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Die singende Gemeinde

von Janine Knoop-Bauer (Bad Homburg)

Predigtdatum : 24.04.2016
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Jubilate
Textstelle : Kolosser 3,12-17
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Wochenspruch:
"Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder." (Psalm 98, 1)

Psalm: 98 (EG 739)

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 12, 1 - 6

Epistel: Kolosser 3, 12 - 17

Evangelium: Matthäus 11, 25 - 30

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 302, 1 - 4 Du meine Seele, singe
Wochenlied: EG 243, 1, 5, 6 Lob Gott getrost mit Singen
Predigtlied: EG 640 Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen
Schlusslied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln

Predigttext: Kol 3, 12 - 17
So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld;
13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.
15 Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.
16 Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.
17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Gott schenke uns ein Wort für unser Herz und ein Herz für sein Wort – Amen

Liebe Gemeinde,

den Schuh zieh ich mir nicht an! Soweit kommt es noch. Was soll ich denn noch alles machen? Wofür soll ich denn noch alles verantwortlich sein?

Kennen Sie diese Reaktion? Von sich? Von anderen?

Ich kenne das immer dann von mir, wenn jemand etwas von mir erwartet, mit dem ich nicht einverstanden bin. Oder mich kritisiert für etwas, was ich nicht als meine Verantwortung anerkennen möchte. Das ist meine Art mich zu wehren: Den Schuh zieh ich mir nicht an. Soll sich jemand anders Blasen darin laufen!

Die Passage aus dem Kolosserbrief, die wir heute als Predigttext haben, kann man nun hören als eine ganze Kollektion von Schuhen, die man sich anziehen könnte und sollte. Denn die Hörerinnen werden ja direkt dazu aufgefordert: So zieht nun an: herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Und damit noch nicht genug: Auch die Fähigkeit zu Verzeihen und die Liebe liegen zum Anziehen bereit.

Das ist eine Menge, die da erwartet wird. Will ich mir diesen Schuh anziehen? Oder gehe ich auf Abwehrhaltung und entziehe mich diesem Anspruch?

Ein Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage könnte es sein zu verstehen, warum wir diese ganzen Eigenschaften anziehen sollen. Es klingt ja zunächst so, als ob wir sie anziehen müssen, damit wir vor Gott bestehen können. Es macht den Eindruck, als ob wir uns erst bemühen müssten dies alles zu erfüllen, bevor wir angenommen sind. Wie eine Voraussetzung, um dazu zu gehören.

Diese Lesart macht es schwierig sich nicht völlig überfordert zu fühlen. Ich glaube auch, dass sie nicht stimmt.

Um zu erklären wieso, möchte ich ein Bild benutzen. Denn mir hilft es sich vorzustellen, dass es sich bei den angebotenen Kleidungsstücken um eine Art Schutzkleidung handelt. Ich lade Sie dazu ein sich vorzustellen, dass das was uns hier angeboten wird, die richtige Arbeitskleidung im Leben und Arbeiten als Christinnen und Christen in der Welt ist. So wie wir im Labor Schutzkleidung tragen und auf dem Bau einen Helm und Arbeitsschuhe mit Stahlkappen, so empfiehlt der Autor des Kolosserbriefes Schutzkleidung für ein Leben in der Welt als Christin.

Wovor soll uns das schützen? Der Zusammenhang des Briefes macht es deutlich. Offenbar waren damals, ebenso wie heute, viele verschiedene Lehren im Umlauf, die alle von sich behaupteten zu Glück und Zufriedenheit zu führen. Doch einige davon hatten einen Haken: Sie forderten von den Menschen die Einhaltung strenger äußerlicher Auflagen: es gab unterschiedliche Speisegebote, es ging um die Kasteiung des Leibes.

Wir kennen das. Auch in unserer Zeit gibt es viele Lebensstile, die einen solchen Haken haben. Einige von Ihnen propagieren auch strenge Speisegebote: Ja, manchmal kommt es mir so vor als ob es einen regelrechten Wettbewerb darin gäbe, wer seine Ernährung am krassesten umgestellt hat. Veganismus, Rohkostveganismus, Flexitarier und …

Und es gibt viele Gruppen, die sich über andere Äußerlichkeiten definieren. Seien es besondere Markenprodukte, die man braucht um dabei zu sein, eine besondere Hautfarbe, ein bestimmtes Geburtsland.

Das Problem an diesen Lehren ist vor allem ihre Wirkung, wenn sie zum Dogma werden. Sie definieren klar ein Außen und Innen. Diejenigen, die sich auf die klar definierten Regeln einlassen, gehören in den Kreis, die anderen stehen draußen. Aber dagegen genau argumentiert der Kolosserbrief. Es soll kein Innen und Außen mehr geben. Das ist nämlich der Kern der christlichen Botschaft, davon ist der Autor überzeugt. In dem Absatz der genau vor dem Predigttext steht heißt es: (Kol 3,11) Da ist nicht mehr Grieche oder Jude, Beschnittener oder Unbeschnittener, Nichtgrieche, Skythe, Sklave, Freier, sondern alles und in allen Christus.

Regeln, die dazu dienen andere auszuschließen, will der Brief nicht gelten lassen. Und doch weiß der Autor des Kolosserbriefes und doch wissen wir alle, wie schwer es manchmal ist sich solchen Regeln zu widersetzen. Denn es macht das Leben einfacher. Es ist hilfreich bisweilen die Welt in Gruppen und Bezirke einzuteilen. Grenzen zu definieren und klar zu wissen wohin man selbst gehört: Auf welcher Seite die Freunde stehen und wo die GegenerInnen. Und weil das so ist, bietet uns der Kolosserbrief ein Set an Schutzkleidung an. In der Bibel wird da manchmal auch von einer Rüstung gesprochen, aber so militant müssen wir das gar nicht sehen, zumal ich mir bei den angebotenen Dingen kaum vorstellen kann, dass sie blechern und schwer wie Blei sind. Ich möchte mir einige dieser Dinge genauer anschauen:

Da ist das herzliche Erbarmen an erster Stelle:
Ein so schönes altes Wort: Erbarmen. Im Duden wird erklärt: Wenn man sich erbarmt, dann hilft man jemandem aus Mitleid. Mitleid ist ja ein wenig in Verruf geraten. Vielleicht weil es den Anschein erweckt, als ob es ein Gefälle aufmacht zwischen dem, der hilft und dem, dem geholfen wird. Es klingt ein wenig von oben herab. Dabei beschreibt es eine so wunderbare menschliche Fähigkeit: Mitleiden. Sie besagt doch, dass wir nicht kalt bleiben, wenn wir jemanden leiden sehen. Sie besagt, dass wir fähig sind mitzufühlen. Dass wir uns in die Lage eines anderen hineinversetzen können und fähig sind zu spüren, dass es ihm nicht gut geht. Es ist ein Gefühl, das in sich bereits die Grenzen zwischen Gruppen aufhebt. Es in sich wachzuhalten, schützt davor Grenzen zwischen Menschen zu ziehen, wo keine hingehören. Herzliches Erbarmen erkennt im Gegenüber den Mitmenschen oder christlich ausgedrückt: Das Mitgeschöpf, ein weiteres Kind Gottes, dem es zu helfen gilt, wenn es Hilfe braucht.

Sanftmut nennt der Autor noch.
Wer wäre nicht gerne mutig. Mut ist eine Eigenschaft, die fast alle Gruppen von ihren Mitgliedern fordern. Seid mutig und stark heißt es oft – meist im Kampf gegen irgendetwas und irgendwen. SoldatInnen sollen mutig sein. Terroristen wird von ihren Gruppierungen Heldenmut attestiert. Dem Kolosserbrief geht es um etwas anderes. Luther übersetzt hier Sanftmut, in anderen Übersetzungen findet sich auch das Wort Demut. Es ist eine besondere Art des Mutes, die hier beschrieben ist. Demütig ist ein Mensch, der die Kraft hat zu leben, ohne davon überzeugt zu sein, dass er die Wahrheit gepachtet hat. Es ist der Mut, den es braucht, um in Offenheit zu leben. Der Mut, den es braucht, einander zuzuhören, sich gemeinsam auf die Suche zu machen und nicht so zu tun, als ob man immer schon wüsste, was richtig ist. Es ist der Mut, den es braucht ohne Dogma zu leben, weil man weiß, dass es immer mehr Fragen geben wird als Antworten. Wer de-mutig durchs Leben geht, ist gut geschützt gegen alle allzu einfachen Antworten und Glücksformeln.

Die Fähigkeit zu vergeben nennt der Kolosserbrief.
Wovor könnte uns das schützen? Wer etwas zu vergeben hat, der wurde doch schon verletzt. Schutz kommt da etwas spät. Es ist auch nicht die Verletzung, vor der uns die Vergebung schützt, sondern ihre Folgen. Wer vergeben kann, der muss nicht leben im Gefängnis seines Opferseins. Der muss nicht leben mit den Grenzen, die die Verletzung zieht, sondern kann sich über sie hinwegsetzen. Der wird frei für neue Begegnungen, in denen die alten Verletzungen vielleicht auch heilen können.

So bietet uns der Kolosserbrief heute Morgen Schutzkleidung an für unser Leben. Schutzkleidung, die wir nicht erwerben müssen, sondern die wir alle schon im Schrank hängen haben – im Schrank unserer Möglichkeiten. Und es verändert sich etwas, wenn wir die Aussagen des Predigttextes nicht als Aufforderung, sondern als Zusage hören. Es heißt nicht: Du musst Dich herzlich erbarmen, sondern: Du bist fähig dazu herzliches Erbarmen zu empfinden. Es heißt nicht: Du musst demütig sein, sondern: Nutze Deine Fähigkeit voll Demut die Antworten der Welt zu hinterfragen. Es heißt nicht: Du musst verzeihen können, sondern: Du kannst verzeihen und musst nicht mit den schmerzenden Grenzen der Verletztheit leben.

Es ist ein Angebot, sich diese Schuhe an zu ziehen – keine Aufgabe, die es zu bewältigen gibt. Ein Privileg, aber eines, das jedem und jeder offen steht. Allen, die sich angesprochen fühlen als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten. Und da dürfen wir uns alle angesprochen fühlen. Ohne Ausnahme. Und so ausgerüstet können wir in den Fußstapfen Jesu wandeln - und Gott dankbar singen mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern in unseren Herzen.
Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre Eure Herzen und Sinnen in Christus Jesus, Amen



Verfasserin: Pfarrerin Janine Knoop-Bauer
Heidelberger Landstraße 307, 64297 Darmstadt


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