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Die neue Schöpfung

von Karsten Müller (39104 Magdeburg)

Predigtdatum : 15.05.2011
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Miserikordias Domini
Textstelle : Johannes 16,16.(17-19).20-23a
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Wochenspruch: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2. Korinther 5, 17)
Psalm: 66, 1 – 9

Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 1, 1 – 4 a.26 – 31 a.2, 1 – 4 a
Epistel: 1. Johannes 5, 1 – 4
Evangelium: Johannes 15, 1 – 8


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 100 Wir wollen alle fröhlich sein
Wochenlied: EG 108 Mit Freuden zart zu dieser Fahrt
Predigtlied: EG 114 (1 + 7 - 10) Wach auf, mein Herz
Schlusslied: EG 115 Jesus lebt



Vorbemerkung:
Die Predigt hat die Kurzfassung des Predigttextes zur Grundlage. Die Predigt ist als Homile abgefasst. In einer Homilie wird der Text Stück für Stück ausgelegt und daher nicht am Beginn der Predigt vorgelesen.


Liebe Gemeinde,

unser heutiger Predigttext führt uns noch einmal in die vorösterliche Zeit zurück. Jesus ist mit seinen Jüngern vor dem Passafest zusammen. Er weiß um sein Schicksal und er möchte seine Jünger auf das Kommende einstimmen. Das Johannesevangelium berichtet in den Kapiteln 13 bis 17 ganz ausführlich davon, was Jesus seinen Jüngern mit auf den Weg gibt. Auf einen kleinen Ausschnitt seiner Rede wollen wir heute hören.

Jesus sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.

Wir hören heraus, dass Jesus die Jünger auf die Zeit nach Ostern einstimmt: Er wird tot und begraben sein und dann auferstehen und wie-der bei seinen Jüngern sein. Den Jüngern ist diese Sicht auf die Dinge natürlich verborgen und sie haben erhebliche Schwierigkeiten, Jesus zu verstehen. Vielleicht haben einige von ihnen gedacht, dass Jesus vielleicht wegen der Gefährlichkeit der Lage ein paar Tage untertauchen, ein bisschen von der Bildfläche verschwinden will.

Wenn Jesus zu uns im Evangelium diesen Satz sagt, dann hat er eine andere Dimension. Auch wir sehen in der Regel Jesus nicht. Sicher, manche Menschen fühlen sich direkt durch ihn angesprochen, können sogar Tag und Stunde nennen, in denen ein deutlich sichtbarer Christus sie in die Nachfolge gerufen hat. Aber als der Auferstandene und in den Himmel Gefahrene Saulus berief, da heißt es:
Die Männer aber, die des Saulus Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden. (Apg. 9, 7)

Jesus ist für uns nicht sichtbar und die „kleine Weile“, in der wir ihn nicht sehen, dauert nun schon fast zwanzig Jahrhunderte. Es ist gut, da keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, weil ja Gottes Zeitrechnung etwas anders läuft als die unsere. Tausend Jahre können da sein wie ein Tag. (Ps. 90,4)

Wir haben uns eingerichtet in dieser Zeit – und wenn wir auf unsere kirchlichen Verhältnisse in Deutschland schauen, dann haben wir uns auf den ersten Blick auch ganz gut eingerichtet. Natürlich: Manches könnte besser sein: es könnten mehr Menschen zum Gottesdienst kommen, es könnten mehr Eltern ihre Kinder taufen lassen, mehr die Angebote der Gemeinde wahrnehmen – es könnte sich der Rückgang unserer Gemeindeglieder endlich stoppen.

Aber trotz dieser Beobachtungen: Wir können in unserem Land frei unseren Glauben leben, die Frohe Botschaft verkündigen. Keiner muss Nachteile oder gar Gefahren in Kauf nehmen, wenn er sich zu Jesus hält. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es uns oft erscheint.

Von daher mutet es merkwürdig an, was Jesus nun den Seinen sagt: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.

Merkwürdig dunkle Töne mischen sich ausgerechnet am Sonntag „Jubilate“ in die nachösterliche Freude. Vom Weinen, Klagen und Traurigsein ist plötzlich die Rede mitten in hinein in die stärkende Erfahrung, dass der Tod doch nicht das letzte Wort im Leben haben wird.

Aus der Sicht der Jünger hören wir Jesu Worte vielleicht als Ansage kommender Verfolgungen. Nicht wenige der ersten Christen haben ja für ihren Glauben mit dem Leben bezahlt. Aber wir? Sind wir nicht gut eingebunden mit unserem Glauben in die uns umgebende Gesellschaft, die sich ja selbst gern als fußend auf die„christlich-abendländische Kultur“ bezeichnet.

Aber auf der anderen Seite: Jede und jeder von uns hat in seinem eigenen Glaubensleben sicher schon die Erfahrung der Verspottung gemacht. Vielleicht können Christinnen und Christen aus dem Osten Deutschlands davon ein etwas längeres Lied singen als in Westdeutschland Aufgewachsene. Aber die Erfahrung ist landläufig: Christentum, Glauben ist etwas Veraltetes. Wer damit etwas zu tun hat, ist vielleicht auch ein bisschen neben der Spur, eben nicht so ganz auf der Höhe der Zeit.

Manche empfinden mit Blick auf den Fundamentalismus, den es in jeder Religion gibt, den Glauben sogar als etwas Gefährliches, weil er den Konsens einer multikulturellen Gesellschaft wie der unseren zerstören kann. Und wenn dem Glauben und den Glaubenden dann zugesetzt wird, dann wird in der Regel keine Rücksicht genommen auf die feinen Unterschiede der Richtungen in den einzelnen Religionen. Hier können Muslime ein ganz langes Lied singen.

Wir merken: So unangefochten, wie es oft scheint, ist unser Glaube nicht. Er kann uns durch das Leben tragen, durch die Zeit, in der wir Jesus nicht sehen. Aber er verhindert nicht, dass wir in dieser Zeit nicht angefochten werden, eben genau um dieses Glaubens willen.

Für das Verhältnis von Trauer und Freude benutzt Jesu ein anschauliches Bild: Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Dieses Verhältnis von Glück und Schmerz, von Freude und Trauer kennen wir. Es zieht sich durch unser Leben als Christen so wie es sich überhaupt durch das Leben zieht. Jesus sagt: Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.

Manchmal, so scheint es, überlagert die Traurigkeit, dass Jesus nicht sichtbar bei uns ist, die Freude über die Kraft, die der lebensspendende Glaube an sich hat. Wir leben in einer Zwischenzeit: zwischen der Erfahrung der Jünger, dass Jesus den Tod besiegt hat, zwischen ihrer Erfahrung, dass der Auferstandene seinen Weg zum Vater gegangen ist und der Hoffnung, dass er vom Vater wiederkommen wird „zu richten die Lebenden und die Toten“, wie wir es im Glaubensbekenntnis ausdrücken.

Zwischenzeiten, vor allem wenn sie nach menschlichen Maßstäben die Spanne eines Lebens übersteigen, sind anstrengende Zeiten. Manche von uns träumen vielleicht von einer Zeit, in der Jesus sichtbar unter uns ist. Was würde er aber zu den Gepflogenheiten unserer Gemeinde sagen? Andere wiederum sehnen sich danach, Jesus am Ende der Zeit zu sehen und das ganze irdische Jammertal hinter sich zu lassen. Was aber ist dann mit der Wahrheit, dass unsere Erde Gottes Schöpfung, sein gutes Geschenk an uns ist?

Man kann unseren Glauben auch als eine Überzeugung verstehen, die in der Zwischenzeit, in der wir leben, darauf vertraut, dass am Ende alles gut wird. Im ganzen Jahr leben wir von der Hoffung des Advents: Christus wird wiederkommen am Ende der Zeit. Auch wenn wir vor dem Gericht vielleicht Furcht haben wie eine Mutter vor der Geburt, so steht doch die Überzeugung da, dass wir einen Richter finden werden, der nicht unsere Verurteilung möchte, sondern unsere Befreiung.

Anders ist es doch nicht zu deuten, wenn Jesus von einer Freude redet, die keiner mehr von uns nehmen kann. Bei aller Mehrdeutigkeit der Vorgänge in unserer Welt, in der die Dinge immer zwei Seiten haben, bei aller Schwierigkeit, in dieser Welt den Glauben konkret, froh und ansteckend zu leben – am Ende der Zeit wird Klarheit herrschen, so wie es manchmal schon in dieser Welt ist, wenn Gott den Menschen ganz nahe kommt. So wie es für einen Moment auf dem Feld bei Bethlehem war (Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.- Lk 2, 9,) so wird es immer sein, wenn die letzte Wende unseres Lebens zu Christus hin eingetreten ist.

Auch dieser Gedanke hat ja zwei Seiten: Auf der einen Seite steht die Freude über die gewonnene Klarheit am Ende der Zeit. Auf der anderen Seite: Es geht auch um das Ende der Welt, den Verlust unserer Mitmenschen in der uns geläufigen Form, um einen Aufbruch in völlig unbekanntes –ja was?: Gebiet, Land....? In der Vaterunserbitte: „Dein Reich komme“ steckt eine gewaltige Kraft, wohl viel größer, als uns bewusst ist.

Aber: Glauben heißt, darauf vertrauen können, dass die „Zwischenzeit“ ein gutes Ende findet. An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen, sagt Jesus. Das ist kein „Basta“, sondern die Bekräftigung, dass Klarheit uns umleuchten wird. Es wird uns deutlich sein, wie eng unsere Verbindung zu Christus ist, ganz unabhängig von den verschiedenen Arten zu glauben, von den verschiedenen Formen, wie wir Nachfolge praktizieren. Wir werden ganz klar die Bedeutung der Bilder sehen, die Jesus uns immer wieder beschrieben hat. Wenn wir an unser heutiges Evangelium denken und an andere Stellen, dann kann es ja sein, dass wir alle uns am Ende der Zeit in einem himmlischen Weinberg treffen. Dann werden wir nichts mehr fragen, sondern uns freuen über unsere enge Verbindung zum Weinstock, die allein trägt.
Amen.

Verfasser: Provinzialpfarrer Karsten Müller, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf

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