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Die singende Gemeinde

von Christoph Schweikle (Kirchheim unter Teck)

Predigtdatum : 28.04.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Jubilate
Textstelle : Jesaja 12,1-6
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Wochenspruch:

"Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder." (Psalm 98, 1)

Psalm: 98 (EG 739)

Lesungen

Altes Testament: Jesaja 12, 1 - 6

Epistel: Kolosser 3, 12 - 17

Evangelium: Matthäus 11, 25 - 30

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 302, 1 - 4. 8 Du meine Seele, singe

Wochenlied: EG 243 Lob Gott getrost mit Singen

Predigtlied: EG 611 EG 272 Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt oder: Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen

Schlusslied: EG 306 Singt das Lied der Freude

Hinführung:

Die Kapitel Jesaja 1-12 enthalten hauptsächlich Gerichtsworte über Jerusalem - neben großen messianischen Verheißungen. Unser Text schließt diesen Teil ab. Jesaja „prophezeit“ ein zweiteiliges Dank-lied für die Zeit, wenn Gott eingegriffen haben wird (Futur II).

Erstes Lied (Verse 2+3)

V. 1 irritiert: Gott danken für seinen Zorn? V. 2 zitiert die erste Zeile des ältesten Liedes der Bibel, Miriams Siegeslied (2.Mose 15,2), das an den Auszug Israels aus Ägypten erinnert. V 3 spielt auf das Wasserschöpfen am Laubhüttenfest an.

Das zweite Lied (Verse 4-6) zitiert anfangs „Davids Danklied“ zur Aufstellung der Bundeslade in Jerusalem (1. Chronik 16,8), das in Psalm 105 wieder aufgenommen ist. 1. Chronik 16,7 vermerkt, dass dieses Lied eine „Premiere“ für Asaf und seine Brüder war, damals also ein neu(artig)es Lied.

Beide Lieder greifen zurück auf den „Urbestand“ des Singens Israels, sie sind gewissermaßen „Zukunftsmusik aus dem Ur-Reper-toire“. Das neue Lied zeichnet sich nicht durch Neuheit aus, sondern durch seine erneuernde Kraft.

Gliederung:

1. Kantate: die Kirche singt – aber manche mögen auch nicht singen

2. Diskussion ums „neue Lied“

3. Stolperstein: danken für Gottes Zorn?

4. aus dem Ur-Repertoire schöpfen wir das neue Lied

5. singen wir die Zukunft schon jetzt!

Hinweis:

Am Sonntag Kantate ist es gut und wichtig, mit dem Organisten und anderen singenden Menschen in der Gemeinde vorher Kontakt aufzunehmen.

Predigt:

1.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

der heutige Sonntag Kantate hebt hervor, dass wir eine singende Kirche sind. Nicht erst seit der Reformation, aber seither besonders. In jedem Gottesdienst wird kräftig gesungen. Manchmal reicht die Liederanschlagtafel nicht aus, wenn noch eine Segensstrophe, ein Tauflied oder ein Abendmahlslied dazu kommen.

Auch das Gesangbuch reicht nicht mehr, wir singen zusätzlich aus dem Neue-Lieder-Heft [ggf. an örtliche Gegebenheiten anpassen], aus kopierten Blättern oder von der (Lein) Wand. Und neben der Orgel kommen Keyboard, Gitarre und Schlaginstrumente zum Einsatz. Kirchenchor, Gospelchor, Posaunenchor und Sing-Team unterstützen uns beim Singen.

Viele Menschen freuen sich richtig aufs Singen in der Kirche. Da leben sie auf, und oft begleitet ein Lied sie durch die ganze Woche. Aber es gibt auch Menschen, denen graust es vor dem Singen, weil sie die Lieder nicht kennen oder ihrer Stimme nicht so recht trauen. [Der/die Prediger/in kann sich hier „outen“, zu welcher der beiden Gruppen er/sie sich selber zählt.]

Wenn’s Ihnen so geht, grüße ich Sie heute ganz besonders. Ich freue mich, dass Sie trotzdem gekommen sind! Ich lade Sie ein: genießen Sie die Musik einfach so. Singen Sie getrost im Herzen mit, und gerne auch von Herzen in ihren eigenen Tönen. Wenn der Laie denkt „das klingt aber schief“, sprechen Musiker vielleicht von „harmonischer Spannung“ oder von einem „Vorhalt“ und finden es ganz prima. Also, nur Mut! Solange wir gemeinsam aufhören, passt es schon.

2.

Apropos „harmonische Spannung“ und „Vorhalt“: die kommen gelegentlich auf im Kirchengemeinderat oder zwischen den Generationen, wenn’s um das „Neue Lied“ geht. „Singet dem Herrn ein neues Lied“, sagt unser Wochenspruch so einfach. Und genau da scheiden sich die Geister.

Den Einen ist’s schnell zu viel mit den neuen Liedern. Die kennt man kaum, der Rhythmus ist kompliziert, der Text geht nicht tief genug oder er ist auf Englisch. Lieder müssen sich doch erst ein paar Jahrhunderte lang bewähren, dann geben sie einem Halt im Leben und im Sterben.

Die Anderen finden Choräle langweilig und schwierig, die Melodien zu traurig, die Texte unverständlich und ihre Themen überholt. Lieder sollten nicht älter sein als man selber, sonst sind sie „out“.

Solche Vorhalte und Spannungen finden wir freilich nicht prima, wir wollen sie lieber harmonisch und in Liebe auflösen. Es wäre doch schade, wenn nur noch die Traditionellen oder nur noch die modern Gestimmten singen würden in der Kirche. Singen wir lieber zusammen. Mit ein bisschen Bemühen und gutem Willen schaffen wir’s sicher und freuen uns miteinander.

Wenn wir Gott heute loben, loben wir ihn, dem Wochenspruch gemäß, für die Neuen Lieder. Sein Geist hat zu allen Zeiten Menschen inspiriert, neue Lieder zu dichten, und das hat bis heute nicht aufgehört.

Der Predigttext für diesen Sonntag spricht nun aber nicht nur von brandneuen Liedern, sondern sogar von Zukunftsmusik. Hören wir auf den Propheten Jesaja, was er uns im zwölften Kapitel, in den Versen 1-6 zu sagen hat:

Predigttext

3.

Liebe Schwestern und Brüder,

habt ihr das gehört, diesen schrägen Ton in Jesajas Lied? Diese Disharmonie, in die wahrscheinlich niemand von uns so einfach einstimmen kann?

„Ich danke dir, Herr, dass du bist zornig gewesen über mich!“

Das passt so gar nicht zusammen! Zumal Jesaja damit Katastrophen meint, die sich erst zusammenbrauen, die noch keiner ausgelotet und erst recht nicht überstanden hat. Dafür kann man doch nicht danken und jubelnde Lieder singen! Der Prophet ist sehr wohl dieser Ansicht, und das aus zwei Gründen.

Erstens ist er gewiss, dass die anstehenden Katastrophen aus Gottes Hand kommen und sonst nirgendwo her. Er weigert sich, menschliche Bosheit oder teuflische Heimtücke als letzten Grund für all das Schlimme anzusehen, das über einen hereinbrechen kann. Gott hat das letzte Wort, auch wenn er uns seine dunkle Seite zeigt. Er zürnt über uns, aber wir sind ihm nicht egal. Wir haben manches durchzustehen, aber wir fallen nicht aus seiner Hand. Es gibt kein schwarzes Loch in der Welt, das dich verschluckt. Vielmehr wird eine Zeit kommen, wo sich sein Zorn wendet, wo Gott dich errettet haben wird.

„…wo Gott dich errettet haben wird.“ Das ist grammatisch gesehen Futur II, die Zukunft hinter der Zukunft. Echte Zukunftsmusik. Du wirst einmal Gott loben, auch für das, was jetzt noch bitter und finster und absolut bedrohlich vor dir steht. Damit verschwindet die Katastrophe nicht gleich, aber Gott wird dich einmal daraus errettet haben.

4.

Wie kann Jesaja sich da so sicher sein?

Die Antwort mag verblüffen: er ist sich deshalb so sicher, weil er die alten Lieder kennt.

Das ist der zweite Grund für seine Zuversicht. Jesaja schreibt seinem Volk ein Lied ins Stammbuch, das es längst kennt. Eigentlich sind es zwei Lieder, die Jesaja zusammen komponiert und etwas weiter dichtet.

Das erste ist sehr kurz: „Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der Herr ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.“

So fängt das Lied der Miriam an. Es ist das älteste und erste Lied in der ganzen Bibel. Moses Schwester hatte es angestimmt, nachdem Gott sein Volk mitten durch das Rote Meer geführt hatte. Jetzt, auf der anderen Seite, waren sie endgültig sicher vor dem Pharao, endgültig frei aus der ägyptischen Sklaverei. Die Krise war überstanden. Gott hat sie errettet.

Die Wunder dieses Auszugs wurden unter anderem beim Laubhüttenfest gefeiert, und zu diesem Fest gehört das Wasserschöpfen aus den Quellen vor Jerusalem. Daran erinnert der Nachsatz von Jesajas erstem Lied:

„Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen.“

Und das heißt ganz konkret: auch wenn ihr in den kommenden Wirren ins Exil weggeführt werdet – ihr werdet einmal wieder zurückkommen. Ihr werdet das Fest der Erlösung wieder in Jerusalem feiern.

Auch das zweite Stück von Jesajas Zukunftsmusik hat Geschichte. Es ist bekannt als „Davids Danklied“. Der König lobt Gott überschwänglich. Ja, er tanzt sogar so wild, dass es seiner Frau peinlich ist. Sie hatten die Bundeslade von den Philistern geholt und nach Jerusalem gebracht. Die kostbare Truhe verkörperte die Nähe Gottes, seine Herrlichkeit. Jetzt steht sie da und bezeugt für alle sichtbar: Gott ist wieder bei seinem Volk. Die Unsicherheit, das Kämpfen, die Zweifel sind vorbei, Gott ist bei uns, und wir sind bei ihm.

Dafür lässt David ein neues Lied komponieren. Zum ersten Mal dichten Asaf und seine Brüder einen Psalm, so steht’s ausdrücklich im Chronikbuch. Es ist eine Premiere. Sie singen:

„Danket dem Herrn, rufet an seinen Namen!“ „Lobsinget dem Herrn, denn er hat sich herrlich bewiesen.“ „Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!“.

Und dazu kommt ein wirklich neuer, bis dahin noch nicht gehörter Ton: „Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist!“ „Solches sei kund in allen Landen!“

Alle Welt soll unseren Gott bewundern. Alle Völker sollen ihn anbeten und einstimmen in sein Lob. Israels Begeisterung über seinen großen, heiligen Gott steckt andere an. Sie wollen ihn auch kennen lernen und ihm dienen.

Davids –oder besser Asafs - Lied ist so berühmt geworden, dass es in Psalm 105 wieder aufgenommen wird. Und es gibt weitere Psalmen, die ganz ähnlich klingen. Jede Generation setzte noch etwas dazu an Lob und Jubel.

Zur Zeit Jesajas waren das allesamt historische Lieder. Alte, fast schon abgesungene Choräle sozusagen. Und doch Zukunftsmusik von einer erneuernden Kraft.

Es hängt also nicht am Entstehungsdatum, ob ein Lied „neu“ ist oder „alt“. Zeitgemäße Worte und Töne können uns bestimmt neue Einsichten eröffnen. Aber auch alte Lieder sind immer neu für Überraschungen gut.

Wichtig ist, dass wir sie singen, die aktuellen und die klassischen Lieder. Miteinander. Immer und immer wieder. Bis wir sie auswendig und inwendig können. Lieder durchdringen uns und nehmen uns mit. Sie verbinden uns mit den vielen, die vor uns geglaubt, geliebt und gehofft haben, und mit denen, die das gerade jetzt mit uns zusammen tun. Sie bezeugen, wie Gott andere vor uns und neben uns errettet hat. Sie lassen uns inne werden, dass wir in diesem Moment und ganz gewiss auch morgen und übermorgen allen Grund haben, die Stimmen zu erheben und Gott zu loben.

Paulus und Silas sangen im Gefängnis, und die Fesseln fielen ab von ihnen. Was immer dich bindet, eine äußere oder innere Not, Sorge um andere, eine schwierige Entscheidung, lähmende Routine, Ziellosigkeit – hol‘ ein Stück Zukunftsmusik aus deinem Repertoire und sing‘. Dann fallen die Fesseln ab, die Wolken reißen auf, und du spürst, wie Gott dir sein Angesicht freundlich zuwendet.

Halleluja. Lobet Gott!

[Anregung: an Kantate die Predigt mit „Halleluja“ anstelle von „Amen“ abschließen als direkte Überleitung zum nachfolgenden Lied]

Fürbittengebet:

[Der Predigt und der österlichen Freudenzeit entsprechend sind die Fürbitten als Lobgebet gehalten. Sie können auch als „diakonisches Lob“ von zwei Personen vorgetragen werden. Die Gemeinde stimmt ein mit dem „Halleluja“ aus EG 103]

I Herr, unser Gott, du gibst uns Anlass zur Freude und zum Jubel. Unser kleinkariertes Sorgen und unseren Hang zum Jammern brichst du auf und machst uns frei zu Hoffnung und Dank. Wir wollen das neue Lied miteinander üben und dich loben:

Halleluja, Halleluja, Halleluja

I Vor dir, Herr, denken wir an deine Kirche in der ganzen Welt und alle ihre Glieder, an ihre Glaubwürdigkeit, an ihre Verkündigung, an ihr Singen und Musizieren zu deiner Ehre –

II Du, Gott, führst uns aus der Enge in die Weite. Du verwandelst unsere Verzagtheit in Mut, du unterbrichst unser Um-uns-selbst-Kreisen mit der Vision von deiner Zukunft. Wir loben dich:

Halleluja, Halleluja, Halleluja

I Vor dir, Herr, denken wir an alle, die sich schwer tun, die krank sind, die in einer Krise stecken. Wir denken an die, die den Glauben an sich selber verloren haben, die sich in Konflikten aufreiben, die ohne Aussicht auf Erfolg sich abmühen –

II Du, Gott, bist ihnen besonders nahe. Du gibst Kraft zum Durchhalten und zeigst Perspektiven auf. Du hilfst denen, die sich selbst nicht helfen können. Wir loben dich:

Halleluja, Halleluja, Halleluja

I Vor dir, Herr, denken wir an alle Kinder, die in unserer Kirche getauft wurden, an die Konfirmandinnen und Konfirmanden. Wir denken an die Chancen und Entdeckungen, die vor ihnen liegen. Wir hoffen mit ihnen und für sie, dass sie ihren Weg finden und dass ihr Leben gelingt –

II Du, Gott, schenkst ihnen Mut, eigene Wege zu erkunden, offen und unbefangen zu fragen, auch nach dir. Du hältst sie bei dir in der verwirrenden Vielfalt der Angebote. Du begleitest ihr Heranwachsen und du bist ihnen nahe. Wir loben dich:

Halleluja, Halleluja, Halleluja

I Vor dir, Herr, denken wir an die Menschen, die voll im Leben stehen, die Verantwortung tragen, die hohen Anforderungen genügen müssen, und die an sich selber hohe Ansprüche stellen –

II Du bewahrst sie vor übermenschlichem und unmenschlichem Streben. Du schenkst ihnen die not-wendigen wegweisenden Ideen. Du öffnest ihnen die Augen für das, was im Leben wirklich zählt. Wir loben dich:

Halleluja, Halleluja, Halleluja

Verfasser: Pfarrer Christoph Schweikle

Jesinger Straße 70, 73230 Kirchheim unter Teck


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