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Die Kirche in der Welt

von Dagmar Munck (63128 Dietzenbach)

Predigtdatum : 30.10.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 22. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Johannes 15,18-21
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Wochenspruch:

Dem König aller Könige und Herrn aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, dem sei Ehre und ewige Macht! (1. Timotheus 6, 15b.16a.c)

Psalm: 33,13-22

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 18,20-21.22b-33
Epistel:
Philipper 3,17 (18-19) 20-21
Evangelium:
Matthäus 22,15-22

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 324
Ich singe dir mit Herz und Mund
Wochenlied:
EG 275
In dich hab ich gehoffet, Herr
Predigtlied:
EG 145
Wach auf, wach auf, du deutsches Land
Schlusslied:
EG 421
Verleih uns Frieden gnädiglich

Jesus sprach zu seinen Jüngern: 18 Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat. 19 Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb. Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt. 20 Gedenkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten. 21 Aber das alles werden sie euch tun um meines Namens willen; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat.

Anmerkung:
Diese Predigt ist für Sonntag, 30.10.05 geschrieben. Am 31.10. – also am folgenden Montag – ist Reformationsfest. Daher empfehle ich, auf den Reformationstag in den einleitenden Worten zum Gottesdienst Bezug zu nehmen oder in einem der Gebete.Was sagte der Mensch Jesus von Nazareth seinen Freunden zum Abschied, denn er wusste ja, dass der Weg nach Jerusalem für ihn ein Weg in den Tod werden wird?
Wenn euch die Menschen hassen, die um euch her sind, dann haltet euch vor Augen, dass sie mich vor euch gehasst haben. Wäret ihr ein Teil dieser Menschheit, wäret ihr den anderen gleich, so würde man euch schätzen und ehren. Da ihr aber anders seid als die Menschheit, da ich euch herausrief aus der Welt, seid ihr den Menschen Anstoß und Störung. Denkt daran! Ich habe es euch gesagt: Der Knecht ist nicht mehr als sein Herr. Haben sie mich ausgestoßen, werden sie euch auch verfolgen. Haben sie mein Wort aufgenommen und ihm gehorcht, so werden sie das eure ebenso achten. All das begegnet euch, weil ihr meinen Namen tragt und weil sie den nicht kennen, der mich gesandt hat.
(Bibeltext nach einer Übertragung von Jörg Zink)

Liebe Gemeinde,
Jesus sagt seinen Jüngerinnen und Jüngern, also den Frauen und Männern, die sich zu ihm bekennen: Die Menschen werden euch verfolgen, weil ihr zu mir gehört.
Für mich ist es immer wieder eindrucksvoll zu sehen, wie Jesus die Menschen ganz ernst nimmt. Er macht ihnen nichts vor, sondern er sagt ihnen dazu noch den Grund des Hasses der Menschen. Er ist der Grund. Er hat den Menschen von der uneingeschränkten Liebe Gottes erzählt, dieser Liebe, die ohne jegliche Einschränkung allen Menschen gilt.
Aber die Welt hat ihn nicht verstanden. Welt, das sind die Juden, die so genannt werden, weil sie wegen ihres „Unglaubens“ nicht an den Auferstandenen glauben konnten. Diese Juden, die in unserer Predigt die Welt genannt werden, sind nicht Ungläubige, sind keine Atheisten. Nein, es sind gläubige Menschen, die uneingeschränkt an den Gott Israels glauben. Sie können einfach nicht an den Gott glauben, der Jesus Christus gesandt hat.
Glaube ich denn an den Gott, der Jesus Christus gesandt hat? Ich glaube, und das heißt, ich vertraue darauf, dass Gott, der Vater, mich liebt. Ich weiß mich in seiner Liebe geborgen, weil ich mir ganz sicher bin, Gott gibt uns nicht auf. Gott will, dass wir leben. Gott will, dass wir ihm vertrauen, dass wir uns auf ihn in und mit unserem ganzen Leben verlassen. Er macht keine halben Sachen. In Christus hat seine Liebe Hand und Fuß. Christus kommt nicht im Sonntagsstaat, sondern mitten in den Alltagstrott. Er wird einer von uns. Er zieht ins Untergeschoss dieser Welt, um für jeden erreichbar zu sein. Als Kind. Worüber soll man eigentlich mehr staunen: Dass Gott so groß oder so klein ist? Staunen wie ein Kind, das Gott Kind wurde. Jemand hat einmal gesagt: „In Jesus begegnet uns der „heruntergekommene Gott“.
Kein Kriegsgott. Kein Fürchtegott. Kein Rachegott. Alle die Götterbilder, mit denen Menschen sich selbst wichtig machen wollen und anderen Angst einjagen: Wir brauchen sie nicht mehr, wenn dieser eine – Jesus Christus – kommt und in unserer Mitte wohnt. Dann kann ich nur staunen über die Tatsache, dass der Vater selbst sich erniedrigt und in Jesus zu uns kommt. Er schickt nicht irgendeinen fernen Abgesandten. In Jesus haben wir es mit Gott selbst zu tun.
Wofür steht Jesus?
Jesus lebte die allen geltende Liebe Gottes, er lebte sie bis zuletzt, am Kreuz noch umfing er seine Peiniger mit vergebender Liebe.
Die Liebe, die Gott uns überreichlich jeden Tag immer wieder schenkt und die an keine Vorbedingung gebunden ist. Die Liebe, die für alle ist, das ist die Wahrheit. Die Wahrheit, die niemand unterdrückt, sondern im Gegenteil jedem Menschen gut-tut und jede, so, wie sie ist, leben lässt, ja sie sogar darin bestätigt.
Jesus von Nazareth redet in dieser Abschiedsrede zu seinen Vertrauten von dem Hass der Menschen. Das hat mich doch sehr zum Nachdenken aufgerufen. Warum Hass, wenn von so viel Liebe die Rede ist? Gründet sich der Hass im Unverständnis, darin, dass so viel Liebe einfach nicht zu begreifen ist? Wie oft denke ich „wie Du mir, so ich Dir!“ Ich bin tief getroffen durch das Verhalten eines anderen Menschen und ganz, ja wie automatisch „wie Du mir, so ich Dir!“
Jesu Rat und Empfehlung lauten aber anders: Versöhne dich mit deinem Gegner! Oder noch anspruchsvoller: Liebe deinen Feind! Den anderen, mit dem es Streit gibt, zu lieben, setzt großen Respekt vor ihm voraus. Ich muss ihn so achten, wie ich mich selber achte. Ich muss mich auf die andere Seite begeben. In die anderen Menschen muss ich mich versetzen. Und dann fange ich an zu begreifen, was ihnen und mir zum Frieden dient. Zum Frieden, der Juden und Christen und Moslems und Hindus, Andersglaubende und Andersdenkende verbindet. Und so lerne ich, Spannungen auszuhalten. Das zu erreichen erfordert Klugheit – die Klugheit der Liebe, die für den Gegner mitdenkt.
In unserem Land werden keine Christen verfolgt. In anderen Ländern ja – ich denke an den Irak und an den Iran oder an verschiedene Staaten in Asien und Afrika. In Deutschland jedoch werden auch Menschen aus der Gesellschaft ausgeschieden, werden gemieden und es werden ihnen Hindernisse in den Weg gelegt, und das nur, weil sie einen anderen Glauben haben.
Wir müssen doch miteinander leben. Ohne Toleranz können die Menschen in einer multikulturellen Gesellschaft nicht miteinander leben. Doch sie darf nicht zur Unbestimmtheit werden, in der alles gleich ist. Wo alles gleich gültig scheint, wird es schnell gleichgültig.
Toleranz ist nicht Standpunktlosigkeit, sondern Toleranz geht nur, wenn ich einen festen Stand habe. Die Toleranz des Christen hat ihr Vorbild im Verhalten Gottes selbst. Dies zeigt sehr eindrücklich eine Geschichte von Sebastian Klusak:
„Stell dir vor, es gäbe einen Zug in den Himmel, und du kommst nicht rein. Alle Plätze sind mit toten Seelen bereits belegt. Und an der Lebens-Abendkasse gibt es auch keine Karten mehr.
Kein Platz im Zug zum himmlischen Frieden? Undenkbar, wirst du sagen. Und du hast Recht damit. Alle Menschen sind Gottes Kinder, und für die ist reserviert. Im Himmelzug ist Platz für alle, vielleicht sogar für Tiere.
Nur: Wir tun so, als ob einige keine Platzkarten hätten. Ob Kriminelle, Andersgläubige oder einfach Leute, die wir nicht mögen: Die sollen nicht in den Himmel kommen, sagen wir und schließen sie deshalb auch aus unserer Gemeinschaft aus. Damit sie zumindest bei uns nicht in der ersten Reihe sitzen oder am Fenster.
Eine solche Haltung entspricht nicht Gottes Willen. Gott will nicht, dass es bei uns eine Erste und eine Zweite Klasse gibt. Erst recht nicht, dass wir seine Kontrolleure spielen, die entscheiden, wessen Fahrschein überhaupt gültig ist. Aus seiner Zugreise ins himmlische Jerusalem scheidet niemand aus, und sei er noch so spät. Das nennt man Gnade Gottes, oder auch: seinen freundlichen Zug.“
Toleranz heißt nicht, dass ich meinen christlichen Glauben dem der anderen anpasse oder meine, es sei völlig gleichgültig, welche Religion jemand habe. Jesus hat uns ausgesandt, allen Völkern die frohe Botschaft von der erlösenden und heilenden Liebe Gottes zu verkünden. Wir achten die Gewissensfreiheit des Einzelnen. Doch als toleranter Christ vermische ich mein Christentum nicht mit den anderen Religionen.
Aber ich habe Achtung vor den Religionen. Ich vertraue darauf, dass Gott auch in den anderen Religionen Samen seiner Weisheit ausgesät hat.
„Wir können Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendeinem Menschen die brüderlich-schwesterliche Haltung verweigern.“
Wir müssen dies praktisch leben: sich für Getretene einsetzen, also für die bedrängte junge Frau in der U-Bahn, für den überfallenen Ausländer, aber auch für die unterdrückten Christen in Sudan oder Ägypten, die wir oft vergessen. Arbeiten sollen wir an dem, was lebensförderlich ist und zwar für alle, nicht nur für wenige. Wir sollen die Güte Gottes, die Jesus uns gezeigt hat, mehr in unser Leben einlassen. Durch uns, durch unser Da-Sein, unser So-Sein, unser Mit-Sein, unser Für-Sein, sollen wir diese Liebe Jesus wirken lassen. Wir können und sollen versuchen, den anderen in seinem Anderssein ernst zu nehmen.
Das muss im eigenen kleinen Umfeld geschehen wie im größeren Rahmen. In unserem Alltag, in der Schule, im Betrieb, an der Uni, mit der Einkaufstasche, dem Putzlappen, am Schreibtisch, in der Küche, am Computer und vor allem in der Begegnung, auch auf der Straße und am und über den Gartenzaun. Amen.

Verfasserin: Prädikantin Dagmar Munck, Odenwaldstraße 18, 63128 Dietzenbach

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