Wochenspruch: Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht! (Lk 21,28)
Psalm: 80,2.3b.5-6.15-16.19-20
Reihe I: Jesaja 35,3-10
Reihe II: Lukas 21,25-33
Reihe III: Jakobus 5,7-8(9-11)
Reihe IV: Jesaja 63,15-64,3
Reihe V: Hohelied 2,8-13
Reihe VI: Offenbarung 3,7-13
Eingangslied: EG 19 O komm, o komm, du Morgen-stern
Wochenlied: EG 7 O Heiland, reiß die Himmel auf
Predigtlied: EG 152 Wir warten dein, o Gottes Sohn
Schlusslied: EG 243 Lob Gott, getrost mit Singen
25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres,
26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.
27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.
28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an:
30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass der Sommer schon nahe ist.
31 So auch ihr: Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.
32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht.
33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.
Liebe Gemeinde,
mitten in diesem Wort, das zum Erschrecken ist, steht ein wunderbarer Satz: "Wenn das zu geschehen anfängt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn dann naht sich eure Erlösung." Das ist der Trost, den Jesus für seine Gemeinde bereit hat. Das ist der Trost, den wir vernehmen dürfen, wenn uns die Angst vor dem kommenden Unheil das Herz erdrücken will. Das ist der Trost, von dem her wir leben dürfen und auf den wir hin leben dürfen: Eure Erlösung naht sich - da, wo ihr es nicht mehr wagt, den Kopf zu heben. Eure Erlösung naht - da, wo ihr schon verzweifelt seid und alles aufgegeben habt. Eure Erlösung naht - auch wenn ihr verzagt seid, gebeugt unter den Leiden der Zeit, gedrückt und geschlagen. Eure Erlösung naht. Sie bleibt nicht aus.
Eure Erlösung - und wir müssen im gegenseitigen Zusagen sagen: unsere Erlösung, sie naht, weil unser Erlöser kommt. Was auch immer auf uns zukommen mag, was auch immer uns bedrängen mag: am Ende kommt Jesus, der Menschensohn, der Erlöser. Der, dem wir im Glauben hier in dieser Zeit das Herz gegeben haben, der kommt in der Macht Gottes. Der, dem wir im Glauben hier unser Leben anvertraut haben, der kommt in Herrlichkeit.
Unsere Erlösung - das ist unser Erlöser: Jesus Christus. Was er uns zugesagt hat als Vergebung der Sünde, das ist wahrhaftig. Was er uns zugesagt hat als Gerechtigkeit, das gilt vor Gott. Was er uns zugesagt hat als neues Leben, das löst er ein. Sein Wort vergeht nicht, auch wenn Himmel und Erde vergehen. Sein Wort erweist sich als beständig in Zeit und Ewigkeit. So warten wir ihm entgegen und der Erlösung, die er uns bringt.
Erlösung kommt uns entgegen, ein Erlöser kommt zu uns. Was bedeutet das? Wie können wir uns das klarmachen?
Wenn Flüchtlinge von einem der Schlauchboote auf dem Weg über das Mittelmeer endlich festen Boden unter den Füßen haben - dann ist das für diese Menschen eine Erlösung. Herausgenommen aus dem schwimmenden Gefängnis dürfen sie sich wieder frei bewegen. Herausgenommen aus der Hoffnungslosigkeit: Wir werden überall nur zurückgestoßen. Uns will keiner haben. Wenn dann einer diese Worte hört: Du kannst deine Sachen packen, es geht weiter, so hat sich für ihn der Weg des unendlichen Leidens, der Flucht aus den Trümmern, aus dem Elend und aus der Perspektivlosigkeit der Armut gelohnt. Weil sich eine neue Zukunft vor ihm sich auftut, die nicht mehr zu erwarten war, die er schon abschreiben musste.
Genau das ist die Erlösung, von der Jesus uns in diesem Wort spricht. Er kommt in eine zerbrechende Welt, in der alles unterzugehen droht. Jesus sagt uns in diesen Worten das Ende unserer Welt an. Ein Ende, das in Furcht und Schrecken versetzt. Denn es ist ja nicht ein sanfter Tod, den die Welt stirbt, sondern es ist eine ungeheure Katastrophe, aus der es kein Entrinnen gibt, keine Hilfen, kein Halten.
Wir leben in einer Zeit, in der solche Bilder nicht mehr unrealistische Schreckgespenster sind: Der Klimawandel, die Unwetterkatastrophen, die Dürre lehren es uns anders. Alles, an das wir die Erwartung knüpfen, dass es fest steht, das wankt. Alles, was wir ewig wähnen, das erweist sich als schwach. Sonne, Mond und Sterne, Zeichen für die beständige Wiederkehr, vergehen. Nichts bleibt. Alles Sein wird offenbart in seiner Nichtigkeit. Es ist eine einzige große Richtung in die Katastrophe, die hier unserer Welt angesagt wird.
Aber diese Katastrophe ist als Gottes Gericht noch nicht das letzte Wort. Sie ist das Ende einer Welt, die sich von Gott ge-löst hat. Das macht dies Geschehen ja so schrecklich: Denn hinter allem steht Gottes Ernst, steht Gottes Urteil über die Welt, die ohne ihn lebt. Und es wird jedem, der auch nur das Geringste von Gottes Heiligkeit ahnt, schlagartig klar: Wenn Gott so handelt, dann habe ich nichts mehr zu bieten. Wenn Gott ernst macht, dann reicht mein Leben nicht aus, um mich vor diesem Gericht zu bewahren. In diesem Gerichtshandeln Gottes zerbrechen alle Sicherheiten, auf die wir uns so gerne verlassen.
Und genau dahinein, wo uns das Herz fallen will, wo wir nach Bergung suchen und nichts finden. Da hinein, wo uns in der Ankündigung vom Ende der Welt schon unsere Hilflosigkeit bewusst wird, genau dahinein sagt Jesus: Wenn dies alles geschieht, dann wird des Menschensohn kommen, dann seht auf, weil sich eure Erlösung naht.
Liebe Gemeinde, das ist für uns ungeheuer wichtig: Wir warten nicht auf das Ende der Welt. Wir warten auf den Erlöser. Wir warten auf den, der uns im Zerbrechen der Welt an die Hand nimmt und mit uns zum Vater geht und sagt: Diesen Menschen da habe ich geliebt und er hat mich geliebt. Verschone ihn um meinetwillen.
Merken Sie, was das heißt: Da, wo die Zukunft der Welt vergeht, wo alles vergeht, worauf wir uns bei unseren eigenen Planungen verlassen, da wird uns von Jesus eine neue Zukunft aufgetan. Das ist Erlösung: Eine neue Zukunft geschenkt bekommen, wo eigentlich schon alles verspielt ist. Einen neuen Weg eröffnet bekommen, wo es eigentlich keinen Ausweg mehr gibt. Eine neue Hoffnung haben, wo eigentlich nichts mehr zu hoffen war
Das ist unsere Erlösung: Jesus tritt im Gericht Gottes für uns ein. Er nimmt sich unser gnädig an.
Wenn dies alles geschehen wird, dann kann ich mir aber nicht vorstellen, dass Christen da ohne Furcht herumlaufen, während die Welt zerbricht. Es lässt uns doch nicht kalt, was wir um uns herum sehen; Bilder von Umweltzerstörung sterbender Tierwelt und sterbenden Menschen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Christen heute dieser Welt das Gericht Gottes ansagen und nicht furchtbar dabei selbst erschrecken und furchtbar daran leiden.
Aber wenn dann Jesus Christus auf uns zutritt und sagt: Du bist mein Bruder, du bist meine Schwester, dann wird alle Furcht abfallen, dann wird alle Angst überwunden sein, dann wird es sein, als würde ich träumen. Denn ich weiß es doch nur zu gut: verdient habe ich das nicht.
Bis dahin aber sind wir wartende und hoffende Leute. Bis dahin sind wir auch bedrückte Leute; bedrückt vom Wissen um das kommende Unheil, um die Schrecken, die noch sein werden. Bis dahin gibt es auch unter Christenmenschen noch viel Furcht und Bangigkeit, viel Verzagtheit. Aber es gibt in alledem doch ein Warten, das sich auch getröstet weiß. Ich möchte es einmal ganz schlicht von mir selbst sagen: Ich tröste mich in aller Sorge vor der Zukunft nicht selbst. Das funktioniert nicht.
Aber ich bin getrost, wenn ich daran erinnert werde, dass Jesus mir in der Zukunft Gottes entgegenkommen wird. Jesus, der mir heute seine Liebe zusagt, der wird mich auch dann nicht fallen lassen. Deshalb ist das Warten im Advent nicht ein Warten in Hoffnungslosigkeit.
Deshalb wagen wir es auch, uns zu freuen auf den Tag, an dem Jesus kommt: denn er ist uns nicht der Tag, der bestimmt ist durch das Ende der Welt, sondern durch das Kommen Jesu.
Verfasser: Pfarrer i. R. Paul Ulrich Lenz, Am Litzenau 17, 63679 Schotten
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