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Die singende Gemeinde

von Ulrike Wegner (63128 Dietzenbach)

Predigtdatum : 02.05.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Jubilate
Textstelle : Kolosser 3,12-17
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Wochenspruch:
„Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder.“ (Psalm 98, 1)

Psalm: 98 (EG 739)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 12, 1 – 6
Epistel:
Kolosser 3, 12 – 17
Evangelium:
Matthäus 11, 25 – 30

Liedvorschläge

Eingangslied:
302, 449 (3!)

Wochenlied:
EG 243
oder EG 341
Lob Gott getrost mit Singen
Nun freut euch, lieben Christen g’mein
Predigtlied:
EG 316, 335, 607

Schlusslied:
EG 272

Vorbemerkung:
Die Gemeinde in Kolossäa, einer Stadt im Lykostal, in der heutigen West-Türkei, war nicht von Paulus gegründet worden (Kol 1,4; 2,1). Ob der Brief tatsächlich von Paulus während seiner Gefangenschaft (1,24; 4,3) selbst verfasst wurde, ist wegen des im Vergleich zu seinen sonstigen Briefen (Röm., 1.+2.Kor., Gal.) anderen Stils und der weiterentwickelten Theologie umstritten. Der Brief war wohl wegen eines Streits innerhalb der Gemeinde über bestimmte religiöse Regeln (Kol 2,16) notwendig geworden.
Der Perikope unmittelbar voraus wird die Einigkeit der Gemeinde beschworen, indem gesagt wird, dass über alle (bisherige) Unterschiedlichkeit hinweg (3, 11: Grieche oder Jude, Beschnittener oder Unbeschnittener, Nichtgrieche, Skythe, Sklave, Freier) die Gemeinde mit Christus auferstanden und damit eins in ihm geworden ist.
Daran knüpft der Predigttext an: Die Gemeinde besteht aus Heiligen (Auserwählten), aus "neuen" Menschen. Deren Kennzeichen sind nicht mehr religiöse Regeln, sondern Jesu Ethik (Erbarmen, Demut, Freundlichkeit, einander ertragen und vergeben!). Daran knüpfen die Aufforderungen an:
- Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit
- singt Gott dankbar in euren Herzen
- dankt Gott mit Worten und Werken im Namen Jesu!
Die Predigt an Kantate legt den Fokus auf das dankbare Singen.
Der Text wird erst innerhalb der Predigt verlesen.
Liebe Gemeinde,
vielleicht kennen Sie das Sprichwort "Wes Brot ich ess´, des´ Lied ich sing".
Es stammt wohl aus dem frühen Mittelalter, einer Zeit, in der Minnesänger ohne feste Anstellung von Hof zu Hof zogen und dort Lieder sangen. Dabei handelte es sich sehr oft um Gesänge, die einen Herrscher, einen Grafen oder einen Fürsten priesen und Geschichten von seinen Heldentaten erzählten. Aufgabe des Sängers war es, den Ruhm dieses Adligen in seinen Liedern zu verewigen. Dafür bekam er dann etwas Geld, eine Unterkunft, eine Ehrengabe oder ein wertvolles Geschenk.
Die Bedeutung dieses Sprichwortes ist klar:
Ich lobe denjenigen, von dem ich abhängig bin. Oder drastischer:
Wer mich bezahlt, dessen Meinung oder Interessen vertrete ich auch.
Man kann es aber auch positiv verstehen: ich singe gern von dem, was mich am Leben erhält, von dem, was mich in meinem Leben trägt. Das ist wohl auch gemeint, wenn es in dem beliebten Tauflied (EG 577, 1) heißt:
Kind, du bist uns anvertraut. Wozu werden wir dich bringen?
Wenn du deine Wege gehst, wessen Lieder wirst du singen?
Welche Worte wirst du sagen und an welches Ziel dich wagen?
Bei Kindern übernehmen Eltern und Paten zunächst die Verantwortung für das Leben ihres Kindes. Daher fragen sie sich: "Wessen Lieder wirst du singen?" Es ist aber auch eine Frage an uns selbst: Wessen Lieder singen wir? Und geben wir sie an unsere Kinder weiter?
Wenn sich ein erwachsener Mensch in der Taufe zu Christus als seinem Herrn bekennt, dann darf er sich wie ein neuer Mensch fühlen - wie neugeboren. Dafür darf er dankbar sein und dies in seinen Liedern zum Ausdruck bringen.
Aber auch die neuen Maßstäbe seines Lebens sind nach außen erkennbar - nicht nur die Lieder, die er singt.

So hat das Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Kolossäa gesehen, einer Stadt in der heutigen West-Türkei. Er schreibt:
Kol. 3, 12-17 (Mit Psalmen und Lobgesängen)
(12) So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld;
(13) und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
(14) Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.
(15) Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.
(16) Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.
(17) Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Liebe Gemeinde,
I.
Auserwählte Gottes, Heilige. Von wem ist da die Rede? Wer sind die Angesprochenen, die dankbar sein sollen? Zunächst die Gemeinde in Kolossä. Der Text hätte aber genauso gut an uns gerichtet sein können:
Liebe Heilige in (Predigtgemeinde)! Geschwister in Christo!
Heilige und Geliebte sind auch wir! Jede und jeder einzelne von uns.
Alle. Die ganze Gemeinde. Auch wir. Wir sind durch unsere Taufe Heilige geworden.Wir sind auserwählt als diejenigen, die Jesus als ihren Herrn bekennen dürfen.
Wir sind auserwählt! Und wir sind etwas Besonderes. Weil wir erfahren durften, dass wir geliebt werden, ohne uns irgendwelchen Mächten oder Göttern und kultischen Regeln unterwerfen zu müssen.
II.
Auserwählte erkennt man häufig schon an Äußerlichkeiten. Denken Sie an andere, durch bestimmte Ausbildung "Auserwählte", z. B. bestimmte Berufsgruppen, die durch ihre besondere Kleidung auffallen: Ärzte (und Ärztinnen), PfarrerInnen, PolizistInnen usw. Viele Jugendgruppen grenzen sich durch eine besondere Kleidung von anderen ab, denn: "Kleider machen Leute." Man fühlt sich in schönen Kleidern gleich ganz anders - eben wie ein neuer Mensch.
Und Manchen sieht man das auch an: sie gehen viel aufrechter, mit erhobenem Kopf, selbstbewusster. Ihr Schritt wird selbstsicherer.
Bei den Auserwählten, um die es in unserem Text geht, ist es aber nicht die Kleidung, an denen man sie erkennen soll, sondern an ihrem Verhalten:
(12) "So zieht nun an ... herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld".
Einer soll den anderen ertragen (13) - eben auch mit dessen Macken, seinen Fehlern und Kanten, seinen kleinen Schwächen, eben das, was jeden von uns ausmacht. Die Geliebten Gottes achten einander - wie Geschwister, die spüren, dass sie geliebt werden und daher auch ihre Schwester und ihren Bruder lieben können. Wer einmal selbst erlebt hat, dass ihm seine Schuld vergeben wurde, und wie befreiend das ist, kann auch selbst einem anderen dessen Schuld vergeben.
Und über allem - sozusagen als Mantel - steht die Liebe, "das Band der Vollkommenheit" (14). Das ist sozusagen das "i-Tüpfelchen" der Kleidung, der Gürtel, der alles umschließt. All das, was einen Menschen wirklich adelt - nicht der nach außen zur Schau gestellte Reichtum oder die Markenkleidung, sondern der liebevolle Umgang miteinander. So soll es bei den Heiligen Gottes sein.
Daran sollen Christen erkennbar sein: selbstbewusst, aber nicht überheblich, sondern mitleidend (barmherzig) mit den Schwachen; stark, aber sanft und demütig; so stark, dass sie andere (auch mit ihren Fehlern) er-tragen können. Freundlich, weil sie selbst sicher sind: ich bin geliebt, auch wenn ich selbst gerade einmal schwach bin.
Natürlich waren weder die Christen damals noch wir heute vollkommen, das weiß auch der Schreiber dieses Briefes. Weil uns diese Ethik Christi, die Barmherzigkeit, die Freundlichkeit und Geduld miteinander, nicht immer leicht fällt und weil wir alle unsere Fehler haben, sollen wir einander immer wieder vergeben.
III.
Das, was die Gemeinde zusammenhält, ist das gemeinsame Ziel:
wie es formuliert ist in V 15:
(15) Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.
Dieser "Friede Christi" ist zu verstehen als "schalom". Es ist der Friede des Reiches Gottes, das schon angebrochen ist unter allen, die sich zu Christus bekennen. Es ist dieses "Shalom", das wir uns mit jedem Segen zusprechen lassen. Dieses "Shalom", das nur unzureichend mit "Frieden" wiedergegeben ist. Im eigentlichen Sinne bedeutet es umfassendes Heil, Heimat, Erfüllung.
Das haben wir Christen im Glauben an unseren Herrn gefunden.
Dafür dürfen wir dankbar sein.
IV.
(16) Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit;
mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.
Liebe Gemeinde,
sind Sie dankbar, Christ/Christin sein zu dürfen? Dankbar, durch Ihren Glauben an Christus einen Weg gefunden zu haben, der ihr Leben ganz umgekrempelt hat? Dankbar für dieses "Shalom"?
Wie drückt sich bei Ihnen das Gefühl echter Dankbarkeit aus? Und Freude über das gemeinsame Ziel, auf das wir hinarbeiten wollen?
Diese Dankbarkeit ist Gottesdienst im eigentlichen Sinn - im Gottesdienst finden wir uns als Gemeinde zusammen, hören und reden immer wieder über das Wort, das uns geschenkt wurde. Dabei dürfen wir auch kritisch die Bibel hinterfragen. Wir sollen und dürfen lehren und einander mahnen - "in aller Weisheit", wie es in V16 heißt. Unsere Vernunft brauchen wir an der Kirchentür nicht abzugeben. Das Wort darf immer wieder neu für unser Leben ausgelegt werden.
Aber - auch in der Religion findet Dankbarkeit ihren erhebendsten Ausdruck im Gesang. Unser Gottesdienst ist daher gar nicht vorstellbar ohne eigenes Singen.
"Kantate" - der Name dieses Sonntags bringt programmatisch auf den Punkt, dass der Glaube erst durch Singen lebendig wird. Vermutlich sind Kirchen heutzutage die Räume, in denen am meisten gesungen wird, wenn man einmal von den Opern absieht. Dort lässt man allerdings professionell singen. In den Kirchen kann dagegen jede und jeder die eigene Stimme erheben.
Ich bin bei der Vorbereitung auf eine frühe Notiz aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. gestoßen. Dort wird berichtet, dass Christen am Sonntag vor Sonnenaufgang zusammen gekommen seien und für Christus im Wechselgesang ein Loblied angestimmt hätten. Der damalige Gouverneur von Kleinasien, der heutigen Türkei, mit Namen Plinius hat dies in einem Bericht an den römischen Kaiser Trajan festgehalten.
Dies illustriert, welche hervorgehobene Rolle das gesungene Gotteslob in den frühen Gemeinden gespielt hat. Die Christen waren von Anfang an eine Singegemeinschaft. Sie haben Psalmen aus der hebräischen Bibel gesungen und bald auch eigene Lieder komponiert.
Denn Musik kann Gefühle am besten ausdrücken.
Man könnte sogar sagen, der heutige Predigttext ist ganz kurz. Er besteht aus einem einzigen Wort: „Halleluja!" Das griechische Wort für „Lobt Gott!"
Darum "Kantate" - singt! Singt Halleluja! (Evtl. EG 100 singen).
Singen ist ein Merkmal der Gemeinschaft; hier muss jeder auf den anderen achten, damit Tonhöhe und Rhythmus stimmt und alles harmonisch zusammenklingt.
Man muss sich konzentrieren und Disziplin zeigen. Nicht nur der Marschgesang der Soldaten hilft bei psychischer Erschöpfung und sichert die Fortbewegung. Und tut - trotz allem - der eigenen Seele gut, selbst im Anblick des Todes. Von vielen Gefangenen der Konzentrationslager und Ghettos der NS-Diktatur wird berichtet, wie gesungen, konzertiert, ja sogar komponiert wurde.
Singen ist aber auch Bekenntnis. Vielleicht erinnern Sie sich an Degenhardts „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht deren Lieder"? Lieder spiegeln wider, was mich umtreibt.
Mit dem Anstimmen von Liedern können aber besonders gut Gefühle ausgedrückt werden. Zum traurigen Anlass gibt es traurige Lieder, zu freudigen Anlässen gibt es freudige Lieder. Und auch hier gilt: "Wes Brot ich ess´, des Lied ich sing."
In jedem Gottesdienst erinnern wir uns: bei jedem Vaterunser, wenn es heißt, "unser täglich Brot gib uns heute"; beim Wort "ich bin das Brot des Lebens" und nicht zuletzt im Brotbrechen beim Abendmahl:
In Christus haben wir das "Brot des Lebens" gefunden. In Jesus - so glauben wir - hat Gott sich uns offenbart. Wenn wir daher Jesus nachfolgen, d. h. in seinem Sinne leben und arbeiten, dann danken wir auch Gott - eben durch unser Leben. Denn alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn (17).
Daher: Lobt Gott, denn Jesus lebt. In unserer Verkündigung.
Jesus lebt, mit ihm auch ich. Darum bin ich dankbar. Das ist der Grund zum Lob-singen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Verfasser: Ulrike Wegner, Dietzenbach

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