Die neue Geburt
von Eugen Manser (06108 Halle)
Predigtdatum
:
02.05.2004
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Miserikordias Domini
Textstelle
:
1. Johannesbrief 5,1-4
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Wochenspruch:
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
(1. Petrus 1,3)
Psalm: 116,1-9 (EG 746)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 40,26-31
Epistel:
1. Petrus 1,3-9
Evangelium:
Johannes 20,19-29
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 279
Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren
Wochenlied:
EG 108
Mit Freuden zart
Predigtlied:
EG 374
Ich steh in meines Herren Hand
Schlusslied:
EG 116
Er ist erstanden, Halleluja
1 Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren; und wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von ihm geboren ist. 2 Daran erkennen wir, dass wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. 3 Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.
4 Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
Textvorschlag:
Jeder, der glaubt, dass Jesus der versprochene Retter ist, der ist von Gott geboren.
Und jeder, der seinen Vater liebhat, von dem er stammt, liebt auch jeden Menschen, der von seinem Vater stammt.
Daran erkennen wir, dass wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten.
Denn darin besteht die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.
Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
Liebe Gemeinde!
Diese Worte gehen an Menschen, die ihren Glauben nur „im Herzen“ tragen, bei denen er keine Hände und Füße hat: Füße, die hingehen, Hände, die zufassen. An Menschen, für die Christus eine Lichtgestalt, ein großer bewegender Gedanke ist - nicht aber der Mensch Jesus, der durch die Niederungen des Menschenlebens geht; der Jesus, der liebt und leidet, der zornig und auch oft ohnmächtig kämpft für ein Leben auf dieser Erde, wie es Gott gemeint hat. An Menschen, die Taten durch Worte ersetzen: GERECHTIGKEIT, LIEBE, GLAUBE - also auch an uns: wie oft entschuldigen wir unsere Tatenlosigkeit mit dem großen Schlusswort: „Ich habe meinen Glauben.“
Große Worte werden manchmal als Feigenblatt benutzt, um etwas zu verbergen. Was?
Lassen wir uns von Johannes weiterhelfen: „Jeder, der glaubt, dass Jesus der versprochene Retter ist, der ist von Gott geboren.“ Also an Jesus, dem Mann aus Nazareth, dem Menschen unter Menschen, hängt alles - nicht an einer geglaubt-gewünschten Lichtgestalt.
Jesus. Haben Sie sich schon einmal für ihn geschämt? Er jedenfalls muss das vorausgesehen haben; denn er hat im Evangelium davon gesprochen, dass einige sich seiner schämen werden.
Nun ist manches von dem, was er gesagt hat, auch sehr direkt, an manchen Stellen geradezu peinlich. Der eine kriegt zu hören: „Verkaufe alles, was du hast und gib’s den Armen!“ - dem anderen, der seinen Vater begraben will, wird gesagt: „Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber gehe hin und verkündige das Reich Gottes.“ Die Theologen fragten ihn nach dem himmlischen, ewigen Leben - er erzählt ihnen Alltagsgeschichten von Räubern und Gastwirten.
Aber das Wort des einfachen Jesus ist direkt. Es meint den Angesprochenen immer persönlich. Man kann seinem Wort entweder nur folgen oder traurig davongehen wie der reiche Jüngling. Dieses direkte Wort: „Du aber folge mir!“, tut auch weh. Der Abschied vom alten Leben - Johannes sagt dazu „der Abschied von der Welt“ - ist schmerzhaft. Aber das sind die Geburtsschmerzen des neuen Menschen.
Die Christen der Gemeinde, an die Johannes schreibt - ich glaube, sie stehen uns sehr nahe - empfanden den direkten Ruf des Jesus in die Nachfolge als lästig, aufdringlich, unerfüllbar. Sie stellten sich Jesus lieber vor als einen himmlischen Christus, als einen Lichtherrscher, als ein geistiges Prinzip, das die Seinen erhebt, erleuchtet, emporzieht.
Heute sagt man dazu „christliche Motive“, „religiöse Werte“, „das Erbe des christlichen Abendlandes“.
Es ist das Gleiche wie damals: Der einfache Jesus wird umgangen - ein Gedankengebäude soll sein direktes und klares Wort ersetzen.
Johannes ruft zurück zum einfachen Jesus. Er sagt: Ihr redet von Gerechtigkeit - erkennt aber auch: Wer recht tut, der ist von Gott geboren. Ihr redet von Liebe, doch wisst: Wer liebhat, der ist von Gott geboren. Ihr redet vom Glauben - doch Glaube zeigt sich im einfältigen Halten der Gebote.
Uns klingt das gesetzlich und kleinkariert in den Ohren. Wir mögen es nicht hören. Wir legen es uns anders zurecht, etwa so: Jesus ruft: Komm, folge mir nach, überwinde mit mir die Welt! Wir verstehen: Bleib - es genügt, wenn du innerlich über den Dingen der Welt stehst.
Jesus sagt: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes. Wir verstehen: Vergesst über eurer legitimen Lebenssicherung nicht, dass diese Welt nicht alles ist.
Wie ist es möglich, dass wir uns um Jesu Gebot so herumschleichen?
Bonhoeffer sagt an einer Stelle: Wo immer sonst in der Welt Anweisungen gegeben werden, sind die Verhältnisse klar. Ein Vater sagt zu seinem Kind: Geh ins Bett! So weiß das Kind wohl, woran es ist. Ein Kind nun, das so denkt wie wir, würde sich sagen: Der Vater sagt: Geh ins Bett. Er meint, du bist müde; er will nicht, dass ich müde bin. Ich kann über meine Müdigkeit auch hinwegkommen, indem ich spielen gehe. Also, der Vater sagt zwar: Geh ins Bett!, er meint aber eigentlich: Geh spielen.
Das Kind würde beim Vater auf eine unmissverständliche Sprache stoßen. Nur dem Gebot Gottes gegenüber soll das anders sein? Hier soll direktes Befolgen eng, gesetzlich, verkehrt sein?
Es ist natürlich wahr: Letzten Endes hängt gar nichts an der Tat des Menschen. Wenn Gott uns durch Jesus ruft, hat er nur ein Ziel: dass wir zum Glauben, d. h. zur Gemeinschaft mit ihm kommen. Es hängt also wirklich letzten Endes nichts an Armut und Reichtum, Ehe oder Ehelosigkeit - es hängt alles an dieser Gemeinschaft mit ihm.
Doch unter diesen Segen können wir nur kommen, wenn wir uns ganz direkt durch Gottes Gebot rufen lassen. Jesus ruft uns damit in eine Situation, in der wir ihm vertrauen lernen. Er ruft Petrus aus dem schützenden Schiff aufs Meer hinaus, damit er erfährt, dass das Vertrauen zu Jesus wirklich die so unumstößlich scheinenden Schwerkraftgesetze der Welt überwindet, dass den Glaubenden die Wellen tragen.
Wir fürchten sein Gebot, weil wir glauben, er ruft aus der Sicherheit in die Unsicherheit, und bleiben lieber im Schiff. Dabei ist es gerade umgekehrt: Er ruft uns aus der Unsicherheit unserer weltlichen Bindungen in die einzige mögliche Sicherheit seiner Gemeinschaft: der Gemeinschaft der von Gott Geborenen.
Indem wir ihm die Nachfolge verweigern, berauben wir uns der Möglichkeit, die Kraft des Glaubens zu erleben. Wir argumentieren lieber wie das Kind, das zu Bett gehen soll.
Die Müdigkeit und Resignation würde von unseren Gemeinden mit einem Mal abfallen, wenn unser Glaube wieder Hände und Füße bekäme. Wenn wir „Glaube“ nicht ansähen als nur etwas Innerliches, eine Zugabe, die der eine hat, der andere nicht, sondern als die ungeheure Kraft, die uns zuwächst, wenn wir gegen alle weltliche Vernunft heraustreten aus dem Schiff aufs Meer, dorthin wo der Mann aus Nazareth uns ruft. Dann könnten wir einander staunend erzählen, wie das Meer trägt.
Er ruft uns öfter in solche Situationen. An uns ist es, etwas daraus zu machen. Aus dieser Verantwortung kann uns keiner entlassen.
Ich zitiere noch einmal zwei Sätze von Bonhoeffer, die in gleicher Weise wahr sind:
„Nur der Glaubende ist gehorsam; und nur der Gehorsame glaubt.“
Hören und Folgen. Dazu hat jede und jeder die Freiheit, denn: Seine Gebote sind nicht schwer.
Wäre das nicht schön, in einem Inserat einmal die eigene Wiedergeburt bekannt geben zu können?:
„Mit Freude gebe ich meine Neugeburt bekannt, die Geburt des Glaubens und der Liebe, mit Gott als Vater und Jesus als Bruder. Es war keine leichte Geburt. Doch als mir die Gebote leicht wurden, bin ich der niederziehenden Schwerkraft entronnen; denn Gott hat geholfen; nicht vor dem Tod hat er gerettet, aber durch den Tod hindurch. Er lebt, und ich kann auch leben. Feiert mit mir das Fest der Neugeburt!“
Amen.
Verfasser: Superintendent Eugen Manser, Mittelstr. 14/15 06108 Halle
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