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Die neue Geburt

von Oliver Albrecht (65527 Niedernhausen)

Predigtdatum : 07.04.2002
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Ostermontag
Textstelle : Jesaja 40,26-31
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Wochenspruch:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
(1. Petrus 1,3)

Psalm: 116,1-9 (EG 746)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 40,26-31
Epistel:
1. Petrus 1,3-9
Evangelium:
Johannes 20,19-29

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 162
Gott Lob, der Sonntag kommt herbei
Wochenlied:
EG 102
Jesus Christus, unser Heiland, der den Tod überwand
Predigtlied:
EG 326
Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut
Schlusslied:
EG 116
Er ist erstanden, Halleluja

Liebe Gemeinde,
der Bibeltext, der uns heute (weiter)helfen soll, zu verstehen, was Hingabe und Konzentration sind, steht bei Jesaja im 40. Kapitel. Da spricht der Prophet:
26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. 27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber«?
28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. 29 Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. 30 Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; 31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.
Was haben Sie gehört, als ich diesen Jesaja-Text vorgelesen habe? Ist Ihnen etwas aufgefallen, ist etwas hängen geblieben, ein Gedanke vielleicht?
Womöglich der Anfang des Textes: „Mein Gott, die Kraft ist raus. Ich hänge durch, und Du kümmerst Dich überhaupt nicht? Wo lebst Du eigentlich, Du Gott?“
Oder in der Mitte, die etwas überraschende Antwort: Gott ist überall, in allen Dingen. Denn er hat sie erschaffen.
Und ganz am Schluss die Folgerung: In allen Dingen musst du vertrauen, wenn du Gott spüren willst, in allen Lebensbereichen dich ihm öffnen, wenn du etwas von seiner Kraft merken willst.
Kraftlose, müde Menschen also, die nicht an Gottes Kraft rankommen, weil sie nicht dort suchen, wo sie zu finden wäre. Und die Antwort Gottes: Das, was ihr sucht, ist viel näher, als ihr dachtet.
Eine Geschichte dazu: Petterson, ein alter Mann, und Findus, sein Kater, die heute fast allen Kindern als Hauptfiguren einer Kinderbuchreihe aus Schweden bekannt sind, geraten auf dem Heimweg nach einem winterlichen Ausflug in einen entsetzlichen Schneesturm. Sie sehen bald die Hand vor Augen nicht mehr, geschweige denn den Weg. Allmählich müssen sie sich eingestehen, dass sie sich hoffnungslos verlaufen haben. Es dämmert, wird dunkel. Die vorgespielte Heiterkeit weicht allmählich der Verzweiflung. Es geht nicht mehr weiter.
Als Notunterkunft bauen sie ein Iglu, zünden eine mitgebrachte Laterne an und kauern sich in der Kälte ganz dicht zusammen. Sie kämpfen gegen das Einschlafen, das den sicheren Tod bedeuten würde. Doch irgendwann erlischt die Lampe, und sie verlieren den Kampf gegen die Müdigkeit.-
Doch die Geschichte geht gut aus: Um Mitternacht werden sie, halb erfroren, von einem Freund gefunden. Das Iglu hatten sie, ohne es zu wissen, in ihrem eigenen Garten aufgebaut, nur wenige Meter vom rettenden Haus entfernt.
„Das, was ihr sucht, ist viel näher, als ihr dachtet.“ Ich finde mich in dieser Geschichte wieder: Müde und erschöpft baue ich mit letzter Kraft an eigenen Rettungssystemen und -versuchen, nicht ahnend, wie nahe die wirkliche Rettung ist.
So will ich versuchen, den Hinweis von Jesaja zu verstehen. „Du musst einmal richtig die Augen aufmachen“, sagt er, „sieh, dass Gott, der Schöpfer, in allen Dingen drinsteckt, dir überall begegnen will.“
Moment, denke ich - und Sie vielleicht auch -, Gott, der Schöpfer der Welt, das hatten wir doch abgehakt, das glaubt doch kein Mensch mehr. Der Hokuspokus mit den sieben Tagen, Adam und Eva und dem Paradies, das ist doch wissenschaftlich überhaupt nicht haltbar.
„Stimmt“, würde Jesaja sagen, „das haben wir Bibelschreiber aber auch gar nicht gemeint, dazu waren wir damals schon wissenschaftlich genug gebildet. Wir wollten etwas ganz anderes sagen: Wie auch immer die Welt entstanden ist und täglich neu entsteht, wie auch immer - denn die gegenwärtige Hypothese wird nicht die letzte sein - , in all diesen Strukturen und Vorgängen steckt Gott mit drin.“
„Ja, aber“, entgegne ich, „ich kann doch all diese Strukturen und Vorgänge auch ohne Gott erklären, er ist doch gar nicht nachweisbar.“
„Doch“, sagt Jesaja, „Gott ist in all diesen Dingen nachweisbar. Er ist, wenn du es wissenschaftlich ausdrücken willst, die Komponente, die Kraft in allen Dingen, die will, dass es gut ausgeht mit dieser Erde und diesen Menschen. Und das kannst du sehen, wenn du es willst. Du kannst sogar ein Teil dieser Kraft werden, Anteil an dieser Kraft bekommen.“
Liebe Gemeinde, Jesaja hat Recht: In dieser Welt wirken zwei Kräfte. Und wenn ich diese Welt sage, meine ich sowohl die Weltpolitik wie Ihre Familie. Die Kraft der Eigengesetzlichkeit, des Egoismus und der Vergeltung. Wenn Gott den Dingen ihren Lauf ließe, würde sich nur noch der Stärkere und Gerissenere durchsetzen. Wie gesagt: Auch in der Ehe.
Schöpfung, dass Gott die Erde geschaffen hat, ist also nicht Hokuspokus oder Märchenstunde, sondern Überlebensfrage der Menschheit. Schöpfung ist die Struktur der Liebe, die große andere Kraft, die Sie in allen Dingen erkennen können, wenn Sie mit den richtigen Augen schauen.
In allen Dingen - und damit wären wir wieder beim Iglu von Petterson und Findus. Denn Gottes Schöpfungshandeln findet vor Ihrer Haustür statt, seine Liebesstruktur durchzieht wie ein Netz Ihren Alltag. Genau: Wenn Sie sagen: „Gott ist mein Schöpfer“, so heißt das: „Seine Liebe ist wie ein Muster, wie eine Struktur in meinen Alltag verwoben.“
Sie kennen vielleicht aus dem Physikunterricht in der Schule das Experiment mit den Eisenspänen. Sie liegen kreuz und quer, vollkommen durcheinander, auf einer dünnen Pappe. Halten Sie aber einen Magneten darunter, bekommen Sie wie durch eine unsichtbare Hand geordnet ein Muster, eine Struktur.
So handelt Gott in unserer Welt, in unserem Leben: Seine Kraft lässt aus dem Chaos Schönheit und Ordnung entstehen; dort, wo wir es zulassen. Dort, wo wir Gott unseren Schöpfer sein lassen.
Machen Sie es wie Petterson: Fangen Sie vor Ihrer Haustür, besser noch in Ihrem Haus, damit an, die Dinge auf Gott hin zu ordnen. Machen Sie es wie bei einem Umzug: Nehmen Sie Stück für Stück in die Hand, gehen Sie jeden Ihrer Lebensbereiche durch: Was wäre, wenn auch dort etwas von Gottes Liebe und Kraft zu spüren wäre?
Was Sie suchen, ist viel näher, als Sie denken. Wo soll denn Gott für Sie da sein, wenn nicht in Ihrem Alltag? Was wäre das für ein Gott, der zu Ihnen sagt: „Du kannst mich am Sonntag in der Kirche treffen, aber mit Deiner Ehe, Deinem Beruf, Deinem Geld, Deinen Kindern will ich nichts zu tun haben“?
Wer sich nicht verzetteln will, der muss unterscheiden zwischen dem, was wichtig ist, und dem, was sich wichtig macht. Merkwürdig, dass wir Menschen oft nur in Extremsituationen noch ein Gespür dafür haben, was wichtig ist. Am Sterbebett eines lieben Menschen weiß man das auf einmal wieder, was wichtig war. Oder schlimmer: was wichtig gewesen wäre. Mit einem Kind auf dem Arm ahnt man es: was jetzt wichtig sein wird. Und vergisst es so schnell wieder.
Wie lernt man es, wie behält man es? Durch Achtsamkeit auf alles, was lebt. Durch Konzentration auf die Liebe. Durch Hingabe an Gott. Hingabe erschließt die Kraft für Sie, die Gott in die Welt gelegt hat, jederzeit. Merken Sie sich diesen Satz. Ohne Hingabe kommen Sie nicht daran. Wie geht das? Morgens aufstehen und sagen: Diesen Tag nehme ich aus Deiner Hand. Abends schlafen gehen und sagen: Diesen Tag lege ich zurück in Deine Hand. Und zwischen Aufstehen und Schlafengehen da sein, achtsam und konzentriert, was zwischen den Zeilen gesagt und verschwiegen wird, wo und wie Gottes Strukturen sichtbar werden können. Nicht ewig warten, dass in Ihrem Leben mal etwas Besonderes geschieht, sondern in jedem Moment das Schöne und Große erahnen.
Hingabe erschließt die Kraft, die Gott in die Welt gelegt hat. Und Sie ahnen nicht, in wie viele Momente Ihres Lebens Gott für Sie etwas bereit gelegt hat. Und wie viel Ihnen entgeht, weil Sie sich zu vielen Reizen aussetzen, den Moment jetzt nicht auskosten, diese eine Situation oder Begegnung. So zu leben macht überreizt, unkonzentriert, unachtsam.
In einer Zeit, die alles auf die Spitze treibt, in der die Menschen chronisch überreizt sind, erwarten wir von Gott, dass er noch größer, noch lustiger ist als alles, was uns sonst geboten wird, das Mega-Ereignis schlechthin. Und wir sind blind für das, was vor Augen liegt.
Hingabe heißt erkannt haben, worauf es ankommt. Sich-Hingeben an eine Sache ist das Gegenteil von sich-Verlieren in den vielen Möglichkeiten. Wenn Sie sich hingeben, wird man erkennen, wofür Sie stehen.
Ich sehne mich nach Menschen, von denen ich weiß, wofür sie stehen. Von den meisten weiß ich es nicht. Sie sind nett, oder sie sind nicht nett. Aber ich weiß nicht, was ich von ihnen denken soll, noch nicht einmal, was ich ihnen wünschen könnte (außer Reichtum und Gesundheit).
Christ sein heißt zu wissen, wofür sich Hingabe lohnt. Es heißt, sich Ziele zu stecken, die über die eigenen Interessen hinausgehen. Kennen Sie Menschen mit solchen Zielen? Haben Sie schon einmal die Ausstrahlung, die Kraft und Wärme gespürt, die von solchen Menschen ausgeht? Ich bin gerne in der Gegenwart solcher Menschen, hier in der Gemeinde und anderswo, spüre gerne die Ausstrahlung, die Kraft, die von ihnen ausgeht, versuche selbst, ein solcher Mensch zu werden. Hingabe motiviert, steckt an, bringt uns zusammen in Bewegung. Es ist die Kraft Gottes, die wir bei diesen Menschen spüren.
Ohne Hingabe drehen wir uns im Kreis und fragen: „Warum eigentlich?“ Fängt einer an mit der Hingabe, kommen wir einen Schritt weiter und fragen: „Warum eigentlich nicht?“
Eine persönliche Bemerkung und ein Gedicht zum Schluss. Meine große Motivation im Zusammenhang mit dem Gemeindeaufbauverein liegt genau darin: Für die Menschen in dieser Gemeinde die Kraft zu erschließen, die Gott in diese Welt gelegt hat. Es muss einen Punkt, einen Menschen in unserer Gemeinde geben, bei dem es ausschließlich darum geht. Ein Ort, wo in uns etwas in Bewegung kommt, wo wir durch Seelsorge, Gebet, Gespräch, auch durch Hilfe und Beratung wirklich auch zur Veränderung und Befreiung kommen.
Das Geheimnis dabei ist: Es geht nicht um weitere Aktion und Anstrengung, sozusagen darum, mit letzter Kraft ein Iglu zu bauen. Es geht im Gegenteil darum zu entdecken, wie nahe die Rettung, wie nahe Gott uns schon gekommen ist.
Das wird lebensnotwendig sein.
„Die Erde ist voller Himmel
und jeder gewöhnliche Busch steht mit Gott in Flammen.
Aber nur wer sieht, zieht seine Schuhe aus.
Die anderen sitzen drum herum und pflücken Blaubeeren.“
Amen.

Verfasser: Pfr. Oliver Albrecht, Fritz-Gontermann-Str. 4, 65527 Niedernhausen

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