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Die singende Gemeinde

von Hans-Jürgen Kant (Halle (Saale))

Predigtdatum : 18.05.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Jubilate
Textstelle : Offenbarung 15,2-4
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Wochenspruch:
Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder. (Psalm 98, 1)

Psalm: Psalm 98

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 12, 1 - 6

Epistel: Kolosser 3, 12 - 17

Evangelium: Matthäus 11, 25 - 30

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 302 Du meine Seele, singe
Wochenlied: EG 243 Lob Gott getrost mit Singen
Predigtlied: EG 272 Ich lobe meinen Gott
Schlusslied: EG 258 Zieht in Frieden eure Pfade

Hinführung
Am Vorabend des Sonntags Kantate 2014 findet voraussichtlich der Endausscheid des 59. Eurovision Song Contest (13. bis 17. Mai 2014) in Dänemark statt. Viele Menschen verfolgen den Wettbewerb vor dem Fernsehgerät, die Medien berichten. Im Kantate-Gottesdienst ist die Gemeinde nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum Mitsingen eingeladen. Denn am Ende steht das Singen. So erzählt es die Johannesoffenbarung im Predigttext. Alle gegengöttlichen Mächte sind besiegt. Die Antwort derjenigen, die alles Leid überwunden haben, ist das gesungene Gotteslob.

Der Schreiber der Offenbarung will damit die angefochtenen und bedrängten Christen, die sich dem Kaiserkult verweigern und ihrem Glauben treu bleiben, ermutigen durchzuhalten. Die meisten Exegeten sehen hier eine Auseinandersetzung mit Kaiser Domitian, Thomas Witulski hingegen mit Kaiser Hadrian, zu dessen Zeit der Kaiserkult bis in das Familienleben hinein verschärft wird („Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian“).

In manchen Teilen der Welt gibt es auch heute Christen, die verfolgt werden. Bei uns ist Religionsfreiheit garantiert, dennoch haben auch wir in einer komplizierten Welt manche schwierigen Wege zu bewältigen. Werden wir dabei unser Vertrauen in Gott behalten? Das Singen kann auch uns Mut machen und in unserem Singen kann schon heute das Singen der Erlösten mit aufklingen.


Predigt
Liebe Gemeinde,
vor meinen Augen liegt gläsern das Meer. An den Rändern des Tages lodert es auf wie Feuer, wenn sich am Horizont die aufgehende oder die absteigende Sonne und die spiegelglatte Wasserfläche küssen. Dort stehen Menschen und singen ein Loblied. Begleitet von den Instrumenten in ihrer Hand. Ich höre es förmlich: die Töne atmen, sie schwellen an, sie schwingen aus und verklingen. In den Tönen und Worten jubelt das Lob. Gebändigt und geleitet durch Versmaß und Rhythmik. Das Lied lobt Gott, indem es die alten Geschichten aufleuchten lässt und zum Erinnern einlädt. Erinnere dich an Mose und an die Befreiung der Israeliten. Erinnere dich an Jesus Christus, der durch die Schmach des Leidens hindurchgegangen ist und der den Sieg des Lebens errungen hat.

Wie war das mit dem Volk Israel in Ägypten? Es wird unterdrückt und geknechtet. Bis Mose von Gott den Auftrag erhält: „Führe dein Volk in die Freiheit!“ Zehn Plagen muss Gott schicken, erst dann lässt der Pharao die Israeliten ziehen und beordert doch noch Truppen hinterher. Wird das Rote Meer zur Falle auf dem Weg in die Freiheit? Da teilen sich die Wellen. Das Volk Israel zieht trockenen Fußes durch das Meer und erreicht das rettende Ufer. Das ägyptische Heer jedoch ertrinkt. Ross und Reiter versinken in den Fluten. Mose stimmt am Freiheitsufer ein Loblied an auf den Gott, der zu retten und der zu vernichten vermag.
Und wo ist das Lied des Lammes das erste Mal gesungen worden? Als das Volk Israel noch auf den Aufbruch in Ägypten hofft, lässt Mose in jedem Haus ein Lamm schlachten: „Esst es als Stärkung für den Weg. Mit dem Blut aber bestreicht die beiden Pfosten der Tür und die obere Schwelle an euerm Haus. Überall, wo das Zeichen des Lammblutes zu sehen ist, wird das Verderben an der Tür vorbeigehen.“ So rettet das Lamm Leben in höchster Not. Für die Christen wird es Jahrhunderte später zum Symbol für den Gekreuzigten. Dieses Lamm bleibt Gott und seinen Freunden treu bis in den Tod und trägt am Ende die Siegesfahne.

Das Lied des Mose preist die Rettung durch das Schilfmeer in letzter Minute und das Lied des tödlich getroffenen Lammes, das am Ende doch zum Sieger geworden ist, zeigt: ein Schwacher kann zugleich stark und siegreich sein.

Liebe Gemeinde,
der Predigttext aus dem letzten Buch der Bibel appelliert an die Kraft unserer Träume und Bilder. Er führt uns am heutigen Sonntag Kantate in den Thronsaal Gottes, in den Himmel. Kommen Sie mit, wir mischen uns unter die Singenden, die Gott loben! Damit wir spüren können, wie das sein wird, wenn wir Gott ganz nahe sind.

Ein großes Festival der Loblieder wird beginnen. Es wird alle europäischen Wettbewerbe, wie auch den, der gestern Abend im Fernsehen aus Dänemark übertragenen wurde, in den Schatten stellen. Dieses Loblied-Festival wird keine Stunde der Stars sein, sondern wir selbst werden zu Sängerinnen und Sängern. Die richtigen Töne kommen wie von allein und formen unsere Lieder zu einem vielstimmigen Chor.

Als Johannes der Seher auf Patmos seine Offenbarung niederschreibt, ist für die allermeisten von diesem Chor noch wenig zu hören. Da ist vom Sieg des Lammes und von den wunderbaren Werken Gottes noch wenig zu spüren: Die Christen werden verfolgt. Sie sollen, wie alle anderen Bürger auch, den Kaiser als Gott anerkennen und vor seinem Altar Opfer bringen. Wer aus der Reihe tanzt, wer sich verweigert, muss um sein Leben fürchten. Kritiker werden zum Schweigen gebracht. Andersdenkende ausgegrenzt. Die kaiserlichen Beamten haben den Kult anscheinend über das übliche Maß hinaus intensiviert und verschärft. Für die Christen dieser Zeit wird der Herrscher geradezu zum Inbegriff der gottfeindlichen Mächte: Ein Tier, das aus dem Wasser steigt, identifizierbar mit einem verschlüsselten Zahlencode, der nur Eingeweihten bekannt ist. Ein Tier, dessen Bild angebetet werden muss.

Während die Gemeinden in Kleinasien noch das Toben dieser Mächte erleben, während sie zweifeln und sich fragen, „Können wir unter diesen Umständen noch unserem Gott treu sein?“, sieht Johannes schon das Ende und die, die überwunden haben. Die Freude über den Sieg mündet in das Gotteslob. Es lobt den Gott, der sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten durch das Schilfmeer in die Freiheit geführt hat und der sich selbst als Opferlamm gegeben hat: Seine Werke sind groß und gerecht. Er ist zu fürchten und alle werden kommen und ihn anbeten. Denn er hat das Tier und sein Bild und die Zahl seines Namens besiegt.

Und die mit ihm überwunden haben, stehen am gläsernen Meer und singen. Hingebungsvoll. Ich spüre die Kraft ihres Gesanges, leidgetränkt und doch scheint die Freude am Ende auf.

Bedrängt und verfolgt. Ausschau haltend nach dem Ziel, so sucht das Gottesvolk von Anfang an seinen Weg durch die Geschichte. Paulus und Silas eingesperrt im innersten Gefängnis, die Märtyrer auf dem Weg in die Arena, Bettelmönche im Mittelalter, die für die Erneuerung einer verweltlichten Kirche eintreten. Martin Luther und die Reformatoren auf der Suche nach der Wahrheit des Evangeliums. Christen, die sich im 19. Jahrhundert von der Not, die die Industrialisierung mit sich bringt, bewegen lassen. Oder die Christen, die sich vor 80 Jahren im Mai 1934 in Barmen versammeln, um ihren Glauben zu bekennen: „Wir lassen ihn nicht von der nationalsozialistischen Ideologie überformen!“ Und da sind nicht zuletzt die offenen Kirchentüren, die vor 25 Jahren zu den friedlichen Veränderungen in der damaligen DDR führen.

Jede Suche und jeder Bekennermut ist von Liedern begleitet. Die das Gefängnis zum Einsturz bringen. Die Erneuerungen auslösen, auch wenn die Welt voll Teufel wär. Die nach dem offenen Land und dem Regenbogen Ausschau halten und die die Sonne der Gerechtigkeit herbei singen. Genau wie die Lieder, die darum bitten, dass das deutsche Land endlich aufwachen möge aus dem Schlaf der falschen Sicherheit und aus so mancher Halbherzigkeit.

Liebe Gemeinde,

als Christen sind wir durch unsere zweitausendjährige Geschichte singend unterwegs. Lieder der Hoffnung und der Bitte, Lieder des Lobes und des Dankes sind auf unseren Lippen. Der Sonntag Kantate erinnert mich daran: Christsein hat immer mit Singen und Musik zu tun. Gottesdienste, die sich langfristig allein im Sprechen und Lesen von Texten erschöpfen, würden ihre Kraft verlieren. Jedes Lied, das gesungen wird, hat etwas von einem kleinen Fest an sich. Die Musik macht unseren Gottesdienst zu einer Feier, in der das große Singen und Musizieren am Ende der Zeit schon aufklingt.

Bis dahin sind wir unterwegs mit unseren Kantaten und Oratorien, mit dem Klang der Orgel und der Vielfalt der Instrumente, aber vor allen Dingen mit unseren Stimmen.

Die Wege, die wir gehen, sind nicht immer leicht. Auch wenn wir bei uns keine Christenverfolgung erleben. Doch wir suchen als Christen nach unserem Platz in der Gesellschaft. Dafür ist manchmal Mut nötig, das klare Wort und die beherzte Tat. Aber auf diesem Weg durch stürmische, aufgewühlte See, auf dem Weg in die Freiheit können wir Gott getrost mit Singen loben, und selbst dabei getröstet und erfreut werden.

Bis der Tag kommen wird, an dem wir am gläsernen Meer stehen. Die Sonne küsst am Abend der Welt brennend die spiegelglatte Fläche und führt nach der Nacht einen flammenden Morgen herauf in einem beeindruckenden Schauspiel. Es wird gesungen, und ich hoffe, wir alle sind unter den Sängerinnen und Sängern der Loblieder dabei. Amen.

Verfasser: Superintendent Hans-Jürgen Kant
Mittelstraße 14, 06108 Halle (Saale)

Herausgegeben vom

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