Die singende Gemeinde
von Hellmuth Lauszat (99096 Erfurt)
Predigtdatum
:
15.05.2006
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Jubilate
Textstelle
:
Apostelgeschichte 16,23-34
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Wochenspruch:
Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder. (Psalm 98,1)
Psalm: 98 (EG 739)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 12,1-6
Epistel:
Kolosser 3,12-17
Evangelium:
Matthäus 11,25-30
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 322,1-6
Nun danket all und bringet Ehr
Wochenlied:
EG 243
oder EG 341
Lob Gott getrost mit Singen
Nun freut euch, lieben Christen g’mein
Predigtlied:
EG 303,1.5-6.8
Lobe den Herren, o meine Seele
Schlusslied:
EG 65,7
Von guten Mächten
(Zur Information: Das Zitat ist entnommen aus: Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Ev. Verlagsanstalt Berlin, 1957, Seite 75 und 77)
Liebe Gemeinde!
„In den ersten 12 Tagen, in denen ich hier als Schwerverbrecher abgesondert und behandelt wurde, hat sich Paul Gerhardt in ungeahnter Weise bewährt, dazu die Psalmen und die Apokalypse. Ich bin in diesen Tagen vor allen schweren Anfechtungen bewahrt worden... Anfangs beschäftigte mich die Frage, ob es wirklich die Sache Christi sei, um deretwillen ich Euch allen solchen Kummer zufüge; aber bald schlug ich mir diese Frage als Anfechtung aus dem Kopf und wurde gewiss... und wurde darüber ganz froh und bin es bis heute geblieben.“
Das schrieb Dietrich Bonhoeffer 1943 – wenige Wochen nach seiner Verhaftung – aus dem Gefängnis an seinen Freund. Und er fügte hinzu: „Lass uns einander versprechen, treu in der Fürbitte füreinander zu bleiben. Ich werde für Dich um Kraft, Gesundheit, Geduld und Bewahrung vor Konflikten und Versuchung bitten. Bitte Du für mich um das gleiche. Und wenn es beschlossen sein sollte, dass wir uns nicht wiedersehen, dann lass uns bis zuletzt in Dankbarkeit und Vergebung aneinander denken, und Gott möge uns dann schenken, dass wir einst füreinander bittend und miteinander lobend und dankend vor seinem Thron stehen.“
Die Freunde haben sich hier auf Erden nicht wiedergesehen: Dietrich Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg umgebracht, sein Freund Eberhard Bethge durfte leben.
Was dieser Brief aussagt, ist dieses: Das also gibt es, dass ein äußerlich Unfreier innerlich frei ist. Das also gibt es, dass ein Gefangener froh wird.
Und damit sind wir bei Paulus und Silas im Gefängnis zu Philippi. Von ihnen berichtet die Apostelgeschichte:
23 Nachdem man Paulus und Silas hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.
25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.
Paulus und Silas sind ins Gefängnis geworfen worden, weil man sie des Aufruhrs bezichtigt hatte. Der Anlass war dieser: Paulus hatte einer Frau den Wahrsagegeist ausgetrieben. Das hatte er getan, obwohl diese Frau die Wahrheit über ihn und Silas hinaus geschrieen hatte: „Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen.“ Das tat sie viele Tage lang. Paulus war darüber so aufgebracht, dass er den Geist austrieb.
Die Männer aber, die aus dem Wahrsagen dieser Frau viel Gewinn hatten, waren empört, ergriffen Paulus und Silas, schleppten sie zu den Stadtrichtern und sprachen: „Diese Menschen bringen unsere Stadt in Aufruhr; sie sind Juden und verkündigen Ordnungen, die wir weder annehmen noch einhalten dürfen, weil wir Römer sind.“ Sie sagten nicht: diese Männer haben uns das Geschäft verdorben. Sie sagten: Sie bringen unsere Stadt in Aufruhr.
Immer wieder wurden die Verkündiger der Botschaft von dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus verdächtigt. Die Gründe waren vielfältig: In Philippi verdarb Paulus den Herren dieser Wahrsagerin das Geschäft. Das geschah und geschieht immer wieder. Kirche ist gut, wenn sie den Gewinn nicht beeinträchtigt.
In vielen Ländern wurden und werden die Christen verdächtigt, gegen den Staat zu sein. Der „Staat“ – das waren und das sind aber nicht die Menschen, die den Staat bilden, sondern die da oben. So lange die Kirchen die herrschenden Regime in Ruhe lassen, werden auch sie in Ruhe gelassen. Wenn sie es aber wagen, Missstände mit Namen zu benennen, wenn sie es gar wagen, die Übel mit denen da oben in Verbindung zu bringen, werden sie verdächtigt.
Das ist besonders dort so, wo Diktatoren herrschen. Das haben wir Deutschen mehrfach erlebt – und um uns herum auch so manches andere Volk.
Christen sind Revolutionäre Gottes. Gottes Revolution ist ein Aufstand der Liebe gegen den Hass. Sie ist ein Einsatz des Lebens gegen den Tod. Sie ist Vergebung gegen alle Härte des Herzens. Die Jünger Jesu treiben Gottes Werk. Dieses Werk ist Erlösung des Menschen von Sünde, Tod und Teufel.
Das bringt uns ins Zwielicht bei denen, die nur in den Begriffen der Ordnung und Sicherheit denken können. Dieses Denken der Macht hat Christen und Kirchen immer wieder Verhöre, Verfolgungen, Benachteiligungen und Gefängnis eingebracht. Bis heute. Sie haben zu hören bekommen: Eure Sache ist zu Ende.
Sie haben die höhnische Frage aushalten müssen: Wo ist nun euer Gott? Aber sie haben getan und tun es noch, was Paulus und Silas und Bonhoeffer taten: Sie beteten und lobten Gott. Je härter die Angriffe, desto größer das Gebet. Je härter die Schikanen, desto größer das Lob Gottes.
Die angefochtenen Christen machen diese Erfahrung: Wenn Gott scheinbar am Ende ist, ist er in Wirklichkeit erst am Anfang.
Darum kann Dietrich Bonhoeffer gerade im Gefängnis die wunderbaren Worte dichten:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
Das Gebet und das Lob beantwortet Gott auf seine Weise: Dietrich Bonhoeffer musste sterben, Paulus und Silas kamen frei - jetzt noch. Später blieben auch für Paulus die Gefängnistore verschlossen. Er wurde enthauptet. Jetzt aber in Philippi geschieht Befreiung.
Die Erde bebt. Die Fesseln fallen. Der Weg in die Freiheit ist offen. Was aber tun die beiden? Sie bleiben im Gefängnis. Der Kerkermeister nimmt an, dass die Gefangenen geflohen sind. Er will Selbstmord begehen, weil er sich verantwortlich fühlt. Und er hört die Worte: „Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier.“ Offenbar auch die anderen Gefangenen, sie, die den Lobgesang der beiden gehört hatten.
Liebe Gemeinde! Die Christen sind nicht gegen den Staat, auch wenn Staatsfunktionäre sie ungerecht behandeln. Sie sind durchschaubar. Sie reden nicht mit zweierlei Zungen. Sie reden mit der einen Zunge, die Gott ihnen gegeben hat. Sie nehmen allerdings ihre staatsbürgerlichen Rechte wahr – wie im Anschluss an unseren Bericht zu lesen ist.
Der Kerkermeister ist davon, dass alle Gefangenen trotz der offenen Türen noch da sind, so überwältigt, dass er fragt: „ Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?“
Ist das die Frage der Angst?
Also: Folge des Erdbebens, des „Wunders“ der gelösten Fesseln? Doch wohl nicht. Wenigstens nicht allein. Sonst hätte er nicht nach der Rettung gefragt – nun, da doch das Erdbeben vorbei war und sie alle „gerettet“ waren. Er muss wissen oder spüren, dass diese beiden Männer eine noch ganz andere Rettung anzubieten haben. Und so ist es.
Paulus sagt: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und alle, die in deinem Hause leben, gerettet werden“. So einfach ist das. Fast zu einfach für unsere Ohren, die vor allem auf Probleme hören. Das Einfache ist aber oft das Grosse.
„Ich liebe dich“ – wie einfach das klingt. Und ist doch so groß! „Glaube an den Herrn Jesus“ – wie einfach das klingt. Und ist doch ganz groß!
Und Paulus erzählte ihm und seinen Hausgenossen, wer Jesus war und wer er jetzt ist. Und sie ließen sich taufen. Der Kerkermeister deckte ihnen den Tisch. Feierten sie das heilige Abendmahl?
„Und er freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er Gott gläubig geworden war.“ „Er freute sich“ ist noch zu schwach für das, was das griechische Wort meint. Es meint: „Er jubelte“, „er frohlockte“. Er tat das, weil er nun das Wichtigste seines Lebens entdeckt hatte.
Liebe Gemeinde! Mit dem Lob Gottes beginnt die Geschichte, mit dem Jubel über Gott endet sie. Das alles ist erzählt, damit wir uns in dem Kerkermeister wieder entdecken. Jeden von uns soll die Frage nicht loslassen: „Was soll ich tun, dass ich gerettet werde?“ Wir sollen die Antwort täglich neu in unser Leben einlassen: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus gerettet!“
Nur so entsteht und bleibt Lob und Jubel über den Gott, der stärker ist als alle Verdächtigungen und Anfeindungen unserer Welt und unserer Umwelt, ja stärker ist als der größte Feind des Lebens: stärker als der Tod. Amen.
Verfasser: Pfr. i. R. Hellmuth Lauszat, Grimmstr. 32, 99096 Erfurt
© Copyright:
Herausgegeben vom

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich
(Bestellformular).