Die Verheißung des Heiligen Geistes
von Reinhold Truß-Trautwein (60487 Frankfurt am Main)
Predigtdatum
:
16.05.2010
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Christi Himmelfahrt
Textstelle
:
Epheser 3,14-21
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Wochenspruch:
„Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ (Joh 12, 32)
Psalm: 27 in Auswahl (EG 714)
Lesungen
Altes Testament:
Jeremia 31, 31 – 34
Epistel:
Epheser 3, 14 – 21
Evangelium:
Johannes 7, 37 – 39 (i. Abw.)
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 390
Erneure mich, o ewigs Licht
Wochenlied:
EG 128, 1 – 5
Heiliger Geist, du Tröster mein
Predigtlied:
EG 130, 1.3.5
O Heiliger Geist, kehr bei uns ein
Schlusslied:
EG 140
Brunn alles Heils, dich ehren wir
Predigt: Zum Niederknien
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.
Der für heute vorgeschlagene Predigttext steht im Epheserbrief, im 3. Kapitel. Es sind nur drei Sätze, die der Apostel hier an die Gemeinde schreibt; aber die sind relativ lang und verschachtelt:
Verlesen des Textes
Liebe Gemeinde,
Jesus wird ja öfters zitiert mit dem Satz: Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Stimmt, so ist das hier auch.
Beim Hören kann man unmöglich alles erfassen. Möglicherweise sagt jemand: „Hallo?! Das ist an mir vorbeigerauscht. Ich habe kaum etwas mitgekriegt.“ Auf der anderen Seite sagt vielleicht jemand: „Was für wunderbare Worte! Das hat mich berührt.“ Beides ist möglich. Denn hier herrscht sprachlicher Überschwang.
Was tut der Apostel? Er betet – auf zwei Weisen:
Er hält Fürbitte und er feiert Anbetung. Er preist Gott; und er bittet für Menschen, die ihm wichtig sind.
Jesus hat das auch mal getan, für einen Menschen gebetet: für Petrus – und hat ihn das auch wissen lassen: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.
Da reichen wenige Worte. Und ich glaube, mit denen könnte man diese ganze Fürbitte hier auch gut zusammenfassen und auf den Punkt bringen: Ich bete zu Gott, dass euer Glaube nicht aufhöre.
Denn darum geht es: Dass der Glaube bedroht ist. Die Christen und Christinnen in der zweiten Generation in der Stadt Ephesos haben es schwer. Durch bisherige gute Nachbarschaften sind Risse gegangen, in manchen Familien ist es zu heftigen Auseinadersetzungen und zu Brüchen gekommen. Weil Menschen sich dem neuen Glauben angeschlossen haben. Weil sie ihren Gott jetzt in dem Vater Jesu Christi erkennen und in Christus den einzigartigen Menschen sehen, der diesen Gott eng mit ihrem Leben verbindet. Vorher waren sie entweder Juden und Jüdinnen oder Heidinnen und Heiden. Jetzt müssen sich jeweils in ihrem Umfeld neu finden, sich verorten und sich auch verteidigen.
Der Apostel kennt diese Situation sehr genau. Und die Leute liegen ihm am Herzen. Deshalb schreibt er ihnen einen längeren Brief, der ihnen weiterhelfen soll.
Übrigens handelt es sich sicher nicht um Paulus, auch wenn er diesen Namen verwendet. Der Schreiber ist wohl ein Schüler des Paulus, von ihm stark beeinflusst und in seinem Geist und seinem Sinn unterwegs. Darum soll der Brief nun auch dessen großen Namen tragen: Paulus.
Man kann dieses Phänomen gut mit der Malerei Rembrandts vergleichen: Eine ganze Reihe von Gemälden, die seine, Rembrandts, Unterschrift tragen, stammen nicht von ihm selbst sondern aus seiner Schule. Das hat man ja zunehmend herausgefunden. Auch bei dem berühmten „Mann mit dem Goldhelm“ z. B. ist das der Fall. Von Rembrandt selbst stammt nur die Signatur. Ob das den Wert dieses Kunstwerks schmälert? Es bleibt doch hohe Kunst und starker Ausdruck, mit Ausstrahlung und mit Wirkung – wie auch in diesem Brief nach Ephesus.
Der ganze Brief ist zum Vorlesen in der Gemeinde gedacht, besonders auch diese Zeilen aus dem 3. Kapitel. Denn alle sollen wissen, dass da jemand ist, der für sie betet - und wie. Zum Niederknien, sozusagen – auch ganz im wörtlichen Sinn: Ich beuge meine Knie, sagt der Apostel. Tatsächlich, er kniet beim Beten. Das ist mehr als eine Geste; es ist eine Haltung: Demut gepaart mit Intensität - in der Spannung zwischen Abstand und Nähe zu Gott.
Sicher, wir in den evangelischen Kirchen gehen in der Regel nicht auf die Knie, und das hat auch gute Gründe. Denn es kann leicht zu Verwechslungen kommen. Dann erscheint Demut Gott gegenüber als Unterwürfigkeit gegenüber Menschen oder gegenüber Traditionen.
Auch wer im Sitzen betet oder aufrecht im Stehen, kann diese andere Haltung einnehmen, innerlich und von Herzen: Demut gepaart mit Intensität. Diese Erfahrung kennen viele.
Ebenso wie die andere, auf die es hier ankommt: Wie gut es tut und was es bewirken kann, zu wissen: Es denkt jemand an mich, intensiv, es betet jemand für mich.
Und warum nicht sich auch vorstellen, wie Jesus selbst das tun könnte, im Himmel, in einem anderen Leben, aber mit unserem eng verbunden, mit deinem und meinem: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Für dich!
Oder wie im Himmel vielleicht jemand anderes, ein Mensch, der vielleicht längst gestorben ist, diese Verbindung zu mir hält, an mich denkt und für mich betet. Wer weiß?
Wie war das im Text, in der Fürbitte des Apostels?
Ich beuge meine Knie vor dem Vater, dass er euch Kraft gebe..., stark zu werden durch seinen Geist ... und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.
Das höre ich gerne; das bedeutet etwas, da liegt Segen drin, in diesen Worten: Du sollst die Kraft bekommen, die du brauchst; du sollst festen Boden unter deinen Füßen haben!
Der Apostel wendet sich an Gott als den Vater, der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden. Der Schreiber teilt damit eine verbreitete Vorstellung. Was sie für mich vor allem besagt, finde ich treffend und schön ausgedrückt in den folgenden Sätzen; sie stammen von dem Tübinger Theologen Eberhard Jüngel:
„Glaubend erkenne ich, dass Gott mein Herz bereits erobert hat, um eine neue Person aus mir zu machen: nämlich die Person eines Kindes, das in Gott seinen Vater hat. ... Wer das Kind in sich gedeihen lässt, ... wird in dieser Welt und in weltlichen Dingen eine selbständige, eine mündige, eine wirklich erwachsene Person.“
Gottes Kind zu sein bedeutet, wirklich erwachsen zu werden. Dieser Gedanke gefällt mir gut – nicht zuletzt deshalb, weil ich ihn vorher selbst auch schon mal hatte... Bestätigung macht Freude!
Was mir darüber hinaus gut gefällt, ist die Formulierung: „Gott hat mein Herz erobert“ und „eine neue Person aus mit gemacht.“ So rede ich normalerweise von meiner Frau – jedenfalls in guten Momenten. So reden Liebende.
Da ist es zur Anbetung manchmal nicht weit.
In dem Sinn, zu sagen: „Du bist das Beste, was mir passiert ist.“ Zugegeben, inzwischen ein etwas abgenutzter Satz! Aber es gibt vieles in dieser Art: „Du bist mein Augenstern, meine Sonne, die Liebe meines Lebens“; oder auch: „Für mich bist du schön.“ Wie auch immer.
Es wäre übrigens ein interessanter Versuch - und sicher ein lohnender -, Wendungen in dem einen oder anderen Liebesgedicht auf Gott zu übertragen – und umgekehrt: Wendungen aus dem Gesangbuch, die sich auf Gott oder Christus beziehen, zu übertragen auf einen geliebten Menschen.
Ein kleines Beispiel? Gut:
...Meine Freude, meines Herzens Weide, meine Zier ... außer dir soll mir auf Erden nichts sonst liebers werden... du bist mein Ergötzen, meine Lust.
Das stammt aus dem Choral Jesu, meine Freude – sicher hat es die eine oder der andere gleich erkannt. Bei diesem Versuch ist klar: Man soll da nichts durcheinander bringen! Gott ist Gott und Mensch ist Mensch; und Christus ist einzig in seiner Art.
Aber Gottesliebe und menschliche Liebe speisen sich offenbar doch aus einer Quelle – jedenfalls wenn sie in Sprache gefasst werden. Wie gut!
Das Unfassbare fassen, das Unbegreifliche begreifen, darum geht es in diesem Gebetstext aus dem Epheserbrief – wobei klar ist, dass das letztlich nicht geht. Das Gebet mündet in Anbetung: Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen,... dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Anbetung findet auch in unseren Gottesdiensten statt. Nach dem Eingangspsalm z. B., wenn wir singen: Ehr’ sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist... Oder auch beim Abendmahl: Heilig, heilig, heilig, ist der Herre Zebaoth... Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn...
Die Kinder im Kindergottesdienst singen manchmal übrigens etwas ganz Ähnliches, um das Unfassbare zu fassen – mit einem Lied von Rolf Krenzer: Gottes Liebe ist so wunderbar... So groß, wie der höchste Turm... So hell, wie der Sonnenschein... So tief, wie das große Meer.
Und wem das vielleicht zu kindgemäß oder zu kindlich ist: Es gibt etwas direkt Vergleichbares von Martin Luther, und zwar in einem Text „Vom Abendmahl Christi“; da schreibt Luther: Nichts ist so klein, Gott ist noch kleiner. Nichts ist so groß, Gott ist noch größer.
Nichts ist so kurz, Gott ist noch kürzer...
Ist’s ein unaussprechlich Wesen über und außer allem, dass man nennen oder denken kann.
Und doch kann man Gott nennen und denken. Jedenfalls tun wir es.
Und wir können spüren, was es bedeutet, dass jemand anderes an uns denkt und für uns betet. Und wir selbst können uns zu Gott hinwenden: beten, bitten für andere - und auch für unser eigenes Leben; Gott anbeten und den Namen preisen. Mit unserem kleinen, großen Glauben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Verfasser: Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein, Grempstraße 43, 60487 Frankfurt
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