Menü

Die Menschwerdung Gottes

von Wolfgang Herrmann (56379 Geilnau)

Predigtdatum : 26.12.1998
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 2. Feiertag
Textstelle : Johannes 8,12-16
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)

Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 11,1-9
Epistel:
Hebräer 1,1-3 (4-6)
Evangelium:
Johannes 1,1-5 (6-8) 9-14

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 35
Nun singet und seid froh
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 70
oder EG 56
Wie schön leuchtet der Morgenstern
Weil Gott in tiefster Nacht erschienen
Schlußlied:
EG 31
Es ist ein Ros entsprungen

Vorbemerkung:
Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium ist Teil einer Auseinandersetzung mit der Frage „Wer ist Jesus?“ Dabei geht es um seine Person und um seine Vollmacht, zu sagen, was er sagt und zu tun, was er tut. Wie kommt er dazu? Woher hat er diese Macht? Was nimmt er sich heraus, wenn er derart vollmundig „Ich bin“ sagt, z.B. „Ich bin das Licht der Welt?“
Nun ist eine Weihnachtspredigt keine besonders gute Gelegenheit, Streitfragen zu erörtern. Die hier mitgeteilte Predigt nimmt vom vorgeschlagenen Predigttext Joh.8, 12-16 nur den ersten Vers auf und legt ihn aus. Ich schlage vor, diesen Vers nicht zu Beginn der Predigt, sondern als ihren Schlußsatz zu lesen. - Was bedeutet „Licht der Welt“? Und wieso ist Jesus dieses Licht? Die Predigt ist meditativ gehalten und kreist um das Wunder der Menschwerdung Gottes. Dabei werden einige Texte, vor allem von Angelus Silesius, zitiert, die die ruhige, meditative Grundhaltung verstärken.

12 Jesus sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. 13 Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du gibst Zeugnis von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr. 14 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr; denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wißt nicht, woher ich komme oder wohin ich gehe. 15 Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand. 16 Wenn ich aber richte, so ist mein Richten gerecht; denn ich bin's nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.

Liebe Gemeinde!
Wo wird Weihnachten? Die Antwort lautet: Weihnachten kann es nur in uns selber werden. Angelus Silesius, der schlesische Dichter und Mystiker, drückt es so aus:
„Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren
Und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“
Gott kommt in uns an; sein Geist vereint sich mit unserem Geist und entzündet ihn. Aus Dunkelheit wird Licht. So wiederholt sich der Anfang der Welt; denn auch das war eine Entzündung: Aus unergründlichen Dunkelheiten ins Licht gerufen entsteht die Welt. Licht ist die Urenergie der Schöpfung. Aus ihr heraus entfalten sich die Gestaltungen des Lebens; sie durchpulst das Weltall und alles, was ist. Das Wunder der Schöpfung aber wiederholt sich, wenn der Strahl der Ewigkeit in unsere Nacht fällt: Gott kommt im Menschen zur Welt; und „der Mensch“ - das bist du, das bin ich.
Weihnachten, dieses Fest in dunkler Zeit, feiert eine Geburt, und es ist die Geburt des göttlichen Lichtes in der Welt, erkennbar in einem Kind. Das geschieht in unserer Seele - oder garnicht.
Halt an, wo laufst du hin? Der Himmel ist in dir!
Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.“
Wie wird Weihnachten?: Weihnachten feiert die Ankunft des göttlichen Kindes. Ohne Jesus kein Fest. Jesus aber lebte in einem anderen Land, in einer anderen Zeit. Von dort ist Weihnachten zu uns gekommen; wir haben es nicht selbst gemacht, können es auch gar nicht. Weihnachten ist ein Besuch von fern her.
Und wann kam Jesus an? Wir denken gewöhnlich an die Geburt im Stall zu Bethlehem. Doch da war er bereits neun Monate in der Welt. Und das heißt: Im Leibe seiner Mutter. Die Ankunft des göttlichen Kindes beginnt in Nazareth und in Maria. In Bethlehem setzt sich diese Ankunft fort. Aus der Herberge im Leibe der Mutter wird die ärmliche Herberge von Krippe und Stall.
„Gottheit und Menschheit vereinen sich beide,
Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah.“ (EG 66,1)
Zu Weihnachten feiern wir dieses Wunder. Millionen von Lichtern leuchten zu Ehren des Neugeborenen. Doch unsere Illuminationen an den Weihnachtsbäumen, in den Fenstern, auf den Straßen und Plätzen, in den Warenhäusern und Kirchen, sind nur schwacher Abglanz eines ganz anderen Lichtes. Dieser enorme Aufwand, den wir da betreiben, ist doch nur so etwas wie ein schwaches Echo auf jene ungeheuren Lichtenergieen, die das Weltall durchglühen.
Licht ist ein zentrales Thema der Weihnachtsgeschichte.
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“ (Jes.9,l)
Mit diesem hellen Schein bricht das göttliche Licht in die Dunkelheit der Welt ein. Es ist, als ob ein Vorhang zerreißt, und geblendet wenden wir uns ab; allzu lange haben wir im finstern Lande gesessen, haben uns an Dämmer und Zwielicht gewöhnt. Der immer gleiche Trott, die kleinen Freuden und die großen Enttäuschungen, - wie vergänglich sind Lust und Glück. Die Ausnahmen bestätigen um so schmerzlicher die Regel. Und dann ist es wie mit den Hirten der Weihnachtsgeschichte:
„Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: ‘Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.’ Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen...“ (Lk. 2,8ff)
„Die Klarheit des Herrn umleuchtete sie“ - überwältigt von Licht verlassen die Männer ihren Arbeitsplatz und eilend, so hören wir, besuchen sie eine Wöchnerin mit ihrem Baby. Kosmische Energien prallen auf die Seelen der Männer. Doch sie verbrennen nicht, werden offenbar aber entflammt - wie später die Jünger zu Pfingsten entflammt werden. Die Hirten brechen auf, um einen Säugling zu finden, der als Erwachsener von sich sagen wird: „Ich bin das Licht der Welt.“
Dieses Licht tritt in einen Kampf ein mit den Mächten der Welt. Mit der Hinrichtung Jesu am Karfreitag scheinen sie gewonnen zu haben. Doch als die Frauen im Licht der Morgensonne an das Grab kommen, begegnen sie dem Auferstandenen; die Finsternisse des Todes haben ihn nicht halten können. Die Evangelisten erzählen es schon in den Weihnachtsgeschichten, so in der furchtbaren Geschichte vom Kindermord zu Bethlehem:
König Herodes und alle Mächtigen der Welt können dieses Licht nicht auslöschen. Die Flucht der kleinen Familie nach Ägypten, ins Exil, gelingt. Die kleine Flamme, das zarte Leben des Kindes wird gerettet. Das ist der Grund aller Hoffnung: daß es einen Weg gibt aus jeder Dunkelheit heraus. Daß ein Sieg möglich ist, auch gegen scheinbar übermächtige Kräfte und Gewalten. Es ist die Hoffnung der kleinen Leute, daß sie nicht von Gott und der Welt verlassen einem blinden Schicksal oder der Willkür der Mächtigen preisgegeben sind. Ihnen vor allem leuchtet das Licht.
Das wirkliche Wunder der Weihnacht ist aber dies: Nicht der Gesang der Engel und nicht das kosmische Licht sind das Entscheidende. Sondern ein neugeborenes Kind. Das Kind kannst du fassen; einen Engel nicht. Das Leuchten eines Kindes wärmt dein Herz; in den Energien des Kosmos würdest du verglühen. Doch diese unvorstellbaren Energien verwandeln sich in ein Kind - zart und verletzbar. Eben das geschieht, wenn der göttliche Geist unsere Herzen anrührt, wenn Zeit und Ewigkeit in einem Augenblick verschmelzen.
Berührt dich Gottes Geist mit seiner Wesenheit,
So wird in dir geborn das Kind der Ewigkeit.
Warum feiern wir denn eigentlich Weihnachten? In uns wohnt eine Sehnsucht nach Licht, eine Sehnsucht nach Gott. Es ist der Durst unserer Seele, den nur Gott selber stillen kann. Gott selber aber können wir nicht begegnen; wir würden verbrennen. Doch Jesus können wir begegnen; dieses Licht verbrennt uns nicht, sondern leuchtet auf den Weg.
In den Adventswochen haben wir uns auf den Weg gemacht. „Weihnachten“ hieß das Ziel. Das kann etwas ganz Unterschiedliches sein: Die einen freuen sich auf ein Familienfest, - bilden nicht Maria, Josef und das Kind eine kleine Familie, unter widrigen Umständen und doch von Segen geleitet? - Andere suchen vielleicht die Stille und Besinnung und suchen dabei sich selbst, ihre Hoffnungen, ihren Glauben. Daß da wieder etwas aufleuchte; und dieses Leuchten empfängt seinen Schein vom Kind in der Krippe. Vielleicht weil in unserem Herzen ein Kind wohnt?
Wieder andere wenden sich sehr bewußt anderen Menschen zu, suchen die, denen sie eine Freude machen können in dunkler Zeit. Waren da nicht auch die Heiligen drei Könige mit ihren Geschenken, die sie in den armseligen Stall brachten? War da nicht ein Stern, der sie einen weiten Weg leitete und mit eigentlich wildfremden Menschen verband? Weihnachten ist das Fest der Menschlichkeit, ein Fest der Zuneigung.
Der Weg dorthin führt durch manche Dunkelheiten: All die Schmerzen und Ungerechtigkeit, die Nöte und Einsamkeiten, das Leid und die Gewalt. Doch der Weg führt zum Licht. Es ist der Weg, auf dem Jesus selbst uns vorangeht und geleitet:
„Ich bin das Licht der Welt,“ sagt er, „wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Amen.

Verfasser: Pfr. Dr. Wolfgang Herrmann, Waldstraße 14, 56379 Holzappel

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich (Bestellformular).