmittelbar vor der Tür steht. Die Welt ist immer noch schlecht, wie von Anfang an.
Kann ich den Leuten denn mehr sagen als: „Haltet aus! Die Zeit wird kommen, da setzt sich Gottes Geist durch!“?
Geist:
Wäre doch gar nicht das Schlechteste. Also die ersten Christen damals und die Leute, die das Neue Testament geschrieben haben, die haben das oft so verstanden. Habt Ihr nicht vorhin gelesen: „Wenn der Geist der Wahrheit kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten … und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.“ Also, das hört sich doch nach Warten und Aushalten an.
Prediger:
Ja, ja. Ich weiß. Und es gibt ja noch viele solcher Stellen, die unsere Geduld und unser Festhalten am Glauben und die Hoffnung wider den Augenschein fordern.
Aber mir will der Kragen platzen! Noch nicht einmal unter den Christen ist der Geist Gottes zu spüren. Sieh dir doch mal an, wie viele verschiedene Konfessionen und Glaubensgemeinschaften es gibt! Wo ist denn da der „eine“ Geist Gottes, der Geist der Wahrheit?
Geist:
Da hast du nicht ganz unrecht. Es gibt wirklich viele verschiedene Kirchen und Gemeinschaften. Und sie sind sich oft gar nicht einig. Es gibt auch eine schlimme Vergangenheit, wo Kirchen gegen Kirchen Krieg geführt haben. Ich hab’ mich da maßlos geärgert und bin immer noch sehr enttäuscht.
Aber du hast auch nicht ganz recht! Als ich damals in Jerusalem in die Leute gefahren bin, hab’ ich sie ja nicht alle gleich gemacht. Schade eigentlich, dass Ihr das vorhin nicht auch gelesen habt. Das Tolle war nämlich, dass sich die Menschen in Jerusalem verstanden haben, obwohl sie in ganz verschiedenen Sprachen redeten. Sie haben sich verstanden, obwohl sie ganz verschieden waren. Sie haben sich verstanden, weil Gott ihnen wichtiger war, als ihre Herkunft, Rasse, Sprache, Kultur und Macht. Sie haben sich verstanden, weil sie von Jesus gelernt und verstanden haben, dass es darauf ankommt, den anderen mit Liebe zu begegnen.
Prediger:
Hör auf, hör auf! Das hört sich so gut an, dass ich gleich anfange und werde noch begeistert. Das geht doch nicht. Das widerspricht doch unserer Erfahrung!
Geist:
Jetzt ist aber mal Schluss, du Miesepeter! Es ist Pfingsten. Ich hab das doch nicht alles umsonst gemacht, damals! Wo Krieg und Elend ist, sollst du ja klagen – und glaub mir, es wirklich schwer genug für mich, die Machthungrigen und Verbohrten zur Liebe zu bringen. Aber du – du sagst doch, dass du an mich glaubst!
Na also, dann glaub’s auch und freu’ dich daran, dass ich schon ein paar Erfolge erzielt hab’! Schließlich stehst du doch heute hier in einem Gottesdienst, der katholische, evangelische und indische Christen zusammenbringt. Über alle Verschiedenheiten hinweg betet ihr hier zusammen um Frieden und Liebe in der Welt. Und wenn du in Alsfeld im Krankenhaus die Andacht hältst, dann hören dir auch ganz verschiedene Christen zu und alle sind froh, etwas von dem einen Gott zu hören, was sie tröstet.
Also bitte: Verlangt doch nicht immer alles auf einmal! Die Welt ist schlecht genug - lasst euch nicht davon anstecken! Sondern lasst euch von den Zeichen des Trostes und der Wahrheit und der Liebe und der Hoffnung anstecken! Ich tue ja schon mein Möglichstes - aber ich brauche auch Menschen, die sich anstecken lassen von meinem Geist.

So - und jetzt sag ich Tschüss - das heißt ja soviel wie „Gott befohlen“. Lass dir was einfallen, dass sich die Leute merken: Wenn wir an den einen Gott, den Vater Jesu Christi glauben, dann wird die Liebe wachsen über alle Verschiedenheiten hinweg. Tschüss!
Prediger:
Tschüss.-
Äh – ja – was war jetzt das?
Ist da der Geist bei uns vorbeigeweht? Jedenfalls geht’s mir jetzt besser wie vorhin. Und recht hat doch auch: Als ganz Verschiedene sind wir hier zusammen und doch verbunden im Glauben an den einen Gott. – Wir sollen uns was einfallen lassen, hat er gesagt. Wir haben doch Bänder – lila und gelbe – die können wir zusammenknoten und mitnehmen, und wenn wir sie sehen oder danach gefragt werden, dann können wir an den Geist Gottes denken und von ihm erzählen: Er eint uns mit und trotz aller Verschiedenheit. Amen.

Verfasser: Pfr. Theo Günther, Sielweg 4, 36304 Alsfeld

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