Die neue Geburt
von Felizitas Muntanjohl (65549 Limburg)
Predigtdatum
:
27.04.2003
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Ostermontag
Textstelle
:
Johannes 20,19-29
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Wochenspruch:
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
(1. Petrus 1,3)
Psalm: 116,1-9 (EG 746)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 40,26-31
Epistel:
1. Petrus 1,3-9
Evangelium:
Johannes 20,19-29
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 116
Er ist erstanden, Halleluja
Wochenlied:
EG 102
Jesus Christus, unser Heiland, der den Tod überwand
Predigtlied:
EG 382
Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
Schlusslied:
EG 552
Einer ist unser Leben
19 Am Abend aber des ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! 20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! 23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. 24 Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben.
26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! 27 Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Liebe Gemeinde!
Mit dieser Geschichte wird die Verbindung geknüpft von der Zeit Jesu zu unserer Zeit: Die Zeit, in der wir glauben müssen, ohne Jesus sehen zu können. Wir denke ja – gerade an Ostern – leicht, wenn wir wie die Jünger die Möglichkeit hätten, zu sehen, was sie sahen, dann fiele uns der Glaube auch leichter. Dann könnten wir auch leicht sagen: ich glaube! Denn wir hätten’s ja mit eigenen Augen gesehen, das es wahr ist.
Das ist auch das Problem des Jüngers Thomas. Als die anderen sagen: Jesus ist auferstanden!, da sagt er das einzig Vernünftige, das es darauf zu sagen gibt: Das muss ich erst gesehen haben. Ich glaube nicht gleich alles, was man mir erzählt. Er hat ja auch gar nicht unrecht. Was soll ein Glaube, der halt irgendwas nachspricht, was andere einem vorerzählen. Ihm ist Jesus nicht erschienen, und darum hat die Rede von der Auferstehung für ihn auch keine Bedeutung.
Dabei ist er ja kein ungläubiger Mensch. Im Gegenteil: von den vielen Jüngern, die Jesus während seines Wirkens hatte, gehört er zu den Zwölfen, die sich von den neuartigen, manchmal wirklich unmöglichen Reden Jesu nicht haben erschrecken lassen. Er hat verstanden, worum es ging, er hat gespürt, dass hinter diesem Menschen Gott stand – Gott in seiner Herrlichkeit und Güte, und Gott in seinem Anspruch und seiner Strenge. Thomas hat das gesehen.
Und das war nicht so einfach, wie wir uns das vorstellen. Da fiel ja manche gute Tradition zu Bruch und mancher gewohnte Halt wankte. Diesen Menschen zu sehen und in ihm Gott zu erkennen, war ja gar nicht so leicht. Vielleicht war es sogar viel schwerer für die Jünger als für uns. Wir lernen es von klein auf, dass Jesus für uns Gott ist, und der Gedanke ist uns längst vertraut. Was täten wir, wenn ein Mensch käme, aus dem Nachbardorf X, und sagte, er sei Gottes Sohn? Wir würden ihn in die Nervenheilanstalt schicken.
Thomas glaubte es. Er sah in dem, was er erlebte, Gott.
Nun aber war etwas geschehen, das überstieg alle Vorstellungen. Ein Toter taucht wieder auf, sichtbar, anzufassen. Nein, wer das nicht gesehen hat, kann es nicht glauben.
Wir können uns noch vorstellen, dass Gott sich in die Gestalt eines Menschen begibt. Aber dass die Gesetze von Tod und Leben außer Kraft gesetzt werden, das ist nicht mehr im Bereich des Denkbaren. Da wird der Glaube zu etwas Törichtem, Kindlichen. Da steht keine Erfahrung mehr für die Wahrheit ein.
Jesus erfüllt Thomas seinen Wunsch und erscheint noch einmal extra für ihn. Und Thomas sieht und kann nur eines ausrufen: Mein Herr und mein Gott!
Und wir können spüren, wie viel Schrecken dabei war und wie viel Freude. Aber auch wie viel Scham über den vorigen Unglauben.
Gott hat sich gezeigt. So deutlich, so alles in den Schatten stellend wie nie zuvor. Wie herrlich, wie mutmachend, wie umwerfend muss diese Erfahrung gewesen sein. Kein Zeichen vorher war so absolut un-menschlich, unvorstellbar wie dieses. Von nun an war dies klar: es konnte keinen anderen Herrn mehr geben im Leben als diesen. Nichts anderes konnte noch solche Bedeutung gewinnen wie diese Erfahrung Gottes.
Jesus hat Thomas den Wunsch erfüllt. Aber er sagt zugleich: Jetzt glaubst du, weil du mich gesehen hast. Du hast mich handgreiflich erfahren. Und das ist schön und gut.
Aber es ist nicht die Lösung für deinen Glauben. Auf Dauer hilft das nicht. Wirklich tragfähig ist dein Glaube nur dann, wenn er nicht mehr die äußere Bestätigung braucht. Sondern wenn er die Kraft in sich selber findet. Noch immer hängst du an dem, was du siehst, was du erfährst, was du verstehst, was du dir vorstellen kannst. Noch immer ist Leben für dich das, wo du den Sinn erfährst, wo du Gott als deinen Herrn erkennst.
Aber wenn du wirklich leben willst, dann musst du noch einen Schritt mehr tun. Du musst einen Sprung wagen: den Sprung ins Nicht-Sehen. Den Sprung in das Leben, das vor dir liegt und vielleicht ganz und gar anderes bringen wird, als du bisher kennst und erwartest. Leben aus Gott, das heißt „nicht sehen“ und „doch glauben“. Das heißt, auch vor dem Dunkel keine Angst mehr haben. Denn auch im Dunkeln wohnt Gott. Und deine Phantasie reicht gar nicht aus, um dir auch nur vorzustellen, was Gott alles daraus machen kann.
Thomas, du warst ein treuer Jünger. Du hast viel verstanden, viel geglaubt. Aber eins musst du noch lernen: auch das Verstehen nicht mehr zu brauchen, auch im Nicht-Sehen den Glauben nicht zu verlieren.
Denn jetzt kommt eine andere Zeit, und ihr müsst sie aufbauen: Die Zeit, in der Gott noch kaum zu sehen ist. Es werden Verfolgungen kommen und Kriege und Hunger. Und die Menschen werden schwer darunter leiden, dass Gott so wenig sichtbar ist.
Euch aber setze ich als meine Nachfolger ein, als Christen. Und das heißt: den Glauben weiterzutragen, auch ohne sehen zu können. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Ihr habt in mir erlebt, wer Gott ist.
Erzählt von Gott, denn die Menschen brauchen es.
Erzählt von Gott, der zu den Menschen kommt.
Erzählt von Gott, der zu den Schwachen hält.
Erzählt von Gott, der auch im Dunkeln wohnt.
Erzählt von Gott, der stärker ist als der Tod.
Die Jünger taten es. Sie haben uns einen Schatz des Glaubens übergeben, den wir noch längst nicht in seiner Fülle gehoben haben.
Freilich leiden wir wie Thomas an der Verborgenheit Gottes. So oft kommen uns die Sorgen unseres Lebens stärker vor als Gott: unsere Einsamkeit oder unsere Krankheit; die Menschen um uns oder die unbefriedigende Arbeit. Jeder trägt sein kleines oder größeres Kreuz mit sich herum, und wir sehen nur den großen Berg vor uns, auf den wir uns hinaufschleppen müssen.
Und wir sehen das vor Sorgen nicht: dass auch hinter dem Kreuztragen ein Plan Gottes steckt, der das Unerwartete tun will: neues Leben schaffen aus unseren Trümmern. Um das zu glauben, müssen wir natürlich einen ganz übermenschlichen Sprung wagen: das Vertrauen wagen, dass Gott da ist, auch wenn wir ihn nicht sehen. Das Vertrauen, das Gott selbst aus dem völlig Toten neues Leben schaffen kann. Warum dann nicht aus unserem ein wenig angeschlagenen, ein wenig verdorbenen Leben?
Seit diesem Ostern dürfen wir es glauben, auch ohne zu sehen. Und wenn wir es wagen, dann werden auch wir mit Staunen ausrufen: Mein Herr und mein Gott! Und es wird ein wenig Scham über unseren Kleinglauben dabei sein. Aber vor allem die Freude über das Gute, das Gott uns erleben ließ. Amen.
Verfasserin: Pfrn. Felizitas Muntanjohl, Theodor-Bogner-Str. 20, 65549 Limburg/Lahn
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