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Die verheißene Erlösung: Gott einfach kommen lassen

von Tobias Rösler (Blankenberg)

Predigtdatum : 10.12.2017
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Advent
Textstelle : Jesaja 63,15-16.(17-19a).19b; 64,1-3
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Wochenspruch:
"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!" (Lk 21, 28)
Psalm: 80, 2 - 7.15 - 20

Lesungen
Reihe I: Lukas 21, 25 - 33
Reihe II: Jakobus 5, 7 - 8
Reihe III: Matthäus 24, 1 - 14
Reihe IV: Jesaja 63, 15 - 16 (17 - 19 a) 19 b; 64, 1 - 3
Reihe V: Jesaja 35, 3 - 10
Reihe VI Offenbarung 3, 7 - 13

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 11, 1 - 4 Wie soll ich dich empfangen
Wochenlied: EG 6 Ihr lieben Christen, freut euch nun
Predigtlied: EG 7, 1 - 5 O Heiland, reiß die Himmel auf
Schlusslied: EG 13 Tochter Zion

Predigttext Jesaja 63, 15 - 16 (17 - 19a) 19b; 64, 1 - 3
Klage des Gottesvolkes
15 So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich.
16 Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht. Du, Herr, bist unser Vater; »Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name.


Zum Bibeltext
Der Text ist eckig und anstößig, vor allem in seiner Einbettung in die Adventszeit mit ihrer Betonung des Schönen und Harmonischen. Der Text bietet ein sogenanntes Volksklagelied vor dem Hintergrund des babylonischen Exils. Aus dem Zusammenhang legt sich der Eindruck nahe, dass die Heimkehr zwar vollzogen ist, dort aber vieles sich nicht so darstellt wie erhofft und ausgemalt in den Tagen in der Ferne. Von blühenden Landschaften kann noch keine Rede sein, von Erfüllung aller Sehnsucht, die sich mit der Rückkehr verband, ebenso wenig.
Dennoch ist dem Text auch eine Kraft eigen, vor allem eine Beharrlichkeit im Vertrauen auf die Macht Gottes, die sich durchsetzen wird gegen Widrigkeiten, eingeschlossen die Schuld des eigensinnigen Volkes.

Hinführung zur Predigt
Die Predigt lässt sich ein auf den Widerspruch von Sehnsucht und Erfahrung im Advent. Sie orientiert sich an der Exilserfahrung mit der Hilflosigkeit der Verbannten und der Fraglichkeit der Zukunft, die selbst im Zuge des Ankommens im gelobten Land empfunden wird. Dem gegenüber steht die in besonderer Weise in Jesaja zum Ausdruck gebrachte Macht und Gnade Gottes, dessen verändernde Kraft zum Tragen kommen soll und wird.
Der Predigttext wird in Abschnitten zu Beginn und während der Predigt gelesen.

Predigt
Wir hören für die Predigt an diesem Zweiten Advent auf Worte des Propheten Jesaja:

So schau nun vom Himmel und sieh herab, HERR, von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich.
Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht. Du, HERR, bist unser Vater; »Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name.

In der Achterbahn der Adventsgefühle
Jetzt ist die Zeit der Weihnachtsmärkte: an den Ständen mit Keramik, mit Bienenwachskerzen entlangschlendern, hier und da etwas Kleines kaufen als Geschenk für die Lieben, zwischendurch ein Glas Glühwein und ein paar kandierte Mandeln. Das ist Adventszeit. – Wissen Sie, dass es Weihnachtsmärkte mit Achterbahn gibt? Und mit Autoscooter und Geisterbahn und so weiter? Das passt zwar nicht ins Bild. Wird aber trotzdem gemacht. Hauptsache laut. Und es passt auch nicht zu der vielbeschworenen Langsamkeit in dieser Zeit. Hauptsache Tempo. Es passt nicht zur Besinnung und Innerlichkeit. Es passt auch nicht zu den alljährlichen Klagen, dass es mit der Besinnung wahrscheinlich mal wieder nichts wird.

Aber warum nicht? Jeder weiß doch: Wer rechtzeitig losfährt, keine unnötigen Umwege macht, der kann sich eine ruhige Fahrt erlauben, und ist doch rechtzeitig da. Und das dann auch viel aufgeräumter und aufnahmebereiter. Das würde gut passen zum Advent.

Stattdessen gerät die Adventszeit oft selbst zu einer Art Achterbahnfahrt: Da gibt es mal ein gutes Wort, ein kleines Licht, schöne Musik, ein Duft, Vorfreude. Die Fahrt wird verlangsamt, die Nerven beruhigen sich. Durchatmen ist möglich und Weitsicht. Zeit für einander. Wie auf der Achterbahn bergauf. Ganz langsam. Ach wie schön! Für einen Moment ist es schon wie Ankommen.
Und dann geht es bergab. Alles beschleunigt sich rasend. Es ist wie verrückt, diese Sturzfahrt, wirklich wie auf der Achterbahn: Meine Güte, schon 2. Advent! Und in diesem Jahr ist die Zeit ohnehin so kurz, weil der 4. Advent auf den Heiligen Abend fällt. Wo bleibt nur die Ruhe, die Konzentration, das Schauen? Wo kann ich bleiben, ohne gleich weiter zu müssen? Wo bleibt nur die Besinnung? Wo bleibe nur ich?

Wenn die Sehnsucht auf der Strecke bleibt
Wir alle haben Sehnsucht nach Verlangsamung, nach Vertiefung in der Adventszeit. Und es wird deutlich, in welchem Widerspruch wir alle Jahre wieder stecken. Die Sehnsucht nach Vertiefung und nach Ruhe ist ja keineswegs nur Gerede, auch wenn der Worte oft zu viel sind. Trotzdem ist diese Sehnsucht wirklich da.
Andererseits sind wir ganz alte Hasen in Sachen Weihnachten. Uns kann keiner überraschen. Die Zeiten sind vorbei! Weihnachten ist in zwei Wochen. Und bis dahin gibt es noch allerhand zu besorgen.
So bleibt es bei der Achterbahnfahrt der Gefühle: Kurz mal innehalten und durchatmen. Und dann weiterfahren, auf zur nächsten Besorgung.

Wir sind anders als die Leute auf dem Feld bei den Hürden, die ihrem Nachtwerk nachgehen oder Schäfchen zählen – und auf einmal mischt sich ein Engel in ihr Leben ein und bringt sie auf ganz andere Gedanken und Wege.

Sind wir dann eher wie jene, von denen der Prophet Jesaja sagt, sie seien ohne Weg und Ziel? Sind wir nicht aufnahmefähig? Sind wir gefangen in eingefahrenen Gleisen, oder schon ganz und gar neben der Spur?

Warum lässt du uns, HERR, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbe sind!
Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben, unsre Widersacher haben dein Heiligtum zertreten.
Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde.

Der Hilferuf
Sind wir auch so abhandengekommen wie jene? Werden wir auch so hin- und her geschleudert zwischen Besinnung und Besorgung? Sind wir vertrieben aus der Heimat, die uns Gottes Wort gewährt, und machen uns unseren eigenen Advent?

Wenn es so ist, dann sind wir denen um Jesaja sehr nahe: so entwurzelt aus ihrem Heiligen Land. Dann leben wir wie sie in der Fremde der Ungewissheit. Dann sind wir wie solche, über die keiner sagt: Sie sind des Herrn! Dann sind wir losgelöst von dem, was uns tragen könnte, und greifen nach dem, was nicht hält.

Wenn es so ist, dann lasst uns weiter auf das Wort des Propheten hören. Er lässt einen Hilferuf los:

Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen, wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden und die Völker vor dir zittern müssten, wenn du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten, und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen!

Auch hat man es von alters her nicht vernommen. Kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren.

Der so ruft, ist ein Prophet. Erschüttere den Himmel und die Erde, Herr, aber mach etwas! Durchbrich das immer Gleiche! Die Gefangenschaft der eingefahrenen Gleise, in denen wir still werden oder dahin rasen, so wie es das Streckenprofil uns vorgibt. Alles - bloß nicht noch weiter so wie immer!

Der Prophet gerät in Eifer. Er ruft Zerstörung herbei, er verlangt ein starkes Signal. Er verschafft seinen Gedanken Luft, hält nicht hinterm Berg mit seinem Ärger. Aber er überlässt das Wie seinem Gott: Ach, dass du da wärst und eingriffest, großer Gott!

Der Sehnsucht und dem Kommen Gottes Raum geben
Denn ein Prophet weiß um die Klage derer, die sich nach wirklich Neuem sehnen. Ein Prophet spielt sich nicht auf, sondern bringt Gott wieder ins Spiel. Ein Prophet achtet darauf, dass Gott kommt. Das ist Advent.

Und ein guter Prophet gibt die Hoffnung nicht auf, zu keiner Zeit. Wie war noch mal der Name, mit dem er Gott ruft? „Unser Erlöser, das ist von alters her sein Name.“
Wie wär’s, wenn wir auf ihn warten? Wenn wir Traditionen pflegen, die uns nicht in feste Gleise drängen, sondern offen halten für ihn, also unserer Vorbereitung dienen?
Nichts machen, nur kommen lassen. Nicht alles erledigen, sondern immer mal „die Füße stillhalten“. Nicht nach vorn gebeugt im eiligen Lauf, sondern mehr zurückgelehnt in der Erwartung.

Womöglich geht das nicht, ohne auszusteigen – aus der Achterbahn. Wenn die Adventssonntage uns nur noch anzeigen, wie die Zeit vergeht, haben wir schon längst etwas verpasst. Dann eilen wir wieder, und sind doch hinterher.

Stattdessen haben wir viermal Zeit und Gelegenheit, uns dem Kommenden zuzuwenden. Das Tempo des Advents ist Schäfchenzählen, und dann hören auf des Engels Freudenbotschaft. Warten, dass Gott für uns ein Gesicht bekommt und eine Gestalt. Dass er uns überrascht mit seiner Art.

Propheten sagen: Kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren. Lassen wir ihn mal machen!

Genau: Wir lehnen uns mal zurück, nicht in der Achterbahn, sondern in gespannter Entspannung, und geben ihm Raum, dessen Name Erlöser ist von alters her. Das ist vielleicht das Beste, was wir tun können in dieser Zeit der Sehnsucht.
Amen

Fürbittengebet
Herr, unser Gott, um uns wird Advent,
denn du sorgst dafür.
Sorge bitte auch dafür, dass die Eiligen das merken,
und die Traurigen auch.
Wir bitten, Herr, für alle, denen das Träumen vergangen ist.
Wir bitten für Menschen, denen die Vorfreude zur Anforderung wird.
Wir bitten für die Armen, die Vorfreude gar nicht kennen.
Wir bitten für die Eltern, die sich sorgen um das Nötige für ihre Kinder, und wie sie ihnen eine Freude machen können.
Wir bitten für die Familien überall da, wo Krieg oder Ablehnung um die ist.
Wir bitten für alle, die deine Lieder singen, um sanfte und zugleich starke Stimmen.
Herr, dies ist deine Zeit. Und du kommst zu uns. Lass uns das wahrnehmen und verstehen.
Wir bitten mit Jesus Christus um deine Gegenwart in allem. Begegne Du uns in allem, das wir täglich brauchen, dessen wir und alle Menschen bedürfen.

Vater unser ...


Verfasser: Pfarrer Tobias Rösler
Schloßberg 8, 07366 Blankenberg




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