Die neue Geburt
von Gerrit Boomgaarden (61191 Rosbach)
Predigtdatum
:
22.04.2001
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Ostermontag
Textstelle
:
Markus 16,9-14.(15-20)
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Wochenspruch:
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
(1. Petrus 1,3)
Psalm: 116,1-9 (EG 746)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 40,26-31
Epistel:
1. Petrus 1,3-9
Evangelium:
Johannes 20,19-29
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 162
Gott Lob, der Sonntag kommt herbei
Wochenlied:
EG 102
Jesus Christus, unser Heiland, der den Tod überwand
Predigtlied:
EG 116
Er ist erstanden, Halleluja
Schlusslied:
EG 325
Sollt ich meinem Gott nicht singen
9 Als Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. 10 Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. 11 Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. 12 Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. 13 Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht.
14 Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen.
[15 Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. 16 Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. 17 Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: in meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, 18 Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird's ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen werden.
19 Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. 20 Sie aber zogen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen.]
Liebe Gemeinde!
„Wenn ich das jemand erzähle, dann wird mir das keiner glauben! Die werden mich für verrückt halten und werden sagen: Du bist total übergeschnappt!“ Kennen Sie diese Sätze? Bestimmt, denn Sie werden sie so oder so ähnlich auch schon einmal gesagt haben. Da haben Sie ein ganz besonderes Erlebnis gehabt, das einfach unglaublich war:
Sie haben z.B. einen Traumjob bekommen. Sie haben einen schweren Test mit einem guten Ergebnis bestanden, das Ihnen vorher keiner zugetraut hätte. Ihnen ist im Urlaub etwas ganz besonderes passiert. Sie sind irgendeinem Prominenten begegnet, so rein zufällig, vielleicht mitten auf der Straße und Sie waren völlig ahnungslos, dass dieser Mensch auf einmal vor ihnen steht würde. Sie hatten ein ehrfurchtsvolles Gefühl. Vielleicht haben Sie eine Gänsehaut gekriegt oder es ist Ihnen ein Schauer über den Rücken gelaufen. Ein unglaubliches Erlebnis.
Sie waren zunächst sprachlos, weil sie das nie erwartet hätten. Und dann dieser Satz: „Wenn ich das jemand erzähle, dann wird mir das keiner glauben! Die werden mich für verrückt, für total übergeschnappt halten!“ Und Sie beginnen zu überlegen: Wie kann ich das jemand erzählen, so, dass er es mir glaubt? Soll ich es in Häppchen servieren, damit es nicht zu viel auf einmal ist?
Und dann erzählen Sie jemand von ihrem besonderen Erlebnis, und es passiert genau das, was Sie erwartet hatten. „Also, jetzt bleib mal auf dem Teppich!“ oder „Erzähl mir doch kein Märchen!“ oder „Das glaube ich Dir nicht.“ oder „Mit so etwas brauchst Du mir nicht zu kommen.“ oder „Das kannst du jemand anderem erzählen, aber nicht mir.“ oder „Jetzt bleib mal auf dem Teppich!“ oder „Ich glaube das nur, wenn ich das auch selbst sehe“.
Das waren die Reaktionen, und Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als dass man Ihnen glaubt und sich mit Ihnen freut. Und dann diese Ablehnung. Ihr Herz ist voll, Ihr Mund fließt über und keiner will es hören, es Ihnen glauben und sich mit Ihnen freuen. Sie sind fertig, enttäuscht und auch ein bisschen verzweifelt. Ihre Zuhörer sind nicht bereit, für etwas Besonderes, für etwas Einmaliges, für etwas Neues offen zu sein. Sie haben ihre eingefahrenen Gleise, ihr Koordinatensystem, in das Neues keinen Platz hat, in dem Neues nicht vorgesehen ist.
So ähnlich ergeht es auch den ersten Zeugen des auferstanden Jesus. Da begegnet ihnen auf einmal der, den sie für tot hielten. Er war doch bereits in ein Grab gelegt worden und ein großer Stein war davor gerollt worden. Es war das Ende aller Hoffnungen, die sie in diesen Jesus gesetzt hatten. Sie waren traurig, fassungslos darüber, dass Jesus am Kreuz starb und sie wussten nicht, wie es weitergehen würde. Und dann geschieht das völlig Überraschende, das Unglaubliche, das Unfassbare, das ihr bisheriges Koordinatensystem sprengende Ereignis: Der vermeintlich tote Jesus begegnet ihnen als der Lebendige, als der Auferstandene!
Nach der ersten Fassungslosigkeit und Sprachlosigkeit ist alle Trauer verflogen. Die Freude ergreift sie und macht ihnen Beine, denn sie müssen das ja auf jeden Fall den anderen erzählen, die zuhause sitzen und Trübsal blasen. Das Herz ist voll und der Mund geht über. So ist es bei Maria von Magdala, die früh morgen zum Grab aufbricht, um den Leichnam Jesu einzusalben. Der Stein ist weg und zunächst denkt sie, der Leichnam Jesu sie gestohlen worden. Aber dann begegnet ihr der auferstandene Jesus am Grab, nennt ihren Namen und redet mir ihr. Er gibt ihr den Auftrag, den anderen von seiner Auferstehung zu berichten. Und sie rennt zu ihnen, die traurig dasitzen und nicht wissen, wie es weitergehen soll und erzählt, was sie erlebt hat.
Und was passiert? Im Text heißt es lapidar: Sie glaubten ihr nicht. Ich kann mir vorstellen, wie Maria immer wieder von Neuem erzählt hat, andere Worte gesucht hat, um den Jüngern klar zu machen, was passiert ist. Und die werden gesagt haben: Lass die mal reden. Die spinnt. Die ist etwas überdreht. Das ist ja nur eine Frau. Maria wurde einfach links liegen gelassen. Keiner glaubte, dass sie dem lebendigen Jesus Christus begegnet war. Es passte einfach nicht in ihr Koordinatensystem. Was nicht sein kann, das nicht sein darf.
Ebenso ergeht es den beiden Jüngern, die unterwegs nach Emmaus sind. Traurig sind sie, schweigend gehen sie nebeneinander, bis sich ein Dritter zu ihnen gesellt. Mit ihm kommen sie ins Gespräch, aber vor lauter rückwärtsgewandten Gedanken erkennen sie in diesem Mann den auferstandene Jesus nicht. Erst als sie in ein Gasthaus einkehren und gemeinsam essen, erkennen sie ihn, als er das Brot bricht, so wie er es vorher bei ihren gemeinsamen Mahlzeiten auch getan hatte.
Und auch diese beiden Jünger nehmen die Beine in die Hand und rennen nach Hause. Sie erzählen den daheim Gebliebenen, dass Jesus auferstanden ist und lebt. Sie berichten von ihrer Begegnung mit ihm. Ihre Worte werden nur so hervorgesprudelt sein. Und was passiert? In unserem Text heißt es wie schon vorher: Sie glaubten ihnen nicht. Warum auch? Es passt einfach nicht in ihr Koordinatensystem. Was nicht sein kann, das nicht sein darf.
Aber geben wir doch zu: Warum sollten die Daheimgebliebenen denn das glauben? Es gibt gar keinen Grund, denn die Nachricht ist ja so unglaublich, dass man sie nur für eine Spinnerei halten kann. Wie kann einer vom Tod auferstehen und wieder lebendig werden? Und wenn Maria und die beiden Jünger unter den Daheimgebliebenen gewesen wären, und andere hätten ihnen etwas von der Begegnung mit dem lebendigen auferstandenen Christus erzählt, dann hätten sie es doch höchstwahrscheinlich auch nicht geglaubt. Denn, was nicht sein kann, das nicht sein darf.
Wir alle haben unser festes Koordinatensystem, innerhalb dessen etwas möglich sein kann und innerhalb dessen wir etwas glauben. Alles, was darüber hinausgeht, stellen wir zunächst einmal in Frage.
Dieses Koordinatensystem hatten auch die Maria und die beiden Jünger, bevor ihnen der Auferstandene begegnete. Für sie und für uns gilt es gleichermaßen: die Begegnung mit dem auferstandenen Christus sprengt unser Vorstellungsvermögen, egal ob es Menschen vor 2000 Jahren waren oder ob es Menschen von heute sind, die dem lebendigen Christus begegnen. Denn wenn Jesus auferstanden ist und lebt, dann muss er auch heute erfahrbar, erlebbar und spürbar sein, wenn auch anders als damals.
Das kann in einer ganz normalen Alltagssituation sein, das kann in einem Gottesdienst sein, das kann in einer besonderen Grenzsituation sein, das kann sein, wenn man in der Bibel liest, das kann sein, wenn man betet. Der lebendige Jesus begegnet einem immer wieder überraschend. Menschen, die diese Erfahrung gemacht haben, möchten das einfach weitererzählen, weil es eine frohmachende, eine mutmachende und eine Hoffnung stiftende Erfahrung ist. Und wenn uns jemand davon erzählt, dann dürfen wir uns mit ihnen freuen und Gott dafür danken.
Um eine solche Erfahrung zu machen oder um anderen diese Erfahrung zu glauben, müssen wir unser Koordinatensystem verändern. Wir müssen beim Denken und Verstehen unseren Horizont erweitern und damit rechnen, dass Jesus heute erfahrbar ist. Als Christinnen und Christen glauben wir doch an den Jesus, der auferstanden ist, lebt und heute mitten unter uns ist. Das Geschehen an Ostern ist doch die Grundlage unseres Glaubens. Ostern fordert uns heraus, offen zu sein für Jesus Christus, offen zu sein für Erfahrungen mit ihm. Es fordert uns heraus, Jesus zuzutrauen, dass uns begegnen kann. Lassen sie uns erwarten, dass Jesus, der lebendige Herr, uns begegnet!
Jesus ist immer für Überraschungen gut. Er ist nicht berechenbar. Er zeigt sich dann, wenn es keiner erwartet. Denn er begegnet gerade den Jüngern, deren Horizont so eng war, die zweifelten, die sich nichts Neues mehr vorstellen konnten, die traurig und ratlos waren, die überhaupt nicht mit Jesus rechneten, die weder der Maria noch den beiden Emmaus-Jüngern glaubten. Gerade zu denen kommt er, gerade in diese Situation begibt er sich hinein. Ihnen zeigt er sich, ihnen begegnet er.
Er schimpft mit ihnen, dass sie weder Maria noch den beiden Emmaus-Jüngern glaubten. Er hält ihnen ihren Kleinglauben vor. Warum glaubt ihr nicht, was ich euch schon vorher gesagt habe, dass ich nämlich auferstehen werde? Warum traut ihr mir nicht zu, dass ich euch begegnen kann? Warum ist euer Horizont so klein und so begrenzt? Warum ist euer Koordinatensystem so eng?
Ich weiß nicht, in welcher Situation Sie sich gerade befinden. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie diesen Jüngern, dass Sie nicht weiterwissen, dass Sie traurig und mutlos sind, dass Sie keine Perspektive mehr haben, dass ihr Horizont klein geworden ist. Seit Ostern dürfen Sie gewiss sein: Jesus ist nicht fern von Ihnen. Er ist Ihnen näher als Sie denken. Seien Sie offen für ihn, trauen Sie ihm zu, dass er Ihnen inmitten Ihrer Situation begegnen und sie verändern kann. Lassen Sie uns bei allem Kleinglauben, den wir immer wieder haben, darum bitten. Gott schenke uns keinen großen Glauben an Gott, sondern den Glauben an einen großen Gott, der uns in Jesus Christus begegnet. Ich wünsche Ihnen diese frohmachende, mutmachende und Hoffnung stiftende Erfahrung.
Amen.
Verfasser: Pfr. Gerrit Boomgaarden, Opelgasse 2, 64846 Groß-Zimmern
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