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Die Speisung der Fünftausend

von Sven Sabary (63150 Heusenstamm)

Predigtdatum : 31.07.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : 7. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Johannes 6,1-15
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Wochenspruch: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. (Epheser 2,19)

Psalm: 107,1-9

Lesungen

Reihe I: Johannes 6,30-35
Reihe II: Hebräer 13,1-3
Reihe III: 1. Könige 17,1-16
Reihe IV: Johannes 6,1-15
Reihe V: Apostelgeschichte 2,41-47
Reihe VI: 2. Mose 16,2-3.11-18

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 229 Kommt mit Gaben und Lobgesang
Wochenlied: EG 320 Nun lasst uns Gott dem Herren
Predigtlied: EG+ 112 Wir haben Gottes Spuren festgestellt
Schlusslied: EG 632 Wenn das Brot, das wir teilen

Predigttext: Johannes 6,1-15

1 Danach ging Jesus weg ans andre Ufer des Galiläischen Meeres, das auch See von Tiberias heißt. 2 Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. 3 Jesus aber ging hinauf auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern. 4 Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden. 5 Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? 6 Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. 7 Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder auch nur ein wenig bekomme. 8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: 9 Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das für so viele? 10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer. 11 Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, so viel sie wollten. 12 Als sie aber satt waren, spricht er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. 13 Da sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren. 14 Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. 15 Da Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er allein.

Hinführung

Der Bericht über die Speisung der 5.000, wie er im Johannesevangelium überliefert ist, ist für viele einerseits bekannt, andererseits wirft er bereits beim ersten Hören oder Lesen Fragen auf. Diesen soll zunächst nachgegangen werden. Anschließend wird untersucht, welche Relevanz dieser Bericht heute haben kann.

Insbesondere die Verse 5 bis 13 stellen die johanneische Parallele zu den Berichten über die Speisungen der 4.000 bzw. 5.000 in den synoptischen Evangelien dar. Dort wird aber nichts über die „Königsproklamation“ berichtet. Diese findet sich nur bei Johannes (Verse 14 bis 15). Der Speisungsbericht kann mit Wolfgang Günther[1] als selbstständig betrachtet werden, so dass die johanneische Hinführung (Verse 1 bis 4) für die Predigt weniger relevant sein muss.

Der Hinweis auf das bevorstehende Passa-Fest (Vers 4) findet sich ebenfalls nur bei Johannes. Dies kann als Erinnerung an die Befreiung aus Ägypten oder auch an die Sättigung mit Manna (Ex 16) entfaltet werden. Gerade jene Speisung in der Wüste kann als ein Wunder beschrieben werden, das sich nach einer jüdischen Hoffnung wiederholen wird, wenn der Messias kommt. Ähnlich lässt sich der genannte Berg (Vers 3) mit dem Berg Sinai als Ort der Gottesoffenbarung verbinden. So erscheint Jesus als ein Prophet in der Tradition des Moses (Vers 14).

Bei Johannes ist die Perikope thematisch eng verzahnt mit Jesu Brot-Rede in Kapernaum (Verse 22 bis 59), trotz des Einschubes von Jesu Gang auf dem Wasser (Verse 16 bis 21).

Mich leitet die Erfahrung, dass der Sinn eines Textes jeweils immer wieder neu zwischen Text und Hörerin bzw. Leser entsteht (semiotische Exegese). Daher formuliere ich aus meiner Perspektive und ermutige, meine Vorschläge kritisch zu prüfen und entsprechende eigene Erfahrungen einzuspielen.

Predigt

Bei Gott ist nichts unmöglich

Jesu Speisung der 5.000 erinnert daran:
Auch weniges zu teilen kann alle satt machen.

Liebe Gemeinde,

der heutige Predigttext begleitet manche von uns seit Kindertagen. Für andere ist er neu. In beiden Fällen stellen sich Fragen, die unterschiedlich beantwortet werden können. Abhängig von der eigenen Biographie, den persönlichen Erfahrungen und auch der individuellen Einstellung Gott gegenüber. Ist bei Gott nichts unmöglich? Was traue ich Gott zu? Wie plausibel erscheinen mir Berichte über Jesu wunderbare Speisungen von tausenden hungrigen Menschen? Und schließlich: Was trägt das für meine Gottesbeziehung aus?

Wir hören das biblische Wort, das uns heute guttun möge. Es ist im 6. Kapitel des Johannes-Evangeliums überliefert.

(Predigttext)

Liebe Gemeinde,

unterwegs in Galiläa zieht sich Jesus mit seinem engsten Kreis aus der Öffentlichkeit zurück, über das Galiläische Meer hinweg, hinauf auf einen Berg. Ich höre hier eine Aufforderung an mich, mir selbst auch immer wieder Zeiten zu reservieren, um zur Ruhe zu kommen, um neue Kräfte tanken zu können. Für viele heute ist das ein unvorstellbarer Luxus. Nichtsdestotrotz ist es gut, sinnvoll und oft auch notwendig, kann also helfen, Not zu wenden.

Gleichzeitig bleibt Jesus auch auf diesem Berg ansprechbar für die Nöte der Menschen. Er sieht die vielen Menschen, die sich nach Heilung und Zeichen göttlicher Präsenz sehnen. Jesus, ganz Gott, kennt ihre Sehnsüchte. Und Jesus, ganz Mensch, weiß, was jetzt konkret benötigt wird: Für alle ein sättigendes Abendessen. Er selbst organisiert einerseits das Lebensnotwendige und eröffnet andererseits den Blick auf das wunderbare Heilshandeln Gottes. Dies kann schon im Ansatz wahrgenommen werden. Auf dem Berg in Galiläa und überall, auch hier.

Der Bericht über die Speisung damals wird mitunter als „Geschenkwunder“ beschrieben. Es wird eine Erfahrung weitergetragen, die „viel Volk“ (Vers 5) bzw. „etwa fünftausend Männer“ (Vers 10) gemacht haben. Ich denke, wir können – auch wenn es nicht eigens erwähnt wird – davon ausgehen: Es waren auch sehr viele Frauen und auch sehr viele Kinder dabei. Eines wird später explizit genannt.

Sie alle erfahren: Gott – Mensch geworden in Jesus, dem Christus – kann aus wenig so viel machen, dass es nicht nur für alle reicht (Vers 12). Sondern auch, dass die Menge der (Brot-) Reste größer ist, als die ursprünglich zur Verfügung stehenden Brote und Fische (Vers 13).

Hier können sich durchaus Fragen stellen: Wie kann das sein? Mathematisch? Praktisch? Kann dieser Bericht plausibel sein? Und traue ich es Gott überhaupt zu? Schlussendlich kann das nur jede und jeder für sich beantworten. Wer nur einmal in die Augen eines Neugeborenen geschaut hat, wer nur einmal einen Sonnenaufgang erlebt hat, der zu Herzen geht oder wer nur einmal eine Melodie hörte, die zu Tränen rührte, der und die hat erfahren: Es gibt Wunder. Sei es das Wunder des Lebens, das Wunder der Schöpfung, das Wunder der Liebe. Oder noch viele mehr.

Und wer Gott diese Kraft, Wunder zu verbringen, zutraut, kann sagen: Für Gott ist auch diese Speisung möglich. So sehr die göttliche Kraft Christi unseren Vorstellungen anscheinend auch widerspricht, so nah ist uns die menschliche Geste des fürsorglichen Jesus, der die Jünger auffordert, aufzupassen, dass nichts umkommt (Vers 12).

Dass aus Wenigem unglaublich viel werden kann, wird zum Bespiel auch im Werk von August Hermann Francke deutlich. Es wird berichtet: Seine Hallensischen Stiftungen begannen mit einem Geschenk von fünf Talern[2] .

Die Menschen, denen wir den Bericht von der Speisung der 5.000 verdanken, haben hier Gott am Werk erfahren. Und sie haben im Rückblick einen Bezug zu Jesu letztem Mahl eingetragen. Auch wenn hier von Fischen die Rede ist und der Bezug zum Kelch bzw. Wein fehlt. Die Verben: Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen (Vers 11a) finden sich in den Einsetzungsworten wieder.

Gleichzeitig wird mir in der Erzählung  aber deutlich: Zunächst geht es ganz konkret darum, leiblichen Hunger zu stillen. Das ist – gerade angesichts zahlreicher Konflikte und Kriege sowie der klimatischen Veränderungen – bis heute eine massive  Herausforderung.

Dass diese auch für Christinnen und Christen persönliche Konsequenzen haben kann, zeigt ein Wort von Helder Camara (ehemals Erzbischof von Recife): „Wenn ich den Armen Brot gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich sage, woher der Hunger kommt, schimpfen sie mich einen Kommunisten.“[3] Jesus selbst macht aber deutlich: Es geht ihm um mehr als um irdische Verteilungsgerechtigkeit, um Weltanschauungen oder rein gesellschaftspolitische Fragen. Er stillt den Hunger der Menschen, die er vor sich hat. Aber als  die Menge ihn zum König proklamieren möchte, entzieht er sich ihnen (Vers 15).

Aufschlussreich ist hier für mich der Blick auf zwei namentlich genannte Personen aus seinem engsten Freundeskreis. Indem ich auf die beiden Jünger Philippus und Andreas schaue, frage ich mich: Wie hätte ich mich damals verhalten? Und welchen Einfluss hat dieser Bericht auf meine Gottesbeziehung heute? Auch hier werden wir alle unterschiedliche Antworten haben.

Philippus kann als Verkörperung menschlichen Denkens in Kosten und Nutzen gesehen werden, vielleicht im weiteren Sinn ein Vertreter von Mathematik, Betriebs- oder Naturwissenschaften. Philippus rechnet aus, dass das Brot, das sie für 200 Silbergroschen kaufen können, niemals für 5000 Menschen reicht.

Andreas zeigt einen anderen typischen, menschlichen Charakterzug: Das Zweifeln oder gar das Resignieren, trotz allen Wohlwollens. Andreas sieht den Jungen, der fünf Brote und zwei Fische hat, die man gebrauchen kann. Und er fragt: Was ist das schon für so viele? Zwei Prototypen werden beschrieben, in denen wir uns, vielleicht teilweise, auch selbst wiederfinden können.

Wie geht Jesus mit ihren Einwänden um? Er widerlegt sie beide. Und er geht noch weiter. Es ist ein Kind, das diejenigen Gaben mitbringt, aus denen Jesus das hervorbringt, was alle satt macht. Ich sehe hier einen deutlichen Bezug zu einem anderen Jesus-Wort: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen (Mk 10,15, Mt 18,3, Lk 18,17). Für mich eine Erinnerung daran, das Staunen und das Vertrauen der Kinder zu achten und – wenn möglich – selbst nicht ganz zu verlernen.

Ein weiterer Aspekt zeigt mir: Jesus schätzt das Kleine, das Einfache. Auf dem Berg gibt es Gerstenbrot. Das war das „Brot der Armen“[4]. Das reicht ihm völlig für seine wunderbare Zeichenhandlung. Und mir wird klar: Nichts ist für Gott zu gering, zu klein, zu einfach. Niemand ist zu arm, zu ungebildet oder zu unbedeutend. Alles, jede und jeder kann zu einem Werkzeug Gottes werden und am Reich Gottes mitzubauen. Das zu hören, das tut mir gerade dann gut, wenn ich an meinen eigenen Fähigkeiten, an meinem Vermögen oder an meinem Mut zweifle.

Und auch in einer weiteren Hinsicht erinnert mich diese Wundererzählung an Ereignisse, in denen ich gespürt habe: Ich bin weder zu schwach, noch bin ich allein. Ich bin Teil einer Gemeinschaft, nicht irgendeiner, sondern der Gemeinde Jesu Christi. Es tut bereits gut, gemeinsam zu essen und zu trinken. Aber es fühlt sich noch besser an, Essen und Trinken, Geschenktes im Sinne Jesu Christi zu teilen. Wer teilt, kann spüren: Weniges reicht für alle. Aus Wenigem kann mehr werden als wir uns vorstellen können. Wunderbar mehr. Aus kleinem kann so Großartiges werden, das sogar noch auf andere ausstrahlt. Und das sogar entgegen unserer Vorausberechnung (vgl. Philippus) und trotz geringer Zuversicht (vgl. Andreas). Das sind für mich Zeichen der wunderbaren Gegenwart Gottes, Spuren Gottes in meinem Leben.

Ich erinnere mich an solche Momente und Zeichen der Gegenwart Gottes, die ich erlebt habe. (Hier ggf. eigene Beispiele einfügen)

Abende auf Kirchentagen, wo wir irgendwo auf einem Messegelände spontan picknickten mit Menschen, die wir bis dahin nicht kannten und einfach mit dem, was wir alle dabeihatten. Und später satt und erfüllt von einer wohltuenden Kraft der Gemeinschaft, ich wage zu sagen, von Gottes Geistkraft, wieder unsere eigenen Wege gingen.

Ich denke an Gebete und Kerzen im Zuge der friedlichen Revolution in der DDR. Und das, was daraus geworden ist.

Und ich spüre, wie gut es immer wieder tut, gemeinsam Gottes Wort zu hören und darüber zu reden. Einander Ereignisse zu schildern, in denen wir Gottes Spuren im eigenen Leben wahrgenommen haben. Und uns auch zu erzählen, wo wir seine Gegenwart nicht spürten, obwohl wir uns danach so stark gesehnt haben.

Die Erzählung des Speisungswunders  endet damit, dass sich Jesus wieder auf einen Berg zurückzieht. Er lässt sich nicht instrumentalisieren, sei es als König oder für welches „Weltverbesserungsprogramm“[5] auch immer. Aber er hat uns zugesagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18,20). Das können wir bei jedem Tischgebet spüren, selbstverständlich nicht nur, wenn es Brot und Fisch gibt.

Das können wir auch gerade dann erleben, wenn wir in seinem Namen versammelt Brot und den Saft des Weinstocks teilen. Mir wird bewusst, wie wichtig es mir ist - auch unter Pandemie-Bedingungen - Abendmahl feiern zu können, in welcher Form auch immer. In Erinnerung an Jesu Mahlgemeinschaften und voller Zuversicht auf das verheißende ewige Mahl der Freude. Gemeinsam zu essen, sei es auch nur ein kleines Stück Brot. Gemeinsam zu trinken, sei es auch nur etwas Traubensaft aus einem Einzelkelch. Und dabei Gott zu danken und ihn zu loben. Ihn zu bitten – gerade in dieser Zeit um Frieden. Und in Erinnerung an die wunderbaren Speisungen Jesu gemeinsam zu beten: Dein Wille geschehe! – Denn bei Gott ist nichts unmöglich.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Sven Sabary        

_______________
Anmerkungen:

[1] Günther, Wolfgang: 7. Sonntag nach Trinitatis, Johannes 6,1-15 in: Ruhbach, Gerhard u. a. (Hrgb.): Meditative Zugänge zu Gottesdienst und Predigt, Predigttext-Reihe I,2, S. 238-242, Göttingen, 1991.
[2] Vgl. Günther, S. 239.
[3] Zit. bei Günther, S. 239.
[4] Günther, S. 241.
[5] Günther, S. 242.


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