Die Verheißung des Heiligen Geistes
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
01.06.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Christi Himmelfahrt
Textstelle
:
Römer 8,26-30
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Wochenspruch:
"Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen." (Johannes 12, 32)
Psalm: 27, 1.8 - 9 b
Lesungen
Altes Testament: Jeremia 31, 31 - 34
Epistel: Epheser 3, 14 - 21
Evangelium: Johannes 15, 26 - 16, 4
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 123, 1 - 3 Jesus Christus herrscht als König
Wochenlied: EG 128, 1 - 7 Heilger Geist, Du Tröster mein
Predigtlied: EG 351, 1.3 - Ist Gott für mich 4.7
Schlusslied: EG 562, 1 - 3 Segne und behüte
Vielleicht haben Sie beim Zuhören aufgestöhnt: Nein. Das will ich nicht. Da komme ich nicht mit „Alle Dinge müssen denen zum Besten dienen, die Gott lieben.“ da stockt mir der Atem. Diese Worte des Apostels sind für mich keine Materialien für theoretische Diskussionen. Es sind Worte, die ermutigen und aufrichten wollen. Darum sind sie mir lieb und ich möchte sie Ihnen lieb machen.
In drei Punkten gehe ich diesen Worten nach:
• Wir dürfen über uns selbst vom Ziel her denken lernen.
• Wir dürfen uns in die Gottesbeziehung bergen.
• Wir müssen nichts mehr beschönigen.
1. Wir dürfen über uns selbst vom Ziel her denken
lernen
Michelangelo hatte Marmor gekauft und ging nun mit einem Freund um einen großen Marmorblock herum. Er blieb sinnend stehend, betrachtete den Block und man konnte sehen: es arbeitete in ihm: da fragte ihn der Freund: `Was ist denn so besonderes an diesem Steinblock. Gewiss, es ist Marmor, aber es ist doch nur ein großer Block.´ Da antwortete Michelangelo: `Siehst Du das denn nicht – in diesem Block steckt doch schon eine Figur. Ich sehe schon die ganze Schönheit der Statue, die aus diesem Block werden wird.´
„Denn die Gott ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.“ – so sagt es der Apostel Paulus.
Das ist wie bei Michelangelo: Gott sieht uns von dem Ziel her an, auf das er uns berufen hat. Über jedem und jeder von uns steht die Zielbestimmung Gottes: Berufen, ein Bruder, eine Schwester Jesu Christi zu sein. Berufen, das Ziel der Ewigkeit zu erreichen. Berufen, den Lobgesang ohne Ende zu singen. Berufen, mein Abbild in der Welt zu sein.
Von diesem Ziel her Gottes mit uns her haben wir eine unverlierbare Würde. Was an Menschenwürde und an Menschenrechten in den großen Verfassungstexten formuliert worden ist – hier wird es in der Ewigkeit, in Gottes Plan mit uns verankert: Die Würde des Menschen ist unantastbar – das hat hier in diesen Worten seinen Grund. Gott selbst sieht uns so an, dass wir Abglanz seiner Herrlichkeit sein sollen, dass wir in unserem Leben widerspiegeln dürfen, was an Licht aus seiner Ewigkeit auf uns fällt.
Sehen Sie, wir sehen so oft auf die Defizite: was alles nicht klappt, was alles unmöglich ist. Es ist ganz leicht, eine Veranstaltung mit lauter Klagen über die kümmerliche Figur der Mitchristen zu füllen. Sie sind nicht so fromm, wie sie sein sollten. Sie sind nicht so hingegeben, wie sie sein könnten. Sie sind nicht so ausstrahlend, wie sie sein müssten.
Erlauben Sie mir eine Frage: Machen solche Klagen Sie fröhlich? Wenn ich über die Mitchristen klage, weil ich sie anschaue auf das, was Sie jetzt gerade sind und leisten, dann packt mich immer eine tiefe Depression und Mutlosigkeit.
Das ändert sich schlagartig, wenn ich mir klarmache: das sind Menschen, die bei Gott schon als herrlich angesehen sind. Gott sieht sie schon am Ziel – du siehst sie nur unterwegs. Ein bisschen ist das wie früher bei Emil Zatopek – dem berühmten tschechischen Langläufer. Der sah nach 500m schon bemitleidenswert aus – aber am Ziel nach 10.000m war er vorne.
Vielleicht nehmen Sie den Satz von Hannelore Frank mit nach Hause: „Ich möchte gerne so sein, wie Gott mich haben will, weil er mich so behandelt, als wäre ich es schon.“ Gott geht heute schon mit uns in der Weise um, dass er uns auf unsere Existenz am Ziel ansieht – als seine Söhne und Töchter.
2. Wir dürfen uns in die Gottesbeziehung bergen
Nun müssen wir uns mit einem Missverständnis auseinandersetzen, das bei uns weit verbreitet ist. Wenn wir Gottes Söhne und Töchter sind – müsste er da nicht besser auf uns aufpassen? Müsste er da nicht dafür sorgen, dass wir nicht Böses erfahren, keinen Belastungen ausgesetzt sind? Müsste er da nicht dafür sorgen, dass uns nur das Gute widerfährt?
In der Mitte unseres Abschnittes steht dieser steile Satz: `Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen.´ Sofort höre ich den Widerspruch, bei anderen, aber auch in mir selbst: sollte das wirklich war sein? Alle Dinge? Alle Erfahrungen meines Lebens? Alle Niederlagen, die ich erleide? Alle Unglücke, die ich erfahre? Nimmst du da, lieber Paulus, nicht den Mund doch ein bisschen zu voll?
Wahr ist: Wer mit diesem Satz den Schmerz eines Menschen nieder-bügelt, der macht sich schuldig, der ist ein gefühlloser Trampel. Nein – das ist kein Satz billigen Trostes und es ist kein Satz einfacher Erklärungen: Sieh doch hin, für irgendetwas ist alles immer gut. Du hast deinen Arbeitsplatz verloren, da hast du doch jetzt viel Zeit. Du liegst im Krankenhaus mit schwerer Krankheit – da kannst du doch jetzt endlich einmal Zeit, dein Leben ordnen. Dir ist einer gestorben, dein Kind – wer weiß, was ihm alles erspart geblieben ist. So zu reden ist nur zynisch!
So können und dürfen wir mit diesem Wort nicht umgehen. Der Schlüssel zu diesem Wort liegt für mich im Weg Jesu: Er geht den Weg bis in die tiefste Tiefe. Er geht den Weg bis in die namenlose Angst des Todes, bis in das Dunkel der Gottesferne – und hält auf diesem Weg doch an Gott fest.
Und als er dort ist, in der Hölle, in der Dunkelheit des Todes, da wird alles anders – weil er an Gott festhält und weil Gott an ihm festhält. Da bricht die Macht des Todes und der Hölle und Jesus Christus bricht durch den Tod hindurch. Ein großer Theologe der alten Kirche hat gesagt: Wenn sich einer in die Hölle schicken lässt von Gott, dann wird die Hölle nicht mehr bleiben können, wie sie ist – dann wird sie zum Ort der Gegenwart Gottes werden müssen.
Das ist für mich der Horizont dieses Wortes: nicht „alles wird gut“ oder „alles ist gut“ – sondern: Dort, wo du bist, bist du nicht allein. Dort, wo deine Hölle ist, bist du nicht allein. Gott lässt dich nicht und darum wird deine Hölle nicht Hölle bleiben können, sondern du wirst dort Himmel erfahren – Gegenwart Gottes.
3. Wir müssen nichts mehr beschönigen
Wenn das wahr ist - Gott ist gegenwärtig, bis in die Hölle hinein – dann muss ich ja wirklich nichts mehr in meinem Leben schön-reden. Dann muss ich nicht mehr Kraftlosigkeit und Mutlosigkeit verschleiern, dann muss ich nicht mehr so tun, als wäre ich immer gut drauf.
Wir erfahren, vielleicht auch an uns selbst, dass starke Menschen manchmal aufstöhnen: Ich kann nicht mehr. Wir erleben, dass starke Menschen leer laufen. Auf die Dauer hält das keiner aus, dass immer mehr von ihm verlangt wird, dass die Aufgaben immer größer sind als die Kräfte und die Zeit, die dafür zur Verfügung stehen. Burn out ist mehr als ein modisches Wort. Es ist Erfahrung ungezählter Leute heutzutage.
Das gibt es auch im Glauben. Wir wissen nicht mehr, was wir beten sollen. Wir wissen nicht mehr, wie wir beten sollen. Hier geht es nicht um fehlende Begriffe und um fehlende Praxis: Ist Händefalten oder Händeheben angesagt? Hier geht es darum, dass uns das Leben die Worte aus dem Mund schlägt, dass uns die Schläge manchmal wie ein Fausthieb treffen und alles wird leer. Hier geht es darum dass wir beten möchten und wissen doch nicht, was und wie!
Es gibt Lebenssituationen, die uns die Sprache verschlagen. Ich habe kein Bild vor Augen, wo ich hin beten soll. Soll ich Gott bitten, dass er ein Ende macht oder soll ich bitten, dass er weitermacht? Soll ich, kann ich, darf ich um das Wunder beten? Mache ich mir nicht selbst etwas vor, wen ich Worte beten, hinter denen ich innerlich gar nicht mehr stehen kann? Du betest um Gesundheit – aber du glaubst es doch nicht. Die Ärzte haben längst gesagt: hoffnungslos. Bete doch um ein gnädiges Ende.
Ich kenne das von mir selbst: Ich halte nicht durch in der Fürbitte für Menschen, die mir wichtig sind – und klage mich an. Ich möchte beten, aber ich traue meinen unausgesprochenen Worten nicht und die ausgesprochenen wirken schal. Das ist die Schwachheit, von der hier die Rede ist.
Und nun sagt mir Gott durch Paulus: Du darfst dir das eingestehen. Da musst dich nicht selbst stark machen. Du musst nicht deine innere Leere schön-reden, musst nicht dein Verzagen aus eigener Kraft überwinden. Du musst nicht die richtigen Worte und die Zauber-Formeln finden, die alles wenden. Du darfst dich mir lassen. Ich weiß doch, was du brauchst. Ich weiß doch, was du schweigend stammelst. Ich weiß doch, was du wortlos rufst. Ich weiß doch, was du mit jeder Faser deines Herzens erflehen möchtest. Und ich weiß auch, was dir gut sein wird.
Das ist, was mich tröstet: Ich muss keinen geistlichen Standard erreicht haben – Gott hört. Gott versteht. Ich darf mich einfach Gott überlassen. Ich darf beten, wie es heute geht – mit allem Unverstand und aller Unsicherheit, angefochten und mit allem Verzagen. Und er, Gott, hört und versteht und macht, was werden soll. Und Gott wird tun – über unser Bitten und Verstehen hinaus.
Verfasser: Pfarrer i. R. Paul-Ulrich Lenz
Am Litzenau 17, 63689 Schotten
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