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Die singende Gemeinde

von Hans-Ulrich Deußen (55270 Schwabenheim)

Predigtdatum : 21.05.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Jubilate
Textstelle : Apostelgeschichte 16,23-34
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Wochenspruch:

Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder. (Psalm 98,1)

Psalm: 98 (EG 739)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 12,1-6
Epistel:
Kolosser 3,12-17
Evangelium:
Matthäus 11,25-30

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 456
Vom Aufgang der Sonne
Wochenlied:
EG 243
oder EG341
Lob Gott getrost mit Singen
Nun freut euch, lieben Christen g’mein
Predigtlied:
EG 287
oder EG
Singet dem Herrn ein neues Lied
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten, komm und segne uns

23 Nachdem man Paulus und Silas hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.
25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so dass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Liebe Gemeinde,
Eine unglaubliche Geschichte!
Um in unseren Predigttext hineinzukommen, müssen wir uns ein wenig damit beschäftigen, was unserem Text vorausgegangen ist: Paulus und Silas waren in Philippi. Überall, wohin sie gingen, folgte ihnen eine Frau, eine Wahrsagerin, die eine Angestellte war. Überall teilte sie den Menschen mit: “Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen.” Diese Aussage war missverständlich. Im römischen Reich gab es viele Götter. Da der römische Kaiser in jedem Fall angebetet werden musste, war er wohl auch als der höchste Gott im Reich anzusehen.
Paulus, durch die missverständliche Aussage der Wahrsagerin genervt, drehte sich um und bedrohte den Wahrsagegeist der Frau: “Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, dass du von ihr ausfährst!” Und so geschah es. Die Arbeitgeber der Frau erkannten folgerichtig, dass mit ihr kein Staat mehr zu machen war: Die Geldquelle war versiegt. Es gab kein leicht verdientes Geld mehr.
Paulus, Paulus, was hast du dir da eingebrockt! Man mischt sich doch nicht ungefragt in die Angelegenheiten fremder Leute. Und schon gar nicht, wenn’s ums Geld geht.
Und es kam, wie es kommen musste: Paulus und Silas wurden von ihnen vor den Richter geschleppt und wegen Verstoß gegen die römischen Glaubensordnungen verklagt. Sie wurden zu Stockschlägen verurteilt und anschließend ins Gefängnis geworfen.
Ein unmögliches Gefängnis
Da lagen sie nun in ihrer vermutlich sehr ungemütlichen Zelle. Sie bestand aus einem aus dem Fels gehauenen Loch. Ein wenig Stroh lag darin, an dem die Ratten nagten. Das Wasser lief an den Wänden herab. Was nun, Paulus? Da hilft nur Beten, denn Not lehrt Beten!
Aber was die Mitgefangenen nun hören, verschlug ihnen die Sprache: die beiden “lobsangen” ihrem Gott. Sie sangen Lobpsalmen. Das griechische Wort für “lobsingen” kann auch für das betende Singen der sogenannten “Hallel-Psalmen” (Psalm 113-118) stehen. Jesus hatte sie mit seinen Jüngern beim Abendmahl vor seiner Verhaftung gebetet. Sie gehören zum festen Ritual der Pessachnacht. Horchen wir einfach einmal in Auszügen hinein in diese Psalmen:
Psalm 114,7: Vor dem Herrn erbebe, du Erde, vor dem Gott Jakobs.
Psalm 115,12: Der Herr denkt an uns und segnet uns.
Psalm 118 5f.: In der Angst rief ich den Herrn an, und der Herr erhörte mich und tröstete mich. Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können Menschen mir tun?
Psalm 118,17f.: Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen. Der Herr züchtigt mich schwer, aber er gibt mich dem Tode nicht preis.
Ein unmögliches Gefängnis, in dem die Anbetung Gottes zu hören war!
Ein unglaublicher Zufall
War es wirklich ein Zufall, dieses Erdbeben? Erdstöße sind in der Gegend des alten Philippi nicht ungewöhnlich. Da können auch schon einmal Türen aus ihrer Befestigung gerissen und Verankerungen im Mauerwerk gelöst werden. Erstaunlich allerdings der Zeitpunkt und die Wirkung. “Zufall” meint der Skeptiker, doch Paulus und Silas sehen darin Gottes rettende Hand. Vielleicht sollten wir auch bei manchen Gelegenheiten - vielleicht auch immer? – das Wort “Zufall” aus unserem Wortschatz streichen!
Ein unmöglicher Beamter
Allein um diesen Direktor der Justizvollzugsanstalt Philippi geht es in unserem Text. Er war in einer prekären Lage. Er stand mit seinem Leben für die sichere Verwahrung der Gefangenen ein. Darum wollte er der Demütigung entgehen und sich selbst das Leben nehmen. Diese gefährliche Lage des Vollzugsbeamten war Paulus deutlich. Für ihn war dieser Mann nicht ein Suizidgefährdeter, den man seinem Schicksal überlassen konnte, sondern ein Mensch, den Gottes Liebe sucht. Und wieder mischt er sich ein und versucht, diesen Mann vor dem Schlimmsten zu bewahren, indem er ihm zurief, die Gefangenen seien nicht entflohen.
Das war dem Mann noch nicht vorgekommen. Er sprang in die Zelle der Apostel und setzte sich damit der Gefahr einer Geiselnahme aus. Das, was da passierte, konnte er nicht begreifen. In seinen Dienstanweisungen kam ein solcher Fall bestimmt nicht vor. Er sah sich an die Grundfrage des Lebens geführt: an die Frage nach dem Urheber der Ereignisse, die Frage nach Gott.
Seine Frage: “Ihr Herren, was muss ich tun, damit ich gerettet werde?” konnte gewiss als Frage verstanden werden, wie er denn aus dieser Situation einigermaßen ungeschoren wieder herauskomme und wie er seinen Vorgesetzten die Ereignisse erklären könne. Vielleicht könnte es auch die Frage nach den Forderungen der Gefangenen sein. Aber es blieb nicht bei der Frage: Er fiel vor Paulus und Silas auf die Knie. Das war ein Zeichen der Huldigung. Der Beamte hatte in den beiden Häftlingen Männer erkannt, die mächtiger waren als er. Damit ist auch der Sinn seiner Frage klar: Es geht nicht um den Bericht an seine Vorgesetzten und nicht um die Frage nach Forderungen der Häftlinge. Es geht um ihn selbst: “Was muss ich tun, dass ich gerettet werde?”
Und was tut Paulus? Er gab dem Mann nicht den Rat, doch am nächsten Sonntag einmal zum Gottesdienst zu kommen oder sich einen Termin bei ihm zu einem Gespräch geben zu lassen: “Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du und dein Haus selig.”
Ohne Entschluss eines Menschen zum Glauben geht es nicht. Glaube ist keine einseitige Handlung Gottes, die mit oder ohne Zustimmung eines Menschen vor sich geht. Das schließt allerdings nicht aus, dass unser Glauben-Können ein Geschenk Gottes ist. Paulus schreibt später einmal an die Philipper (Phil. 2,12): “Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.”
Glaube wirkt Früchte. Auch bei diesem Mann. Unmöglich konnte er jetzt die beiden Männer zurück in ihre Zelle schicken. So tat er ihnen den Liebesdienst selbst, ihre Wunden zu versorgen. Er nahm sie mit sich in sein Haus und ließ sie dort bewirten.
Am Ende dieser Nacht, die so düster mit dem Erschrecken des Beamten und seinen Selbstmordgedanken begonnen hatte, stand die Freude des Geretteten. Amen.

Verfasser: Prädikant Hans-Ulrich Deußen, Raiffeisenstr. 5, 55270 Schwabenheim

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