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Die Seligpreisungen

von Oliver Albrecht (65527 Niedernhausen)

Predigtdatum : 31.10.2023
Lesereihe : V
Predigttag im Kirchenjahr : 31. Oktober - Gedenktag der Reformation (Reformationsfest)
Textstelle : Matthäus 5,1-10(11-12)
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Wochenspruch: "Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus." (1. Korinther 3,11)

Psalm: 46,2-12

Predigtreihen

Reihe I: 5. Mose 6,4-9
Reihe II: Matthäus 10,26b-33
Reihe III: Galater 5,1-6
Reihe IV: Psalm 46,1-12
Reihe V: Matthäus 5,1-10(11-12)
Reihe VI: Römer 3,21-28

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 166,1-2.5 Tut mir auf, die schöne Pforte
Wochenlied: EG 341,1.3-5.7 Nun freut euch, lieben Christen g’mein
Predigtlied: EG 362 Ein feste Burg
Schlusslied: EG 351,1-3.7 Ist Gott für mich

Predigttext: Matthäus 5,1-10(11-12)

1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg. Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. 2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach: 3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. 4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. 5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. 6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. 7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. 8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. 9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen. 10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

(11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen. 12 Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.)

Hinführung

Die Seligpreisungen am Reformationstag – das schien mir eine echte Herausforderung:

  • Hier die Ethik Jesu, die er wirklich radikal mit seinen Jüngern lebte. Diese blieben diesem entschiedenen Lebensstil treu, zogen ohne Besitz und Familie von Dorf zu Dorf, bewahrten Jesu Worte wie die der Bergpredigt und erzählten nicht nur davon, sondern lebten auch konsequent so.
  • Dort Martin Luther, für den es ein großes Anliegen war, dass Glaube eben nicht bedeutet, sich ethisch und moralisch zu übernehmen und zu denken, durch „gute Werke“ sich etwas vor Gott zu verdienen.

In der Predigt habe ich mich bemüht, diese beiden Positionen klar zu beschreiben – aber dann eben nicht durch ein „sowohl – als auch“ zu verbinden. Das Wort „selig“ half mir, beides zusammen zu denken und etwas Neues zu entwickeln – besser: etwas Altes wiederzuentdecken.

Predigt

„Vom wahren Glück auf Erden“

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der war, der jetzt hier bei uns ist und der einmal wiederkommen wird für alle Menschen.

Liebe Gemeinde!

Heute, am Reformationstag, hören wir auf einen der schönsten und stärksten Texte der Bibel. Manche sagen: Diese Sätze gehören zu den wichtigsten, die je auf Erden gesagt wurden. Ich rede von den Seligpreisungen, den Worten, mit denen Jesus seine Bergpredigt beginnt.

Ich lese aus Matthäus 5:  (Predigttext lesen)

Gott segne unser Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde,

in den Seligpreisungen werden die Menschen ins rechte Licht gerückt, die oft im Schatten stehen. Die Leidenden, die Sanftmütigen, die Barmherzigen etwa. Von denen, sagt Jesus, hängt es ab, ob das alles hier vielleicht doch noch ein gutes Ende nimmt. Die brauchen wir, damals wie heute: die Friedensstifter, die die reinen Herzens sind.

Die sind selig, die müssen mal gelobt und hervorgehoben werden. Und dann noch mehr: Denn denen werden Himmel und Erde gehören, die werden Gott schauen von Angesicht zu Angesicht. Die werden Gottes Kinder heißen.

Und Jesus geht noch weiter: Die, die verfolgt werden, denen Böses angetan wird, die Geschlagenen: Die werden das letzte Wort haben und die Ersten sein bei Gott.

Nun, ich sag‘s mal ganz vorsichtig: Damit beschreibt Jesus nicht gerade die Menschen einer Kirchengemeinde in unserem Land. So geht es nicht der Mehrheit der Mitglieder und Mitarbeitenden in der evangelischen Kirche. Ja, in manchmal vorbildlicher Weise, kümmern wir uns um Menschen, denen es so geht, wie Jesus es beschreibt. Aber sie bleiben – die anderen.

Das ist so und das ist natürlich kein Vorwurf, sondern eine Beschreibung. Mir geht es ja selbst so.

Heute, wo die Seligpreisungen auf den Reformationstag treffen, stehen wir vor der Frage, was Religion – genauer gesagt: der Glaube – eigentlich ist. Lasst uns dem einmal nachgehen!

Die einen sagen: Im Glauben sollen wir die bedingungslose Liebe Gottes spüren. „Du bist gut, so wie du bist“. Du musst dir keine – verdammte! – Mühe geben. Glaube ist nicht Moral, sondern Liebe. So wird Luther ja oft verstanden.

Die anderen sagen: Im Glauben ruft uns Jesus Christus in die Nachfolge. An ihm, an seinen Maßstäben sollen wir uns orientieren. Eben an dieser wunderbaren Bergpredigt etwa. „Was würde Jesus tun?“ soll unsere alltägliche Frage sein.

Das hört sich beides nicht falsch an. Und steht doch gegeneinander. Was ist denn nun christlicher Glaube: Entspannung oder Anspannung? Trost oder Herausforderung? Vertröstung oder Revolution?

Wenn man mit Menschen anderer Religionen über diese Frage spricht, dann scheint es so, als ob wir hier so etwas wie Grundtypen von Religion hätten. Die etwas Wahres über Gott und den Menschen sagen. Aber doch so gegensätzlich klingen.

Und vor allem: Die richtig schwierig werden, mehr noch – uns nicht guttun, wenn wir nur in eine Richtung glauben und denken und fühlen.

Dient Religion nur der Entspannung, dann hat Karl Marx recht: Sie wird zur Beruhigungsdroge, zum Opium des Volkes. Du musst nichts tun, du sollst gar nichts tun, auf keinen Fall sollst du irgendetwas verändern, verbessern in dieser Welt. Dein Glaube hilft dir viel mehr, auch Böses und Falsches auszuhalten, geduldig zu ertragen. Im Himmel wird alles besser, warte nur ab!

So wurde Luther ja missverstanden. Doch tatsächlich hatte sich das Luthertum auch in diese Richtung entwickelt. Und die evangelische Kirche war sehr angepasst, unpolitisch und staatstragend, selbst in dunkelsten Zeiten.

Doch so kann es nicht gehen. Das ist nicht christliche Kirche, die sich auf Jesus beruft: „Selig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich.“

Die Bergpredigt ruft die Kirche aus der Komfortzone. Und es könnte ja tatsächlich sein, dass die große Krise unserer Kirche nicht dadurch zu beheben ist, dass wir‘s wieder geschickter darstellen, präsentieren, neue Zielgruppen erreichen und so weiter.  Es könnte tatsächlich sein, dass wir ein Glaubwürdigkeitsproblem haben. Dass wir zu etabliert, zu reich, zu angepasst sind. Ja, gut – schon die eine oder andere mutige Predigt, kluge Erklärung, herausfordernde Aktion. Aber eben immer noch aus sehr sicherer, abgesicherter Position.

Wenn aber dagegen Religion radikal oder gar fanatisch wird, geraten wir in eine neue Sackgasse und auch dafür gibt es traurige Beispiele aus der Geschichte der Kirche. Die Ziele waren oft gut, die Anfänge solcher Bewegungen, die wieder ernst machen wollten, oft emotional bewegend. Aber dann wurden die Ziele so heilig, so absolut, dass plötzlich der Zweck jedes Mittel heiligte.

Im Kern ging und geht es dann darum, dass Glaube nur noch Moral ist. Dass plötzlich wir es sind, die die Welt retten sollen. Und dann sind auf einmal solche Dinge wie Trost und Geborgenheit beinahe hinderlich, lähmen den Kampf für die gute Sache.

Wie aber kann es gelingen, dass der Glaube nicht wieder nur zur allgemeinen Beruhigung dient, zum Opium für das Volk wird, damit alle schön stillhalten und im stillen Kämmerlein gute Miene zum bösen Spiel machen?

Das Geheimnis liegt in dem kleinen Wort „Selig“. Diese besonderen, wunderbaren und tapferen Menschen, die Jesus hier beschreibt, sind „selig“. Das heißt: so richtig glücklich. Die sind zutiefst mit sich im Reinen. Denen geht es einfach gut.

Wir denken ja: Wer so gerecht, barmherzig, friedfertig ist, der hat doch irgendwie ein anstrengendes Leben. Der muss sich so Mühe geben!

Mag sein. Aber was Jesus uns sagen will: Wenn du ein wirklich schönes, erfülltes Leben haben willst, dann hör‘ noch mal genauer hin. Dann vergleich‘ das mal mit dem, bei dem du denkst, das wäre das Größte, das größte Glück.

Luther hat einmal sinngemäß gesagt: Wir rennen dem Glück hinterher. Und immer, wenn wir‘s haben, von dem wir dachten: Das wäre es doch – wird es uns schon wieder schal und langweilig. Und im Augenwinkel erblicken wir bereits das nächste „große Glück“.

Die Bergpredigt leitet uns an zu einem Leben in Übereinstimmung mit uns selbst. So zu leben, wie Jesus es beschreibt – das ist eine Erlösung und Befreiung. Es heißt eben nicht: Du musst dir noch mehr Mühe geben! Du musst die Welt retten!

Vergessen Sie nie: Das hat Gott schon für uns getan. Was auch immer Schreckliches mit unserer guten Erde und den Menschen passiert, wir steuern nicht auf einen Abgrund zu. Am Ende und vielleicht durch alle Schrecken hindurch kommt Gott auf uns zu, sein Himmelreich, von dem Jesus hier spricht – Dein Reich komme!

Reformation feiern erinnert uns genau daran. Es ist mehr als ein historisches Gedenken. Es ist aktuell wie nie: achtgeben, dass Glaube nicht fanatisch, moralisch, fundamentalistisch wird. Achtgeben, dass der Glaube in der Liebe bleibt.

Selig, wer sich jetzt schon daran orientiert. Und ganz langsam zu einem einfachen, ehrlichen Menschen wird, voller Liebe und Leidenschaft für dieses kostbare, zerbrechliche Leben.
Ein größeres Glück gibt es nicht auf Erden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Gedanken in Christus Jesus.
Amen.

Verfasser: Propst Oliver Albrecht


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