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Die singende Gemeinde

von Axel Zeiler-Held

Predigtdatum : 22.05.2011
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Jubilate
Textstelle : Matthäus 21,14-17.(18-22)
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Wochenspruch: „Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder.“ (Psalm 98, 1)

Psalm: 98 (EG 739)



Lesungen

Altes Testament:Jesaja 12, 1 – 6

Epistel: Kolosser 3, 12 – 17

Evangelium: Matthäus 11, 25 – 30



Liedvorschläge

Eingangslied: EG 302 Du, meine Seele, singe

Wochenlied: EG 243 Lobt Gott getrost mit Singen

Predigtlied: EG 272 Ich lobe meinen Gott

Schlusslied: EG 324,

1-2+13-14 Ich singe dir mit Herz und Mund



Der Predigttext bietet sehr unterschiedliche Bezugspunkte an, die in der Predigt angesprochen werden können.

Ich setze einen deutlichen Schwerpunkt auf die Beziehung zum Sonntag „Kantate“ und stelle damit nicht den Konflikt mit den Hohepriestern und Schriftgelehrten, sondern die singenden Kinder in Mittelpunkt.

Was bedeutet es, dass wir als Kirche entgegen vielen gesellschaftlichen Trends am Singen in unseren Gottesdiensten festhalten? Meine Hoffnung ist, dass unser gemeinsames Singen Kraft geben kann, Mut zu neuen Wegen, Rückenstärkung in manchen Auseinandersetzungen.



Der Predigttext wird im Verlauf der Predigt vorgelesen.



Liebe Gemeinde,

wir feiern den Sonntag „Kantate“, das bedeutet „Singet“. Das Singen ist aus dem Gottesdienst nicht wegzudenken. Allerdings: im Alltag spielt das eigene laute Singen kaum noch eine Rolle. Wer singt schon laut in der Öffentlichkeit? Das Radio im Hintergrund hat in den Betrieben schon lange das gemeinsame Singen beim Arbeiten abgelöst. Vielen Jugendlichen erscheint unser gottesdienstliches Singen wie eine Zeitreise in die längst vergangenen Jahrhunderte, in der die meisten der hier gesungenen Lieder entstanden sind.



Und dennoch: Auch heute lässt sich die Kraft gesungener Lieder nachvollziehen. Viele, die heute Morgen hier sitzen, spüren diese Kraft bei bestimmten Liedern aus dem Gesangbuch. Andere wieder spüren sie nicht sonntags in der Kirche, sondern samstags im Fußballstadion. Wer einmal im Schalke-Fanblock stand und „Glück auf, Glück auf“ gesungen hat, weiß, wovon ich rede.



Und so mancher bekam doch bei der letzten Fußball-WM ein besonderes Gefühl ins Herz, wenn die Nationalhymne gespielt wurde.

Lieder haben Kraft und können gerade auch in Konfliktsituationen Kraft geben! Aus so manchem Lied klingt noch die Auseinandersetzung, die ihm zugrunde liegt, deutlich heraus.

Ich denke zum Beispiel an Martin Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Es erzählt von Luthers theologischer Auseinandersetzung mit dem Glauben, und doch spiegeln sich in diesem Lied auch die politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit:



„Und wenn die Welt voll Teufel wär'

Und wollt' uns gar verschlingen,

So fürchten wir uns nicht so sehr,

Es soll uns doch gelingen.

Der Fürst dieser Welt,

Wie sau'r er sich stellt,

Tut er uns doch nicht,

Das macht, er ist gericht't,

Ein Wörtlein kann ihn fällen.“



Ob der Fürst dieser Welt nun den Satan oder den Papst in Rom meint, bleibt erst mal offen.



Ein zweites Beispiel: „We shall overcome“. Das Lied der unterdrückten Farbigen in Amerika. We shall overcome. Zu deutsch: Wir werden siegen! Ein Lied, das zur US-Bürgerrechtsbewegung gehört wie kaum ein anderes. Wer es singt, kann noch etwas von dem Protest spüren, der in diesem Lied mitschwingt. Ein Lied, das die Menschen auf die Straße gezogen hat, ein Lied, das von Amerika ausgehend Freiheitsbewegungen auf der ganzen Welt Mut gemacht hat.



„Ein feste Burg“ und „We shall overcome“, diese Lieder haben mit dazu beigetragen, dass sich die Welt verändert hat. Sie haben Menschen den Mut gegeben, für ihre Freiheit und ihre Überzeugungen einzustehen. Sie wurden zu Markenzeichen der protestantischen Christen beziehungsweise der Bürgerrechtsbewegung.



Wer in diese Lieder mit eingestimmte, gehörte dazu. Deshalb gab es immer wieder auch Situationen, in denen das Singen dieser Lieder nicht ungefährlich war und Repressalien nach sich ziehen konnte.



Solche Lieder zu singen, war für die, die sie gesungen haben, ermutigend, aber auch gefährlich. Wenn wir heute den Sonntag „Kantate“ begehen, dann geht es nicht nur um die Schönheit der Musik, um unsere Freude daran, sondern immer auch um das Wissen, dass Singen Menschen und Situationen verändern kann.



Auch der für heute vorgeschlagene Predigttext erzählt von einer Situation, in der das Singen einen Konflikt ausgelöst hat. Er steht im 21. Kapitel des Matthäusevangeliums.



Lesung des Textes



Matthäus erzählt von einer Konfliktsituation. Jesus heilt im Jerusalemer Tempel Blinde und Lahme. Die Leute haben gehört, dass er da ist, und strömen zu ihm. Direkt vor den Augen der Mächtigen, die Jesus eher feindlich gesinnt sind, tritt er öffentlich auf. Ist es da ein Wunder, dass die Herren genau hinschauen und hinhören, was passiert?



Jesus heilt, und die Nachricht davon breitet sich aus. Sogar die Kinder bekommen es mit und stimmen ein Lied an: Hosianna dem Sohn Davids. Sie spüren instinktiv, so schildert es Matthäus, dass sich hier etwas Besonderes ereignet, und drücken das durch ihren Gesang aus.



Aber dieser Gesang ist nicht ungefährlich. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten, die im Tempel das Sagen haben, schauen kritisch, tuscheln miteinander, immer wieder mit dem Blick auf die singenden Kinder und Jesus, und beschweren sich schließlich bei ihm. „Hörst Du auch, was diese sagen?“ das klingt für mich wie die Frage: „Hallo, was hast Du da angerichtet, Jesus? Verbiete den Kindern diesen gotteslästerlichen Gesang im Tempel. Wie kannst Du so etwas zulassen?“



Doch Jesus setzt noch einen drauf. Womit hatten die Hohenpriester und Schriftgelehrten gerechnet? Dass Jesus Entschuldigungen findet? Oder tatsächlich die Kinder zur Ruhe auffordert? Er reagiert ganz anders. Er strahlt die Hohenpriester an und sagt: „Ja. Ich höre, was sie sagen. Ist das nicht toll? Jetzt wird wahr, was die Heilige Schrift verheißt: Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet.“



Die Priester wollten sich beschweren, und Jesus freut sich, dreht sich um und lässt sie stehen. Ich denke, in ihnen hat es ganz schön gebrodelt.



Soweit die Geschichte. Die Kinder singen, die Hohenpriester sind sauer, Jesus geht weg. Das könnten wir so zur Kenntnis nehmen und gut. Aber so leicht möchte ich es mir nicht machen. Mich bewegt eine Frage: Wo ist eigentlich mein Platz in dieser Geschichte?



Machen wir uns noch mal auf den Weg in den Tempel. Da stehen sie alle. Wo gehöre ich hin? Schlüpfen wir mal in die Gestalten dieser Erzählung hinein.



Da sind die Kinder. Die werden aufmerksam auf die Wunder, die Jesus tut. Sie lassen sich mitreißen. Sie sind vielleicht sogar begeistert. Und sie fangen an zu singen: Hosianna dem Sohn Davids. Sie singen, so stelle ich mir das vor, voller Inbrunst. So, wir Kinder eben singen können. Sie loben Gott und freuen sich über Jesus, und merken wahrscheinlich gar nicht, dass sie gerade dabei sind, sich den Zorn der Obrigkeit zuzuziehen.



Ist da mein Platz? Ist da unser Platz, bei denen, die freudig mitsingen, ohne über die Konsequenzen lange nachzudenken? Voller Begeisterung? Nicht immer den richtigen Ton treffend, aber immer mit ganzem Herzen dabei? Gerne stünde ich bei den Kindern, um mit ihnen zu singen und von ihnen das Singen wieder neu zu lernen. Ich spüre in mir die Sehnsucht danach, solchen Gesang in unseren Gottesdiensten und Gemeindegruppen zu hören und zu praktizieren. Nicht nur mit Kindern.



Aber: Kind bin ich keines mehr. Ich habe meine Gewohnheiten, meine Lieblingslieder, und sicher auch meine Vorurteile. Ja, wenn ich mich so anschaue, höre ich manchmal nicht auch zu den Hohepriestern und Schriftgelehrten, zu denen, die alles so lassen wollen, wie es ist? Zu denen, die keine neuen Lieder wollen, sondern am liebsten einfach das singen, was schon immer gesungen wurde? Weil es bekannt ist. Weil es keine Mühe macht. Gehöre ich nicht auch manchmal zu denen, die anfangen zu tuscheln, wenn andere plötzlich was ganz Neues machen?



Oder ist mein Platz bei den Jüngern? Bei denen, die höchstwahrscheinlich auch dabei waren, aber kein Wort gesagt haben. Sich nicht eingemischt haben. Nach dem Motto: Ich habe damit nichts zu tun. Das soll Jesus mal selbst mit den Hohepriestern und Schriftgelehrten ausdiskutieren. Mir ist das zu heikel. Schön, dass die Blinden und Lahmen geheilt sind. Schön, dass die Kinder singen. Aber die Frage der Hohenpriester hat auch was für sich: Musste das in aller Öffentlichkeit sein? Manchmal bin ich auch zögerlich, unentschlossen, nicht bereit, mich klar zu einer Position zu bekennen. Ist das mein Platz?



Wie geht es Ihnen bei der Suche nach dem eigenen Platz in dieser Erzählung? Ich kann mich da nicht festlegen, finde Anteile aller Perspektiven auch in meinem Leben. Die Sehnsucht nach dem Singen wie ein Kind, die festgefahrenen Ansichten in manchen Fragen, die Unentschlossenheit und Mutlosigkeit. Je nach persönlicher Situation finde ich mich mal bei den singenden Kindern und ein anderes Mal bei den nörgelnden Hohepriestern.



Und trotzdem: Uns allen gilt, unabhängig davon, wo wir gerade stehen, die Aufforderung dieses Sonntags. Kantate! Singet! Auch dann, wenn uns gerade nicht nach Singen ist. Auch dann, wenn wir uns anders fühlen. Singet! Wenn ihr singt, dann kann daraus ein Loblied werden. Weil das Singen uns verändert. Weil Lieder Kraft haben und Veränderungen bewirken können. Weil Lieder die Welt verändern können und manchmal auch aus nörgelnden Besitzstandswahrern fröhliche offene Menschen machen kann. Egal, ob es das Lied der Kinder im Tempel ist, egal ob „Ein feste Burg“ oder „We shall overcome“. Denn das, was Jesus sagt, kann immer passieren: „Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet“

Wo wir singen, da kann Gott aus manch schiefen Tönen und manch merkwürdigem Gegrummel ein Loblied machen.



Liebe Gemeinde,

lasst uns der Aufforderung und Verheißung dieses Sonntags folgen. Kantate! Singt! Wer weiß, was das Singen dann aus uns macht? Amen.



Verfasser: Pfarrer Axel Zeiler-Held, Bahnhofstraße 3, 35440 Linden

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