Die Kirche des Geistes
von Ralf Euker (39576 Stendal)
Predigtdatum
:
01.06.2009
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Pfingstsonntag
Textstelle
:
Matthäus 16,13-19
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Wochenspruch:
Es soll nicht durch Herr oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4, 6)
Psalm: 100 (EG 740)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 11, 1 – 9
Epistel:
1. Korinther 12, 4 – 11
Evangelium:
Matthäus 16, 13 – 19
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 136
O komm, du Geist der Wahrheit
Wochenlied:
EG 125
Komm, heiliger Geist, Herre Gott
Predigtlied:
EG 184
Wir glauben Gott im Höchsten Thron
Schlusslied:
EG 132
Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes
13 Jesus kam in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? 14 Sie sprachen: Einige sagen, du seiest Johannes der Täufer, andere, du seiest Elia, wieder andere, du seiest Jeremia oder einer der Propheten. 15 Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? 16 Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!
17 Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. 18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. 19 Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.
Liebe Gemeinde,
gibt es Gott wirklich, und ist es folglich möglich, dass er einen Sohn hat?
Vielleicht zucken Sie angesichts einer solchen Frage etwas zusammen. So will ich schleunigst fortfahren und sagen, dass die Zeiten, in denen Christinnen und Christen dieses im Osten unseres Landes von der Seite des Staates oder der Partei gefragt wurden, zum Glück lange vorbei sind, dieses Jahr zwanzig Jahre. Lange her ist es also auch, dass vom Inhalt der Antwort die Entwicklung des ganzen eigenen Lebens, besonders des Berufslebens, abhängen konnte; Lehre oder Studium, Melkerin oder Ärztin, Betonfacharbeiter oder Ingenieur… Gut so!
Die Zeiten sind vorbei, nicht aber solches Fragen:
So werden unsere Jugendlichen aus der Jungen Gemeinde und vielleicht auch unsere frisch Konfirmierten schon mal auf dem Schulhof von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern gefragt, ob sie denn das wirklich alles glauben, das mit Gott, Jesus und der Kirche überhaupt. „Denn wie war das noch gleich? Soll der nicht über’s Wasser gelaufen sein oder so? – Sag mir, wo die Steine liegen. Dann schaff’ ich das auch!“
Auch den folgenden Kollegen gibt’s immer mal wieder:
Eigentlich ist der wirklich in Ordnung. Und trotzdem lässt er keine Überschwemmung und kein Erdbeben aus, um sich beim Kantinenessen zu erkundigen, wo denn nun wieder „sein“ Gott gewesen wäre. Gemeint ist der Gott des Kollegen, der sonntags regelmäßig in die Kirche geht.
Häufig sind es – zumindest heutzutage – Menschen aus unserem näheren Umfeld, die uns nach den Grundlagen unseres Glaubens fragen:
• ob es Gott gibt oder nicht,
• ob nicht auch eine gehörige Portion Einbildung dabei ist,
• warum es denn zugleich soviel Leid geben kann und auch,
• wie es denn dann passieren konnte, dass damals der Pfarrer „a, b, oder c“ aus Anlass der Beerdigung von „d, e, oder f“ dieses oder jenes völlig Unüberlegtes von sich gab.
Langjährige Freunde, Bekannte oder Nachbarn fragen uns so und nicht zuletzt auch die eigenen Kinder, wenn sie sich als Jugendliche religiös orientieren. Anders als die staatlichen Stellen damals in der DDR stellen diese Menschen ihre Fragen zumeist nicht aus Überheblichkeit, sondern oft durchaus aus einer Situation der Vertrautheit heraus. Auch wird man sagen können, dass solches Fragen ja durchweg berechtigt ist: Alle Fragen, die ich aufgezählt habe, und noch mehrere darüber hinaus liegen ja schließlich irgendwie auf der Hand.
Dennoch lässt es viele von uns – nach wie vor – richtig in Stress geraten, in solcher Weise nach den Grundfesten unseres Glaubenslebens gefragt zu werden. Die meisten von uns fühlen sich in den entsprechenden Situationen immer wieder deutlich in die Bekennerpflicht gerufen. Sie fangen dann an, ebenso kreativ wie engagiert für Gott zu argumentieren. Sie erzählen von der Vielfalt und Schönheit der Natur, rechnen noch die wunderbare Individualität eines jeden Menschen dazu und gelangen schließlich an den Punkt, dass alles das doch kein Zufall sein kann… – Die Fragenden hören sich alle diese Ausführungen in der Regel geduldig an.
Andere von uns lassen sich eher davon leiten, dass beim Argumentieren über den Glauben ja doch nicht viel herumkommt. „Ach, wissen Sie“, hört man dann, „das ist eben Glaubenssache. Sie sind so erzogen. Ich bin anders erzogen. Schließlich soll ja jeder nach seiner Façon selig werden, sagte doch schon der alte Fritz.“ – Ende der Unterhaltung, so oder so.
In beiden Fällen tragen die Befragten das fahle Gefühl davon, irgendwie nicht klug genug in Glaubensdingen zu sein, auf jeden Fall aber wieder einmal nicht gut genug für Jesus, Gott und den eigenen Glauben argumentiert und gestritten zu haben. Manchmal vermischt sich die Gefühlslage dann auch noch mit etwas Genervt-Sein: „Immer wieder diese Fragerei! G, h oder i müssten doch auch langsam mitbekommen haben, dass das zu nichts führt.“
Wie gut würde uns an dieser Stelle ein „Hey – gut gemacht!“ oder „Gut gesagt!“ tun? Zur Not könnten wir uns das ja auch selbst zuflüstern. So ein kleines Selbstlob wäre ja allemal besser als immer wieder diese bohrende „Selbstkrittelei“, in Glaubensfragen irgendwie auf den Kopf gefallen zu sein.
Drei bis fünf Quantensprünge* besser geht es da Petrus! Der war damals bei Cäsarea Philippi, der Burg eines Herodes-Sprosses ganz im Norden Israels, weit davon entfernt, sich ein Selbstlob ausdenken zu müssen: Wir hörten im Predigttext zunächst, was die „Leute“ über Jesus sagten. Einige gab es, die ihn mit Johannes dem Täufer in Verbindung brachten. Andere wollten in ihm den wiedergekehrten Propheten Elia oder Jeremia erkennen, und noch weitere Prophetennamen waren im Gespräch. Niemand aber brachte die Antwort auf Jesu Frage, wer er denn eigentlich sei, offensichtlich so gut auf den Punkt wie schließlich Petrus, der sagte: „Du bist Christus des lebendigen Gottes Sohn.“ Hierauf nun folgt Jesu umfängliches Lob: „Selig bis du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“
Das klingt gut, bedarf aber wohl noch der Deutung. „Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart“:
Was dir so wichtig geworden ist für dein Leben, was es trägt und was du glaubst, Mensch, das basiert doch nicht auf Berechnung und Erforschung. Erinnere dich doch mal! Vielmehr als auf einer schlüssigen Kette von Argumenten fußt dein Glaube doch wohl auf der Erfahrung und der Begegnung mit Menschen, die Dir im Glauben vorangegangen sind oder mit denen du deinen Glauben noch heute teilen kannst.
Immer wieder hört man zum Beispiel, dass es die Großmutter war, die mit ihrem Nachtgebet am Kinderbett den Weg zum Glauben geebnet hat.
Ein Freund erzählte mir, wie sein sehr gläubiger Vater, Prediger in der Landeskirchlichen Gemeinschaft, auf den Trabbifahrten immer wieder den Staatsbürgerkundeunterricht „auseinander nahm“ und alle noch so steilen Thesen hierbei in ein väterlich-göttliches „ja, aber“ tauchte. Die ganze Ruhe unseres großen Gottes erfüllte dann das kleine Auto…
Viele verdanken den Abenteuern bei kirchlichen Zelt-Freizei-ten ihre Öffnung für den Glauben. Andere erleben Gottes Warmherzigkeit in ihrem Hauskreis oder beim Gemeindenachmittag, viele von Ihnen hoffentlich auch in unseren Gottesdiensten.
„Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“
Dein Glaube kann dich zu einem Petrus machen. Deine Zuversicht, die ja zu einem guten Teil in deinem Glauben wurzelt, die hat wirklich nicht jeder! Du weißt einfach, dass es mehr als deine Arbeit, dein Haus und den vielleicht spärlichen Dank deiner Familie oder deiner Kirchengemeinde gibt. Auch in schwierigen Situationen deines Lebens hat dich dein Glauben nicht verlassen – und wenn doch, so hat er dich früher oder später wieder eingeholt. So einen nennt Jesus einen „Felsen“, nicht so einen unbehauenen, der nur trotzig in irgendeiner Meeresbrandung herumsteht, sondern einen solchen, der Fundament sein kann. Er kann andere, die Familie und vieles in der Gemeinde geduldig und gutmütig tragen. Er ist ein Gewinn für alle, die eine Strecke ihres Lebens gemeinsam mit ihm gehen können.
„Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“
Alle Geduldigkeit und „Felsenhaftigkeit“ verbindet sich bei dir auch immer wieder mit so einer Leichtigkeit, so einem Einssein mit dem Himmel und mit Gott. Was du tust oder lässt, das tust du nicht nur aus dir selbst heraus. Du tust es in genau dieser Weise und mit genau dieser Ausstrahlung, weil du einen Herrn hast, mit dem du dich in vielen Fragen deines Lebens gut einigen kannst. Vielleicht ist es so, dass du das noch gar nicht wirklich weißt. Ich sage dir aber: Man spürt das auch, dass du ein Leben mit Gott führst.
„Fleisch und Blut haben dir das (also) nicht offenbart“:
Die Frohe Botschaft möchte uns an diesem Pfingsttag eine große Erleichterung sein. „Die Leute“ werden uns hoffentlich weiterhin nach Gott, Jesus und unserem Glauben fragen, und wir werden antworten. Wir sollten das aber nicht länger so tun, als hätte eine feine Kette von Argumenten und Berechnungen – „Fleisch und Blut“ – uns zum Glauben gebracht. Wir sollten einfach aussprechen, was für die meisten von uns ja auch zutreffender ist: dass es gute und tief gehende Begegnungen und Erfahrungen mit Menschen waren, durch die der Heilige Geist zu uns sprechen konnte. Lasst uns in Zukunft also mehr hiervon erzählen, von unseren betenden Großmüttern, den frommen Vätern, aus der Jugendgruppe oder von der Gemeinschaft im Hauskreis. Bestimmt wird es dann welche unter den Mitschülern, Kollegen oder Nachbarn geben, denen jetzt etwas von unserer Petrus- und Felsenhaftigkeit, von unserer Gottverbundenheit deutlich wird.
Nach Antwort zu suchen und sie wohlfeil und intelligent zu geben, ist in Glaubensdingen das eine. Die andere, die größere Möglichkeit aber ist es, mit unserer Lebensgeschichte, mit unserer Dankbarkeit und unserer Gelassenheit selbst die Antwort zu sein.
Amen.
Verfasser: Pfarrer i.E. Ralf Euker, Blumenthalstraße 41, 39576 Stendal, E-Mail: euker@kirchenkreis-stendal.de
* Anm. des Hrsg.: Für naturwissenschaftlich gebildete Hörerinnen und Hörer drückt dieser (umgangssprachlich beliebte) Vergleich das Gegenteil des Gemeinten aus. Quantensprünge sind eben nicht riesig, sondern winzige, nur mit feinsten Messgeräten erfassbare Veränderungen. Ich würde einfach sagen: Petrus geht es da viel besser.
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