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Die verheißene Erlösung

von Karoline Rittberger-Klas (Tübingen)

Predigtdatum : 08.12.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Advent
Textstelle : Offenbarung 3,7-13
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Wochenspruch:
"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!" (Lukas 21, 28)

Psalm: 80, 2 - 7.15 - 20

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 63, 15 - 16 (17 - 19 a) 19 b; 64, 1 - 3

Epistel: Jakobus 5, 7 - 8

Evangelium: Lukas 21, 25 - 33

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 11, 1 - 5 Wie soll ich dich empfangen
Wochenlied: EG 1, 1 - 5 Ihr lieben Christen, freut euch nun
Predigtlied: EG 6, 1.2.5 Macht hoch die Tür
Schlusslied: EG 4,1-5 Nun komm, der Heiden Heiland

Hinführung
Der Predigttext bildet das sechste der sieben Sendschreiben an Gemeinden in Kleinasien, die sich im 2. und 3. Kapitel der Johannesapokalypse finden. Alle Sendschreiben folgen einem festen Aufbau mit Schreibbefehl, Botenformel, Situa-tionsanalyse mit Lob und Tadel, Weckruf und Überwin-derspruch. Im Gegensatz zu den anderen Sendschreiben findet sich im Brief an die Gemeinde in Philadelphia (ähnlich wie im Schreiben nach Smyrna) keine Kritik, nur die Mah-nung zur Standhaftigkeit.

Die Johannesapokalypse ist Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus entstanden, vermutlich gegen Ende der Herrschaft Kaiser Domitians, der 96 nach Christus ermordet wurde. Die Angst vor einer systematischen Christenverfolgung und Auseinandersetzungen mit den jüdischen Gemeinden in ei-nigen Städten Kleinasiens bilden den historischen Hinter-grund, der für das Verständnis der Johannesapokalypse und auch unseres Predigttextes m.E. so wichtig ist, dass er auch der Gemeinde nicht verschwiegen werden sollte. Genauso wichtig ist zu beachten, dass die Weltsicht der Johannes-apokalypse nicht einfach die biblische Sicht ist, sondern es innerhalb der biblischen Schriften, z.B. im 1. Petrusbrief, andere Ansätze gibt.

Die Predigt vergleicht das Sendschreiben in seiner Emotio-nalität und Bildhaftigkeit mit einem Liebesbrief (I). Dabei wird zunächst geklärt, inwiefern sich dieser in einer be-stimmten Situation an eine bestimmte Gemeinde geschrie-bene Liebesbrief auch an uns richtet (II). Die Gemeinsamkeit mit unserer heutigen Gemeindessituation findet sich im Gefühl, nur „eine kleine Kraft“ (V 8) zu haben. Was bedeutet es unter diesen Bedingungen für eine Gemeinde heute, das Wort zu bewahren und den Namen Gottes nicht zu ver-leugnen? (III). Aus den vielen Bildern für Gottes Verheißung, die der Text bietet, wird dann bewusst eines ausgewählt, das m.E. auch heute noch gut verständlich ist: das der Tür. Wem im Glauben eine Tür offensteht, der kann auch anderen Türen öffnen (IV).

Gliederung
I. Ein Liebesbrief an die Gemeinde in Philadelphia
II. Ein Liebesbrief – auch an uns?
III. Ein Liebesbrief an die Schwachen
IV. Ein Liebesbrief, der Türen öffnet

Predigt

Liebe Gemeinde,
erinnern Sie sich, einmal einen Liebesbrief bekommen zu haben? Ich hoffe doch: Ja! Liebesbriefe sind ja ganz beson-dere Schriftstücke – oft überschwänglich in der Sprache, bilderreich und auch ein wenig sprunghaft.

Unser Predigttext heute ist auch ein Liebesbrief. Der Seher Johannes hat ihn aufgeschrieben. Ein Liebesbrief von Chris-tus an die Gemeinde in Philadelphia. Ich lese aus dem Buch der Offenbarung im 3. Kapitel:

[Lesung des Predigttextes: Offenbarung 3, 7 - 13]

I. Ein Liebesbrief an die Gemeinde in Philadelphia

Ein Liebesbrief – und dazu noch einer, der in Zeiten der Not geschrieben ist. Voller starker Bilder, anrührend – aber für Dritte nicht leicht zu verstehen.

Um ihn zu erschließen, hilft es wohl, etwas mehr über die Empfänger zu erfahren und über die Situation, in der sie lebten:

Die Christen in Philadelphia, das in der heutigen Türkei liegt, waren Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus offensichtlich in Schwierigkeiten. In Rom regierte Kaiser Domitian mit eiserner Hand. Die Christen im Reich waren ihm ein Dorn im Auge, und es war zu befürchten, dass er eine großangelegte Christenverfolgung plante. Außerdem gab es in Philadelphia wohl heftigen Streit zwischen der christlichen und der jüdi-schen Gemeinde – die für uns so schockierende Bezeichnung „Synagoge des Satans“ ist wohl ein Auswuchs dieser Auseinandersetzung. Aber es ist eben keine ausgewogene Erörterung, die wir da lesen, sondern ein Liebesbrief: partei-isch, emotional, hart gegenüber den Gegnern und voll über-schwänglichem Lob und großer Verheißungen für die Gelieb-te. Alle sollen es hören und erkennen: Christus liebt die Gemeinde in Philadelphia, weil sie trotz aller Anfeindungen an ihrem Glauben festhält.

II. Ein Liebesbrief – auch an uns?

Aber, so können Sie jetzt mit Recht fragen, was geht uns das an – diese Liebesgeschichte zwischen Christus und seiner Gemeinde in Philadelphia vor fast 2000 Jahren? Was hat das mit uns zu tun – hier in [Name der Gemeinde] im Dezember 2013, zwischen Adventsliedersingen und Plätz-chenbacken?

Unsere Situation ist so ganz anders als damals in Philadel-phia. Sicher, in anderen Gegenden der Welt erfordert Christsein auch heute noch – oder erst recht wieder – Mut und Standhaftigkeit. Aber nicht bei uns in Deutschland. Hier kann jeder nach seiner Facon selig werden, Religion ist weitgehend zur Privatsache geworden oder, wie jetzt im Advent, zur hübschen Kulisse. Dass wir unseren Glauben gegen äußere Widerstände bewahren, dieses Lob gebührt uns eigentlich nicht. Und ebenso wenig passt in unsere Zeit die Verheißung, dass die Gegner uns zu Füßen fallen sollen.

Ja, vielleicht müssen wir sogar noch weiter fragen: Interpre-tiert der Seher Johannes die Botschaft von Jesus Christus nicht sehr einseitig?

Er wähnt die Christen in einer Art Kriegszustand mit dem Rest der Welt und sieht für die Gemeinden nur einen Weg durch die Krise: Radikale Abgrenzung von der Gesellschaft, scharfe Unterscheidung zwischen drinnen und draußen, zwi-schen Bekennern und Verrätern. Dabei gab es zur selben krisenhaften Zeit Ende des ersten Jahrhunderts auch andere Stimmen, die ebenfalls ihren Platz im vielstimmigen Buch der Bibel gefunden haben: Durch ihr persönliches Zeugnis und ihr vorbildliches Verhalten sollen die Christen die übrige Gesellschaft von ihrem Glauben überzeugen, so sieht es der Verfasser des 1. Petrusbriefes. Diese Sicht der Dinge ist vielen von uns heute näher.

III. Ein Liebesbrief an die Schwachen

Also noch einmal: Was hat dieser Liebesbrief, der aus einer bestimmten Weltsicht heraus in einer bestimmten Situation an eine bestimmte Gemeinde geschrieben wurde, mit uns zu tun?

Es ist ein kleiner Halbsatz, der mir eine Brücke gebaut hat: „Du hast eine kleine Kraft“, sagt Christus zu seiner Gemein-de in Philadelphia. Eine kleine Kraft – so geht es uns auch. Sicher, unsere äußeren Möglichkeiten – unsere finanziellen Mittel, die Gebäude, die wir zur Verfügung haben, die Un-terstützung, die uns der Staat gewährt – die sind größer als die Christen in Philadelphia sich je erträumt hätten. Aber innerlich, da haben wir doch auch hier in [Name der Ge-meinde] oft das Gefühl: Wir haben nur eine kleine Kraft.

[Der folgende Abschnitt sollte nach Möglichkeit an die kon-krete Situation in der Gemeinde angepasst werden.]

Da ist es schwer, Jugendliche zu finden, die sich trotz der vielen Belastungen in der Schule noch in der Gemeinde en-gagieren. Da war es mühsam, Kandidatinnen und Kandidaten für die Kirchengemeinderats-Wahl am letzten Sonntag zu gewinnen, weil so viele mit ihren beruflichen und familiären Aufgaben schon an der Grenze ihrer Kräfte sind. Und es gibt viele Gemeindeglieder, die sich für die Arbeit der Kirche vor Ort nur sehr punktuell interessieren – oder gar nicht. Die Wahlbeteiligung spricht für sich. Und überall in der Lan-deskirche wird gekürzt und gespart – mit immer weniger hauptamtlichen Mitarbeitern sollen immer mehr Aufgaben gestemmt werden.

Wir haben nur eine kleine Kraft.
Das verbindet uns über die Zeiten hinweg mit unseren Schwestern und Brüdern in Philadelphia. Sie haben damals „das Wort bewahrt“ und den Namen Christi „nicht verleug-net“. Für sie bedeutete das: Trotz aller Anfeindungen zu ihrem Christsein zu stehen. Und für uns? Was heißt für uns, in unserer Situation „Gottes Wort bewahren“?


IV. Ein Liebesbrief, der Türen öffnet

Ich denke, für uns kann es bedeuten: Das Vertrauen auf Gottes Liebe nicht verlieren, auch wenn sich vieles verän-dert, auch wenn es so aussieht, als ob die Kräfte schwinden und die Möglichkeiten weniger werden.

Nicht resignieren und nicht zynisch werden, sondern die Freude an der guten Botschaft bewahren und weitergeben.
„Halte, was du hast“, heißt es im Brief an die Gemeinde in Philadelphia. Das gilt auch für uns. Es gibt so viel, was uns reich macht: Der Schatz an Worten und Geschichten der Bibel, die trösten und Mut machen, zum Nachdenken bringen und aufrütteln; die vielen Gaben der ganz unterschiedlichen Menschen, die in unserer Gemeinde zusammenkommen, gemeinsam arbeiten und feiern; die Gemeinschaft, die wir dabei spüren – gerade mit Menschen, die wir außerhalb der Gemeinde wohl nicht treffen würden.

Die Gemeinde in Philadelphia bekommt für ihr Vertrauen eine wunderbare Zusage: „Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan und niemand kann sie schließen.“

Vor verschlossenen Türen zu stehen, ist eine schlimme Er-fahrung. Es ist schon ärgerlich genug, nach langer Wande-rung hungrig bei einem Gasthaus anzukommen und das Schild „Heute Ruhetag“ zu lesen.
Oder sich selbst aus der eigenen Wohnung ausgesperrt zu haben.

Richtig schlimm sind aber die symbolischen Türen, die Men-schen vor ihrer Nase geschlossen werden:
Jugendliche mit ausländischen Namen oder Menschen mit Behinderungen erleben das bei der Stellensuche. Auch in manchen Familien sind Türen verschlossen – durch Streit oder Neid.

Und nun diese Zusage: „Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan und niemand kann sie schließen.“

Ich glaube, Gottvertrauen, Glauben, ist tatsächlich so eine offene Tür, die niemand verschließen kann. Gottvertrauen ist ein Geschenk, das neue Wege öffnet. Sicher, ich kann damit nicht die verschlossene Wohnungstür öffnen oder von heute auf morgen Zugang zu einem Arbeitsplatz bekommen. Aber es eröffnet mir eine neue Sicht auf mein Leben, meine Welt, auch auf meine Gemeinde. Ich sehe dann nicht nur die alltäglichen Probleme, die kleine Kraft. Ich sehe die Gaben, die ich, die wir haben. Ich sehe die Chancen, die in Veränderungen stecken können.

Wenn eine Gemeinde allein nicht mehr alles leisten kann, so wie es früher vielleicht war – dann kann es doch eine große Bereicherung sein, manches mit der Nachbargemeinde zu-sammen machen.

Oder: Wenn die Kräfte derjenigen schwinden, die bisher dabei sind, dann öffnen wir unsere Türen für Menschen, die wir bisher gar nicht im Blick hatten. Wir merken: Sie sind anders, aber das ist gut so!

Wenn uns die Tür offen steht, dann können wir auch unsere Türen öffnen – und so auch dazu beitragen, dass in unserer Gesellschaft Menschen nicht vor verschlossenen Türen ste-hen.
Wenn ich nicht nur mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt bin, merke ich vielleicht, dass die Nachbarin einsam ist – und lade sie mal zu mir ein.

Wenn unsere Sicht auf die Welt offen ist, dann können wir uns vielleicht auch vorstellen, dass wir als Gemeinde auch Menschen mit Behinderungen einen Arbeitsplatz anbieten – und die Herausforderungen, die das an uns stellt, meistern.

Ich liebe dich – und ich habe vor dir eine Tür geöffnet, die niemand schließen kann. Das ist die Botschaft des Liebes-briefes nach Philadelphia. Und es ist auch Gottes Liebesbot-schaft an uns: Ich habe euch eine Tür geöffnet, die niemand schließen kann – so öffnet auch ihr eure Türen.
AMEN


Fürbittengebet
Gott,
du hast uns im Glauben eine Tür aufgetan,
die niemand zuschließen kann.
Wir bitten dich für alle,
die oft vor geschlossenen Türen stehen:
für Flüchtlinge, die bei uns Zuflucht suchen,
für Menschen mit Behinderungen,
die äußere oder innere Barrieren überwinden müssen,
für Arbeitslose, die keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden.
Schenke ihnen Hoffnung,
damit sie nicht resignieren.
Hilf den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft dafür ein-zustehen,
dass alle Menschen teilhaben können am gesellschaftlichen Leben.
Zeige auch uns, wo wir helfen können, Türen zu öffnen.
Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.

Wir bitten dich für alle,
die oft hinter geschlossenen Türen leben:
für die Kranken und Pflegebedürftigen,
für alle, die sich schämen, unter die Leute zu gehen,
für die Einsamen und Gefangenen.
Schenke ihnen Momente, in denen sie aufatmen können.
Lass sie Menschen finden, die an ihre Türen klopfen und
ihnen zeigen, dass sie nicht vergessen sind.
Lass auch uns spüren, wo wir gebraucht werden.
Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich

Wir bitten dich für alle,
die ihre Herzenstür verschlossen haben für dich und ihre Mitmenschen,
aus Trauer, aus Verbitterung, nach einem Streit oder
einer großen Enttäuschung.

Öffne du ihre Herzen mit deiner Liebe und tröste sie.
Hilf ihnen, sich selbst und anderen zu verzeihen
und um Verzeihung zu bitten.
Zeige ihnen einen Weg, neu auf andere zuzugehen.
Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich.
(Karoline Rittberger-Klas)


Verfasserin: Pfarrerin Dr. Karoline Rittberger-Klas
Paul-Schneider-Str. 4, 72072 Tübingen

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