Die Verheißung des Heiligen Geistes
von Ernst Standhartinger (64331 Weiterstadt)
Predigtdatum
:
20.05.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Christi Himmelfahrt
Textstelle
:
Johannes 14,15-19
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Wochenspruch:
Christus spricht: wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.
(Johannes 12, 32)
Psalm:
27 (EG 714)
Lesungen
Altes Testament:
Jeremia 31, 31 - 34
Epistel:
Epheser 3,14 - 21
Evangelium:
Johannes 15,26 – 16,4
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 115
Jesus lebt, mit ihm auch ich
Wochenlied:
EG 128
Heilger Geist, du Tröster mein
Predigtlied:
EG 136
O komm, du Geist der Wahrheit
Schlusslied:
EG 562
Segne und behüte uns durch deine Güte
Johannes 14, 15 – 19
15 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. 18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. 19 Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Vom Text zur Predigt:
Zweierlei hat mir an diesem Text Mühe gemacht:
1. Die für das Johannesevangelium typische Art, das Gemeinte sehr allgemein, also ohne konkrete „Gebrauchsanweisung“ auszudrücken und
2. der sogenannte „johanneische Dualismus“, also seine schroffe Gegenüberstellung derer, die auf der richtigen, nämlich der Jesus-Seite stehen und der anderen - seien es „die Juden“ oder, wie in unserem Abschnitt, „die Welt“.
Die fehlende Konkretion habe ich teilweise durch Verweise auf andere Stellen im Johannesevangelium oder auch den anderen drei Evangelien ausgeglichen, teilweise durch Beispiele aus der aktuellen öffentlichen Diskussion, die vielleicht zum Predigtzeitpunkt durch dann Aktuelleres ersetzt werden müssen.
Den johanneischen Dualismus halte ich für ein nur vordergründig bestehendes Problem. Natürlich war Johannes beeinflusst vom „gnostischen“ Denken, das viele religiöse Menschen seiner Zeit prägte: Hier die Erlösten, die Gottes Ruf folgen und dort die anderen, die Augen und Ohren verschließen und die so ihre Rettung versäumen. Aber der Grund, warum er ein Evangelium schreibt, ist doch nicht die Verkündigung eines unabänderlichen Fatums, sondern der Ruf zur Nachfolge Jesu. Trotz seines dualistischen Denkansatzes geht Johannes also davon aus, dass alle Menschen die gute Botschaft hören und sich von ihr verändern lassen können.
In der Predigt möchte ich diese Einladung aufnehmen und sie verdoppeln. Denn nicht die, die im Predigttext als „die Welt“ abqualifiziert werden, werden unter der Kanzel sitzen, sondern Menschen, denen die Jesusnachfolge ohnehin schon wichtig ist. Sie sollen ermutigt werden, auf diesem Weg weiterzugehen und auch andere für diesen Weg zu gewinnen.
Liebe Gemeinde!
Die Verse, die wir soeben gehört haben, sind Teil der sogenannten „Abschiedsreden“ Jesu, die es so nur im Johannesevangelium gibt.
Es ist der letzte Abend in Jesu Leben. Gerade hat er mit seinen Jüngerinnen und Jüngern zum letzten Mal ein gemeinsames Abendessen eingenommen. Dann steht er auf und wäscht seinen Jüngern – auch dem Judas Ischarioth, der schon zum Verrat an Jesus entschlossen war – die Füße: Er, der Herr und Meister, kniet sich vor seinen Schülerinnen und Schülern nieder und erweist ihnen den Dienst, der sonst Sache der niedrigsten Sklavin war.
Danach erklärt er den Verblüfften, warum er das getan hat: Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe. – Kurz darauf ging Judas hinaus in die Nacht. Jesu Verhaftung, Verurteilung und seine Ermordung durch die römische Besatzungsmacht stehen unmittelbar bevor. Ein Mensch, der denkt, lebt und handelt wie Jesus, stört die Herrschaftsordnung dieser Welt. So einen muss man liquidieren.
In den anderen Evangelien geht Jesus bald nach diesem letzten Essen auf den Ölberg, ringt mit dem Tod und ergibt sich schließlich in den Willen Gottes. Im Johannesevangelium hält er zuvor noch eine lange Rede an die, die bisher mit ihm gegangen sind. Und in diese Rede packt der Evangelist hinein, was Jesus der Menschheit als sein Vermächtnis hinterlässt.
Der Teil dieser Rede, der uns heute beschäftigt, beginnt mit den Worten: Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Jesus erwartet von seinen Jüngerinnen und Jüngern, dass sie tun, was er gesagt hat - aber nicht aus Gehorsam, sondern aus Liebe. Er erteilt keine Erlasse und Befehle. Er ist nicht der gestrenge Pantokrator, der „Allesbeherrscher“, als der er in vielen Kuppelgemälden in griechisch-orthodoxen Kirchen dargestellt ist. Die Verbindung zwischen ihm und uns ist nicht durch Herrschaft und Untertan-Sein bestimmt, sondern sie besteht aus gegenseitiger Zuneigung. So wie er uns liebt, so möchte er auch von uns geliebt werden. Aus Liebe zu ihm, nicht aus Angst oder Gefügigkeit, sollen wir tun, was seinem Willen entspricht.
Aber: Was sind denn seine Gebote, die wir halten sollen? Jesus hat uns keine Lehre hinterlassen. Er war kein Religionsstifter oder Sittenlehrer, der ein Buch über gut und böse, über richtig oder falsch geschrieben hat. Was er über Gottes Willen sagte, das war nie allgemein, sondern immer sehr konkret auf eine bestimmte Frage, eine bestimmte Situation bezogen. Er konnte sagen: Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich (Matth. 12,30, Luk.11,23). Er konnte aber – in einer anderen Situation – auch genau das Umgekehrte formulieren: Wer nicht gegen euch ist, der ist für euch. (Luk. 9,50).
In der Bergpredigt sagt Jesus: Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar (Matth. 5,39). Aber im Verhör vor dem Hohen Rat, zieht Jesus den Soldaten, der ihn schlägt, zur Rechenschaft: Wenn ich falsches geredet habe, dann beweise, dass es falsch ist! Wenn es aber richtig ist, warum schlägst du mich? (Joh. 18,23)
Wie also sollen wir wissen, was der Liebe zu Jesus entspricht und was wir aus dieser Liebe heraus tun sollen, hier und heute, so lange nach seinem Tod?
Was Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern damals zusagte, das sagt er auch zu uns: Ich lasse euch nicht als Waisen zurück. Er verspricht uns einen Helfer, den Geist der Wahrheit und dieser Geist wird uns – wie es ein wenig später in unserem Kapitel heißt – alles lehren und an alles erinnern, was Jesus uns gesagt hat, nicht nur mit seinen Worten, sondern in seiner ganzen Art zu leben.
Von diesem Geist der Wahrheit heißt es, dass wir ihn kennen, dass ihn aber „die Welt“ nicht empfangen kann. Das hört sich überheblich und intolerant an. Hier wir, die den Geist der Wahrheit kennen und verstehen. Und dort die anderen, die Welt, die diese Wahrheit nicht nur nicht verstehen will, sondern sie gar nicht verstehen kann. Hier wir, die Jesus sehen und verstehen und dort die Welt, die ihn nicht sieht. Das klingt nach der Denkweise des Fundamentalismus, dem Stoff, aus dem Krieg, Mord und Totschlag entstehen.
Was das Johannesevangelium hier wie an anderen Stellen so absolut formuliert, ist aber nicht so gemeint, wie es klingen mag und wie es später in der sogenannten Prädestinationslehre auf den Punkt gebracht wurde, dass nämlich Gott von vorneherein Menschen für das Glauben- und Verstehen-können und damit für das ewige Heil auserwählt hat und andere von vorneherein für den Unglauben und die Verwerfung.
Johannes behauptet keine Vorherbestimmung. Er beschreibt ganz einfach eine Erfahrung, die auch wir täglich machen. Wer denkt, wie „die Welt“ es vorgibt, wer denkt, wie es die Mächtigen und die von ihnen beherrschte „Öffentliche Meinung“ haben will, kann einfach nicht verstehen und nachvollziehen, wie wir das Leben sehen und erleben.
Es gibt so Vieles, was uns bewegt und ganz selbstverständlich zum Handeln herausfordert, was für „die Welt“ aber offenkundig keine Rolle spielt. Obwohl die Wahrheit für unser Verständnis ganz offen auf der Hand liegt, haben wir doch oft den Eindruck, dass es auch Menschen gibt, die das nicht nur nicht sehen wollen, sondern - zumindest dem Anschein nach – auch gar nicht sehen können.
Einige Bespiele mögen das verdeutlichen:
„Eigentlich“ müsste doch jeder und jede wissen, dass Krieg keine Probleme löst, sondern nur neue Probleme zu den alten hinzufügt, verbunden mit Tod, Angst, Schrecken, Leid und oft lebenslanger Traumatisierung. Trotzdem ist es wieder so weit, dass über den Angriff auf andere Länder in einer Weise diskutiert wird, als ginge es da einfach um eine unter vielen möglichen politischen Optionen.
„Eigentlich“ müsste doch auch jeder und jede wissen, dass Gott nicht nur uns Menschen, sondern auch alle Tiere und Pflanzen geschaffen hat und dass es deshalb nicht angeht, wenn wir Menschen täglich weitere Tier und Pflanzenarten zum Aussterben verurteilen. Trotzdem werden Naturschutzgebiete, die gerade erst geschaffen worden waren, aus wirtschaftlichen Gründen wieder aufgelöst, werden große Agrarbetriebe mit ihrem hohen Einsatz an Pestiziden und Herbiziden mehr gefördert als naturschonende Betriebe der Biolandwirtschaft. Und auch im eigenen Garten werden Tiere und Pflanzen, die man als Ungeziefer oder Unkraut betrachtet, erbarmungslos vernichtet.
„Eigentlich“ wissen auch alle, welche katastrophalen Folgen der von uns Menschen verursachte Klimawandel hat. Trotzdem denken Herr und Frau Jedermann weder an ein konsequentes Energiesparen noch gar an die aktive Beteiligung an der Erzeugung erneuerbarer Energien.
„Eigentlich“ könnte auch jeder und jede wissen, dass unsere Erde weit mehr Nahrung bereithält, als im Augenblick und auch in absehbarer Zukunft benötigt wird. Trotzdem lassen wir es zu, dass nach dem Welternährungsbericht der UNO jeden Tag 100.000 Menschen an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen sterben. Und dies, obwohl die Weltlandwirtschaft schon heute - ohne Gentechnik - problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren könnte, also das Doppelte der Weltbevölkerung, wie derselbe Bericht feststellt. Jean Ziegler, UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, sagt deshalb zu Recht: „Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet.“
Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten – sagt Jesus. Sein Geist der Wahrheit zeigt uns, wo wir unsere Liebe zu Jesus umsetzen können, in welche Richtung uns seine Worte und Gebote senden. Und das gilt nicht nur für uns, sondern für alle Menschen - auch wenn es im Predigttext heißt, dass „die Welt“ den Geist der Wahrheit nicht sieht und nicht kennt. Niemand ist ja gezwungen, in dieser Weise zur „Welt“ zu gehören.
Natürlich: Wo der Geist des Egoismus herrscht, da hat der Geist der Wahrheit keine Chancen. Auch wo der Geist der Rache und Vergeltung herrscht, hat der Geist der Wahrheit keine Chance. Und wo der Geist des „Geiz ist geil“ und „Hauptsache billig – egal auf wessen Kosten“ herrscht, da hat der Geist der Wahrheit erst recht keine Chance. Da kennt man ihn nicht und sieht ihn nicht und versteht ihn nicht – und möchte ihn auch gar nicht kennen und verstehen.
Doch niemand muss diese Geister über sich herrschen lassen. Spätestens seit Jesus gelebt hat, von der Welt umgebracht und von Gott zu neuem Leben erweckt wurde ist klar, dass nicht nur die Geister der Zerstörung unsere Welt bestimmen, sondern dass auch der Geist der Liebe in ihr zu finden ist; dass er uns ergreifen und uns einen völlig neuen Anfang, ein völlig neues Denken schenken will – eine neue Geburt, wie Jesus es im Gespräch mit Nikodemus am Anfang des Johannesevangeliums formuliert.
Alle sind eingeladen, sich aus dieser Welt und aus dem, was in ihr als selbstverständliche gilt, herausrufen zu lassen und – geleitet vom Geist der Wahrheit und der Liebe zu Jesus – ein Leben zu suchen, das nicht zerstört, sondern aufbaut, das nicht zuerst nimmt, sondern gerne gibt, das sich nicht abfindet mit dem Unrecht, das den Armen angetan wird, sondern den Mund aufmacht für alle, die man sprachlos gemacht hat – und nicht nur den Mund, sondern auch die Augen und Ohren, das Herz und vor allem die Hände.
Vor einigen Jahren wurde auf Kirchentagen und im Konfirmandenunterricht gerne ein Lied gesungen, das diese Einladung in die Nachfolge Jesu gut in Worte gefasst hat. Es heißt: Die Sache Jesu braucht Begeisterte – sein Geist sucht sie auch unter uns. Er macht uns frei, damit wir einander befreien.
In den Versen wird dann beispielhaft ausgeführt, wohin diese Begeisterung für die Sache Jesu, wohin die Liebe zu ihm, wohin der Geist seiner Wahrheit uns führt: Den Hasserfüllten hilft er zum Frieden mit sich selbst und den Mitmenschen; die Verzweifelten und Verbitterten ermutigt er zur Hoffnung; die Herzlosen und eiskalten Rechner bringt er zum Lieben; den von Krieg und Hunger Geplagten erlöst er zum Leben und den elend Gemachten schafft er Gerechtigkeit.
Und in alledem erfüllt sich die Zusage Jesu Ich lebe und ihr sollt auch leben, denn es ist ja sein Geist, der Helfer, den er uns gesandt hat, durch den das alles geschieht.
Jesus hat weder seine Jüngerinnen und Jünger damals noch uns heute als Waisen zurückgelassen. In seinem Geist ist er unter uns, zeigt er uns Wege der Liebe und gibt uns die Kraft, den Mut und die Freude daran, aus Liebe zu ihm das zu tun, was er uns gesagt und vorgelebt hat. Amen.
Liedvorschläge:
454, 1-6 (Auf und macht die Herzen weit)
128, 1-7 (Heilger Geist, du Tröster mein)
552, 1-5 (Einer ist unser Leben)
136,1+7 (O komm, du Geist der Wahrheit)
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