Die neue Schöpfung
von Gabriele Melk (63329 Egelsbach)
Predigtdatum
:
06.05.2001
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Miserikordias Domini
Textstelle
:
1. Mose 1,1-4a.26-31;2,1-4a
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Wochenspruch:
Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
(2. Korinther 5,17)
Psalm: 66,1-9 oder 118,14-24 (EG 747)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 1,1-4a.26-31; 2,1-4a
Epistel:
1. Johannes 5,1-4
Evangelium:
Johannes 15,1-8
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 324
Ich singe dir mit Herz und Mund
Wochenlied:
EG 108
Mit Freuden zart zu dieser Fahrt
Predigtlied:
EG 326
Ich singe Dir mit Herz und Mund
Schlusslied:
EG 503
Geh aus, mein Herz, und such Freud
Hinführung:
Diese Erde ist Gottes Schöpfung. Er hat sie uns in einem guten Zustand übergeben, und wir – als seine besonderen Geschöpfe – haben dafür die Verantwortung. Diese Verantwortung ist konkret: Gerade heute, wo das Klima immer extremer wird, wo jährlich tausend Arten unwiderruflich ausgerottet werden, müssen wir als Christen und Christinnen aufstehen und gegen den Trend handeln. Wir müssen politisch Stellung beziehen und mit allen Mitteln, die wir zur Verfügung haben, Einhalt gebieten. Sei es bei der Genmanipulation oder beim Flughafenausbau. Stillstand sei Rückschritt ist ein weitverbreiteter Irrtum. Die Kraft dazu bekommen wir aus dem Wissen, dass wir von Gott nicht nur gemacht sondern auch geliebt werden. Er stärkt uns den Rücken für unser Leben.
Liebe Gemeinde,
den für heute vorgeschlagenen Bibeltext werden viele von Ihnen kennen. Er steht ganz am Anfang unserer Bibel:
1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. 3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
4 Und Gott sah, dass das Licht gut war.
26 Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. 27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. 28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
29 Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. 30 Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so.
31 Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. 2,1 So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.
2 Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. 3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte. 4 So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.
Im hebräischen Original beginnt das erste Buch der Heiligen Schrift so:
„Be Reshith bara Elohim et ha Shamajim v’et ha Arez, v’ha Arez haj tah tohu vabohu...“
Und sicher haben Sie ein Wort verstanden: Tohuwabohu. Wir benutzen dieses „Tohuwabohu“, wenn wir ein Durcheinander beschreiben wollen, das durch nichts zu überbieten ist. Tohuwabohu ist sozusagen die chaotischste Form der Unordnung.
Luther übersetzte diese Tohuwabohu mit „wüst und leer“. Ein großes Durcheinander stand am Anfang. Und langsam, wie beim Entwirren von Fäden, beginnt Gott, dieses Chaos zu ordnen. Als erstes macht er – um es salopp zu sagen – Licht. Und in diesem Licht Gottes ordnet Gott Schritt für Schritt die Welt. Und eigentlich so, wie es uns die Evolutionsgeschichte lehrt: Das Meer entsteht, Fische und Vögel besiedeln die Erde, Pflanzen, Säugetiere. Allen gibt er den Auftrag, sich zu vermehren. Die Biologie nennt das den Arterhaltungstrieb. Für diesen Überlebenstrieb gibt es viele Beispiele, ich will nur eines nennen: Vor einem kalten Winter haben die Bäume mehr Samen, damit immer ein Teil überleben kann.
Die Erde wird so geschaffen, dass sie existieren kann. In Amerika wurde ein großes Experiment durchgeführt. Mitten in der Wüste wurde eine Biosphäre, also ein Lebensraum, gebaut. Biosphäre Zwei war der Name, denn die Nummer Eins ist unser Lebensraum, die Erde. Es sollte erprobt werden, wie zum Beispiel eine Raumstation ohne künstliche Luftzufuhr funktionieren könnte.
Eigentlich wurde an alles gedacht, und doch musste das Experiment nach einigen Monaten abgebrochen werden. Die Bäume verloren die Blätter, Tiere starben, und die Menschen litten unter entsetzlichen Kopfschmerzen. Dieses Experiment zeigt uns unter anderem, wie vielfältig unsere Erde ist. Irgendetwas war übersehen worden, vergessen worden, was zum Überleben wichtig ist. Aber was?
Jedes Lebewesen auf dieser Erde hat seine Aufgabe. Jedes Lebewesen sichert einem anderen Lebewesen das Überleben! Und ähnlich dem Experiment der Biosphäre Zwei haben wir keine Ahnung, welche Tier- und Pflanzenarten letztlich für unser Überleben wichtig sind.
In der gesamten Menschheitsgeschichte verschwanden die meisten Tier- und Pflanzenarten in den letzten 300 Jahren. Davon starben die meisten in den vergangenen 50 Jahren aus, davon die meisten in den letzten 10 Jahren: So vernichten wir jedes Jahr mehr als eintausend Tier- und Pflanzenarten, rechnet der Zoologe Carwardine uns vor. Manche Tiere starben aus, weil wir Menschen sie aus Freude an der Jagd getötet haben, andere aus Habgier, und wieder andere aus Unwissenheit und Angst. Der Großteil jedoch, weil wir ohne Rücksicht auf Verluste den Lebensraum dieser Tiere und Pflanzen vernichten.
Und an dieser Stelle wird unsere Bibel politisch. Wir sollen herrschen über die Tiere und Pflanzen. Herrschen nicht in der schlechten Tradition von rücksichtslosen Diktatoren, sondern herrschen im Geiste Gottes. So, wie es uns Jesus später vorgemacht hat. Demütig und in Liebe. „Wir sind ein Gast auf Erden“ heißt es in einem Kirchenlied. Und die Umweltbewegung fasst es so zusammen: Wir haben die Erde nur geliehen. Ein guter Herrscher zerstört sein Land nicht, er pflegt es. Gott gab uns Tiere, die sich vermehren, und Pflanzen, die Samen bringen.
Wer von Ihnen einen Garten hat, kennt das Problem. Immer schon wurde von der Ernte ein kleiner Teil zur Seite gelegt, für die nächste Saat. Die Bauern taten es im Großen mit Getreide, die Hobbygärtner und Gärtnerinnen taten es im Kleinen: Ein paar Gurkensamen, ein paar Bohnen. Das ging schon immer so, und das war gut.
Mit dem Beginn der Genforschung und Manipulation stiegen plötzlich die vor sich hin dümpelnden Aktienkurse für Saatgutfirmen. Neben all den Segnungen, die uns die Genforschung verspricht, gab es vor allen einen Geld-Segen für die Wirtschaft. Saatgut konnte mit einem Mal so „hergestellt“ werden, dass es sich nicht mehr vermehren lies! Statt ein paar Säcke zur Seite zu stellen, würden die Bauern neues Saatgut kaufen müssen. Um dieses Saatgut überhaupt „produzieren“ zu können, musste es mit Antibiotika behandelt werden.
Antibiotikum, das Wundermittel dieses Jahrhunderts, hatte bis dahin in erster Linie Menschenleben retten sollen. Nun wird es – aus reiner Gewinnsucht – eingesetzt. Mit der fatalen Folge, dass es über die Nahrungskette zum Beispiel in unsere Milch oder unser Fleisch gelangt. Waren Antibiotika bis vor einigen Jahren der Segen der Medizin, so gibt es heute immer mehr Menschen, bei denen sie nicht mehr wirken. Harmlose Operationen können nicht mehr durchgeführt werden, da wir durch unsere Ernährung im Laufe der Zeit immunisiert wurden.
Das hat Gott nicht gemeint, als er sagte, wir sollen uns die Erde untertan machen. Und hier sind wir als Christinnen und Christen gefordert, entschieden Nein zu sagen gegen solche Zerstörung unseres Lebensraumes. Jede Art von Manipulation am Erbgut von Leben ist ein nicht wieder gutzumachendes Experiment. Massive Eingriffe der Menschen in die Natur haben sich nur allzu oft als Flop herausgestellt.
Der als Segen für Ägypten gepriesene Assuan-Staudamm verhinderte die Überschwemmung durch den Nil und erzeugte Strom für das ganze Land. Mit dem Hochwasser blieb aber auch der Schlamm aus, der die Felder überhaupt erst fruchtbar machte. In einem afrikanischen See wurden Fische ausgesetzt, um den Hunger zu bekämpfen. Die Menschen hatten nun Fisch zu essen, doch mussten sie ihn lange kochen und begannen, die Bäume für Brennholz abzuschlagen. Jeder Eingriff endete in einem Teufelskreis. Und es ließen sich noch mehr Beispiele nennen. Der Riesen-Staudamm in China, von dem niemand weiß, wie er das Klima verändern wird, oder auch die Begradigung von Flüssen hier in Deutschland, die in den letzten Jahr zu diesen katastrophalen Hochwassern führten!
Es ist höchste Zeit, dass wir akzeptieren, dass Gott diese Erde gut gemacht hat, dass wir beginnen, mit der Natur zu leben und nicht gegen sie.
Gott nahm sich einen ganzen Tag, um die Menschen zu schaffen. Nicht wörtlich, denn in der Bibel heißt es auch: Für Gott sind tausend Jahre wie ein Tag. Hier weicht die Schöpfungsgeschichte vom derzeitigen Stand der Wissenschaft ab, hier entwickelt sich keine neue Rasse aus einem Affen. Kennen Sie den Spruch: Warum sind die Affen denn dann noch Affen und keine Menschen geworden? Waren die böse oder was war?
Ich weiß es nicht, und es gibt wohl auch niemanden, der es weiß. Wir Christen und Christinnen haben den Glauben, dass hier Gott seine Hände nicht nur im Spiel hatte, sondern dass wir von ihm gemachte Menschen sind. Es heißt: Gott sprach: Lasst uns Menschen machen. Wir begegnen einem großen Schöpfer, Gott genannt. Im Hebräischen Urtext wird er einmal „Jahwe“ und einmal „Elohim“ genannt. Die Endung „im“ ist im Hebräischen immer die Endung für die Mehrzahl. Es ist also nur korrekt, dass Gott, also Elohim, von sich in der Mehrzahl spricht. Die Bibelforschung hat hierzu mehrere Theorien, die ich hier nicht aufführen kann und will, denn wichtig ist, dass hier die Wurzel unseres Glaubens an Gott liegt. Der bekannten Rabbiner Ramban sagte: „Es besteht eine große Notwendigkeit, die Thora, also die ersten fünf Bücher der Bibel, mit der Schöpfungsgeschichte zu beginnen, denn sie ist die Wurzel unseres Glaubens an Gott.“
Hier endet unsere Frage nach dem Sinn des Lebens. Wir sind geschaffen worden. Wir sind Gottes Vorstellung. Aus diesem Wissen heraus können wir leben. Ich bin ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu! Ich und Sie, wir alle dürfen vor diesem Hintergrund leben. Christen und Christinnen haben einen Rückhalt, sie haben den Rücken frei!
Wenn wir ja sagen zu dem Gedanken, dass Gott uns gemacht hat und zwar nach seinen Vorstellungen, dann dürfen wir uns als seine Kinder sehen, in seiner Schöpfung. Jetzt im Frühling erleben wir ein Stück dieser Schöpfungsgeschichte mit. Die Tage werden länger, die Sonne gewinnt an Kraft, und der Wald legt sich sein Sommerkleid an. In den Gärten beginnt es zu blühen und an manchen Tagen ist die Luft so klar und schön! Und siehe, alles ist gut! In solch einem Moment kann sich dann für einen kleinen Augenblick das Gefühl breit machen, alles ist gut. Ganz einfach gut. Und wir atmen mit der klaren Luft etwas von Gottes gutem Geist.
Leider hält dieses Gefühl meist nicht lange an. Ein besonders lautes Auto fährt vorbei, oder ein Flugzeug fliegt über uns hinweg.
Dann werden wir unsanft wieder in die Gegenwart zurück geholt, Fragen kommen wieder: Kann das sein, was in der Bibel steht? Wie soll das vor sich gegangen sein? Ich weiß es nicht, aber ich weiß durch die Auferstehung der Natur, durch mein Leben, dass es eine gute Kraft gibt, die Macht hat. Wir nennen diese Kraft Gott, und sie zieht sich durch unsere Leben wie ein roter Faden. Und ich weiß, dass dieser Gott nicht will, dass ich meine Fragen verdränge. Wäre Gott so klein und zerbrechlich, dass ich mit meinem menschlichen Verstand ihn zu Tode denken könnte, er hätte den Titel nicht verdient.
Und ich weiß, dass die Bibel auch heute noch aktuell ist. Wir haben gehört, dass Gott den Pflanzen Samen gab, und wir hörten, dass alles gut war. Wir lesen, dass Gott am siebten Tage ruhte, dass er ihn heiligte, den Feiertag, uns zum Zeichen und als Geschenk. Ein freier Tag in der Woche, ein Geschenk, dass wir Christen und Christinnen mit unseren jüdischen Brüdern und Schwestern teilen dürfen, und dass wir nicht – wie schon viele Tiere und Pflanzen – dem Geld opfern dürfen.
Die Bibel erzählt uns nicht nur Geschichten und Geschichte, sie erzählt uns vor allem von der großen Kraft Gott. Von seiner Liebe uns Menschen gegenüber, von seiner Trauer, wenn wir nicht so handeln, wie er es möchte. Wenn wir nach Gottes Willen fragen, dann merken wir, dass wir uns oft gegen den Strom stellen müssen. Zu allen Zeiten und da, wo Gott uns hingestellt hat. In der Schule, im Gespräch, am Arbeitsplatz, in den Familien. Gott gab uns besondere Fähigkeiten als Menschen. Lassen Sie sie uns einsetzen, um seine Schöpfung zu bewahren. Gegen die allgemeine Entwicklung, gegen das Gerede von Rentabilität und Globalisierung. Amen.
Verfasserin: Prädikantin Gabriele Melk, Taunusstr. 13, 63329 Egelsbach
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