Die singende Gemeinde
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
09.05.2004
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Jubilate
Textstelle
:
Kolosser 3,12-17
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Wochenspruch:
Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder. (Psalm 98,1)
Psalm: 98 (EG 739)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 12,1-6
Epistel:
Kolosser 3,12-17
Evangelium:
Matthäus 11,25-30
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 286
Singt, singt dem Herren neue Lieder
Wochenlied:
EG 243
oder EG 341
Lob Gott getrost mit Singen
Nun freut euch, lieben Christen g’mein
Predigtlied:
EG 328
Dir, die, o Höchster, will ich singen
Schlusslied:
EG 99
Christ ist erstanden
12 Zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. 15 Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. 16 Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. 17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
Liebe Gemeinde,
Stellen Sie sich einmal vor: Sie sind zu Hause, das Telefon klingelt, eine Stimme nennt Ihren Namen und fragt: „Sind Sie selbst am Apparat?“ Sie antworten: „Ja.“ Da sagt die Stimme zu Ihnen: „Ich habe Ihnen eine erfreuliche Mitteilung zu machen: Sie sind zum Empfang beim Bundespräsidenten in seiner Villa in Berlin eingeladen.“ - „O, wie komme ich dazu?“ fragen Sie. Die Stimme sagt: „Er möchte Sie einfach bei sich haben.“
Und dann fällt Ihnen ein: aber ich wohne doch hier in Wiesbaden und nach Berlin ist es so weit und außerdem - ich und der Bundespräsident? Worüber soll ich mit ihm reden? Wie soll ich ihm begegnen - und überhaupt: Ich bin doch gar nicht darauf vorbereitet und ich habe auch gar nichts anzuziehen…
Es ist fast, als ob Ihr Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung Ihre Gedanken lesen könnte: „Sie müssen sich keine Gedanken machen, wie Sie nach Berlin kommen. Wir holen Sie ab. Und auch um die Kleidung müssen Sie sich nicht sorgen. Wir lassen Ihnen alles zukommen, was Sie brauchen. - Der Bundespräsident freut sich schon auf Ihr Kommen.“ Und damit hängt er auf.
Tage später, Sie halten alles schon fast für einen Spuk kommt ein großes Paket: Traumhafte Kleider, ein wundervoll passender Anzug - wie angegossen sitzt alles und so vorteilhaft, dass Sie denken: Ich wusste gar nicht, dass ich so eine gute Figur abgeben kann. - Und dann gehen Sie in den Keller, ziehen die alte, verbeulte Gartenjacke an und die zerschlissenen Trainingshosen und sagen: So oder gar nicht fahre ich nach Berlin. Wenn er mich bei sich haben will, dann soll er mich so nehmen wie ich bin!
Vom An- und Ausziehen will ich reden, von der Kleiderwahl und von der großen Einladung. Dazu erinnere ich uns an unsere Taufe. Die meisten unter uns sind wohl irgendwann in ihrem Leben getauft worden. Damit ist die große Einladung ausgesprochen, die größer ist als eine Einladung zum Bundespräsidenten oder zur Queen oder zu Madonna. Seit diesem Tag stehen wir auf der Gästeliste des Schöpfers Himmels und der Erde - Auserwählte, Eingeladene, Geliebte, Ehrengäste.
Gott selbst sagt: ‚Ich möchte dich bei mir haben. Ich freue mich auf dich. Nicht nur für einen kurzen Empfang sollst du mein Gast sein - Zeit und Ewigkeit will ich mit dir teilen. Ich möchte, dass dein Leben ein Fest wird - weil es ein Leben mit mir wird, in meiner Gegenwart.’ Und - noch bevor wir etwas dazu sagen können sagt er weiter: ‚Ich möchte dir dienen zum Fest deines Lebens. Alles, was du dazu brauchst, das gebe ich dir. Ich sorge für den Weg, ich sorge für die Speise auf dem Weg, ich sorge für die Kleidung.’
In den Bildern unseres Predigtwortes - Gott sagt: „Ich halte dir hin, was du zum Anziehen brauchst. Ich schenke dir Kleider, in denen dein Leben geborgen ist. Ich schenke dir Kleider, die dich schmücken und schön machen. Ich schenke dir Kleider, mit denen du einigermaßen gut angezogen vor mir erscheinen kannst. Sieh, ich halte sie dir hin in deiner Taufe.“
Es sind schöne Kleider, die uns hingehalten werden: die wundervolle Weste des Erbarmens, das Hemd mit allen Farben der Freundlichkeit, der weiche Schal der Sanftmut, der bergende Mantel der Geduld. In diesen Kleidern werden wir Christus ähnlich, seiner Gestalt. Das schönste an all diesen Kleidern ist, dass sie nicht nur uns zu schmücken vermögen, sondern zugleich auch noch denen eine Wohltat sind, mit denen wir es zu tun haben.
Taufe ist das Geschenk dieser Kleider. In diesen Kleidern dürfen wir leben. Wir müssen nicht die alten, abgetragenen und verschlissenen Fetzen wieder und wieder anziehen - den Rolli des Grolles, die zerrissenen Strümpfe des Neides, die schäbigen Roben der Rechthaberei, die einengenden Panzerhemden der Selbstgerechtigkeit, die hässlichen Kampfjacken des Hasses.
Es ist uns allen klar: Alles auf einmal kann man nicht anziehen. Wer neue Kleider anziehen will, der muss alte Kleider ablegen. Aber wer wollte ernsthaft die alten Klamotten behalten angesichts der schönen neuen Kleider, die uns in der Taufe geschenkt werden?
Geschenkt, habe ich gesagt. Die Taufe als die Kleidergabe Gottes habe ich beschrieben. Was bleibt da für uns zu tun? Zieht die Kleider Gottes wirklich an! sagt unser Predigtwort. Im Schrank sind sie schön, aber schmücken nicht und wärmen nicht. Erst wenn ihr sie anzieht, sind sie wirklich eure Kleider.
Nun ist es ganz gut, sich noch einmal an unsere Taufe als Kleinstkinder zu erinnern. Wir haben damals nicht aus einer großen Auswahl selbst unsere Taufkleider gewählt. Sie sind uns angezogen worden. Am Anfang unseres Lebens ist das so - wir werden angezogen. Wir lernen in den Kinder-Jahren von denen, die uns anziehen, was zu uns passt. Das gilt für Hemden und Hosen, für Röcke und Blusen, für Schuhe und Hüte oder Mützen. Da bildet sich unter dem Einfluss der Eltern unser persönlicher Geschmack.
Das gilt auch für die Kleidungsstücke, von denen der Kolosserbrief redet: Freundlichkeit, Geduld, Sanftmut, Güte, Demut - sie sind nicht angeboren, Lebensgabe oder eben Lebensdefizit, wenn sie fehlen. Sie werden gelernt durch Erziehung. Sie werden angeeignet durch Übung. Es gehört zur Aufgabe der Eltern und Paten, der Gemeinde, den Getauften dazu zu helfen, dass sie die Kleider anziehen lernen, die Gott für sie bereit hält. Kluge Eltern zwingen dabei ihren Kindern nichts auf - sie überzeugen durch ihr eigenes Beispiel.
In der Mitte unseres Lebens ziehen wir uns selbst an. Wir sind selbst verantwortlich für unser Outfit und unser Aussehen. Wir müssen nicht mehr anderen anlasten, was wir so anziehen: Das hast du mir aufgedrängt und aufgehängt! Wir können uns beraten lassen, was zu unserem Typ passt, aber dann treffen wir doch selbst die Entscheidungen. Keiner von uns ist da ganz unabhängig von Moden und Zeitströmungen - nicht in dem, was er oder sie äußerlich anzieht und auch nicht in seiner Auswahl aus der Kleiderkammer Gottes.
Mag sein, die Kleidungsstücke der Demut von vor 200 Jahren wirken heute ein wenig veraltet und die Sanftmut früherer Zeiten ist den Motten zum Opfer gefallen. Aber der Mut, sich einmal in den eigenen Bedürfnissen zurückzunehmen für einen anderen ist immer noch kleidsam, und die Stärke, einem aggressiven Menschen geduldig und ruhig zu begegnen, ziert immer noch. Jede und jeder wird dabei den eigenen Geschmack sorgfältig prüfen müssen und doch: es wird kleidsam sein. Jeden Tag neu ziehen wir uns an und entdecken, wie sich unsere Persönlichkeit mit den Kleidungsstücken weiter entwickelt. So ist es durchaus wahr: Kleider machen Leute - diese Kleider Gottes auf jeden Fall.
Am Ende unseres Lebens aber verliert die Kleidung langsam an Bedeutung. Wir spüren und wissen: Wir werden einmal die Kleider dieser Welt ablegen. Aber das verspricht uns Gott in der Taufe: Wir werden sie nicht ablegen und dann nackt und bloß dastehen. Wir werden entkleidet, damit wir neu eingekleidet werden mit der Kleidung der Ewigkeit.
Der Apostel Paulus sagt es einmal so: Wenn wir die Kleider Gottes anziehen, dann wächst in uns ein innerlicher Mensch, dann wachsen wir als Menschen nach dem Bild Jesu Christi. Von ihm her haben die Kleider Gottes ihren Zuschnitt, und auf ihn hin lassen sie uns wachsen. Und wenn wir einmal das letzte Hemd anhaben - weiß, wie das Kleid der Taufe, dann schenkt er uns das Kleid der Ewigkeit und es wird uns aussehen lassen wie Jesus, so dass wir ihm gleichgestaltet sind.
Unser Predigtwort sagt uns: Auf diesem Weg, in die Kleider Gottes hineinzuwachsen und in ihnen leben zu lernen, dürfen und sollen wir uns gegenseitig begleiten. Auf diesem Weg sollen und dürfen wir uns gegenseitig stützen und schützen. Auf diesem Weg sollen und dürfen wir uns gegenseitig ermutigen und stärken. Taufe lässt diesen Wachstumsweg in die Kleider Gottes beginnen und Gott will, dass er gelingt. Gemeinde ist dazu da, dass sie uns hilft, die Kleider Gottes, die er uns in der Taufe schenkt, auch wirklich anzuziehen und sie zu entdecken als den schönen Schmuck unseres Lebens. Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
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