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Die wartende Gemeinde

von Ulf Häbel (35321 Laubach-Freienseen)

Predigtdatum : 16.05.1999
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christi Himmelfahrt
Textstelle : Johannes 7,37-39
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Wochenspruch:

Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. (Johannes 12,32)

Psalm: 27,1.7-14 (EG 714)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 31,31-34
Epistel:
Epheser 3,14-21
Evangelium:
Johannes 15,26-16,4

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 123
Jesus Christus herrscht als König
Wochenlied:
EG 128
Heilger Geist, du Tröster mein
Predigtlied:
EG 66,7-8
oder EG 140
Jesus ist kommen, d. Quelle der Gnaden
Brunn alles Heils, dich ehren wir
Schlußlied:
EG 562
Segne und behüte uns durch deine Güte

Liebe Gemeinde!
Wir alle haben unsere Vorstellungen vom Leben und machen uns Bilder von dieser Welt. Geradezu sprichwörtlich ist die philosophische Rede vom Weltbild, das die Menschen haben, und auch vom Menschenbild – sei es nun christlich oder anders geprägt.
Welche Bilder bzw. Vorstellungen haben Sie?
Ich habe Konfirmanden gefragt, wie sie das Leben sehen.
“Leben ist wie..?” lautete die Frage. Die Antworten sollten aber nicht mit Worten gegeben, sondern mit Bildern dargestellt werden. Jedes Mädchen, jeder Junge der Gruppe bekam ein großes weißes Papier und dazu eine Büchse voller Buntstifte. Auf dem Blatt, das einer unbemalten Leinwand glich, sollte dann das Bild des Lebens entstehen, wie die 14jährigen es eben sehen. Es war sehr eindrücklich, was dabei herausgekommen ist:
Einer hatte das Leben als Quelle gemalt. Er verglich das menschliche Dasein mit sprudelndem, fließendem Wasser. “Wenn die Quelle versiegt, ist das Leben vorbei”, meint er fast lapidar.
Ein anderes Bild zeigte einen Fluß. Das Leben glich da einem Strom, der mit der Geburt als einem kleinen Bach beginnt, und dann allmählich größer wird, mit einem anderen Strom zusammenfließt und schließlich im Meer mündet.
Es gab noch viele andere Darstellungen. Die meisten Bilder zeigten irgend etwas aus der Natur – sonnige Höhen oder gähnenden Abgrund, Berg und Tal, Blume und Fels. So vielfältig waren die Sinnbilder des Lebens.
Noch manche andere Metapher wurde von den jungen Menschen gewählt.
Auffällig war, daß auf fast allen Bildern Wasser vorkam. Diese Beobachtung kommentierte ein Mädchen kurz und einleuchtend: “Das ist doch ganz klar; ohne Wasser gibt es kein Leben!”
Diese Erkenntnis haben die Kinder natürlich längst durch den Biologieunterricht in der Schule und durch ihre eigenen Alltagserfahrung gewonnen. Sie stimmt ja auch in zweierlei Hinsicht:
Zum einen wissen wir, daß entwicklungsgeschichtlich betrachtet das Leben höherer Säugetiere und das des Menschen aus dem Leben im Wasser hervorgegangen ist. Und zum anderen weiß schon jedes Kind, daß kein Organismus ohne Wasser überleben kann.
Um das Wasser als Urelement allen Lebens geht es auch in dem heutigen Predigttext. Es sind zwei Sätze aus dem Johannesevangelium:
37 Am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! 38 Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. 39 Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.
Diese Sätze stehen im 7. Kapitel des Evangeliums. Es wird an dieser Stelle der Bibel berichtet, daß Jesus zum Laubhüttenfest nach Jerusalem gekommen sei. Das war zur damaligen Zeit das größte volkstümliche Fest der Juden, das sie zur Erinnerung an die Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens gefeiert haben. Es dauerte eine ganze Woche und war offensichtlich mit vielen Gebräuchen aus Erntefesten und Erntedank verbunden.
So gab es an einem der Festtage die Sitte, reife Früchte des Feldes in den Tempel zu bringen und sie als Zeichen des Dankes zu opfern. An anderen Tagen brachten die Bauern Erstlinge aus ihren Herden und opferten bzw. spendeten diese. Am letzten Tag des Festes, so behaupten wenigstens einige Forscher, habe man die Wasserspende erbracht. Man holte frisches Wasser aus dem stadtnahen Teiche Siloah und goß es unter dem Absingen von Dankpsalmen und Lobpreisungen in den Tempelhof. So stellte man ritualisiert und für alle sichtbar dar:
Ohne Wasser gibt es kein Leben!
Zu diesem Ritus könnten die Worte Jesu gut gepaßt haben: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!
Denn nicht nur der Körper braucht Wasser, um zu überleben. Auch der innere Mensch, unsere Seele, braucht eine solche lebensspendende Gabe wie das Wasser. Und Jesus sagt: Ich bin diese Quelle des Lebens; kommt und trinkt! Ich gebe eurer Seele, was sie braucht: Labsal, Erquickung, Frische und Kraft.
Manchen von Ihnen, liebe Gemeinde, werden jetzt beim Zuhören wahrscheinlich die Worte aus dem Heilandsruf eingefallen sein: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Doch im Zusammenhang unseres Predigttextes gilt das Angebot Jesu nicht nur den Mühseligen und Beladenen. Es ist den Menschen, die ein fröhliches Fest feiern, zugesprochen. Bei dem Laubhüttenfest ging es fröhlich zu – vielleicht einer heutigen Dorfkirmes oder einem Sommerfest der Gemeinde vergleichbar.
Kommt und trinkt, nehmt und gebt vom Wasser des Lebens. Das ist demnach eine fröhliche Sache. So lebendig und quirlig lebendiges Wasser strömt, so soll auch die Freude des Lebens und der Dank für Erquickung und Labsal der Seele sprudeln.
In manchen deutschen Städten steht an Straßenbahn und Bussen: Ohne Wasser kein Leben - oder: Jeder Tropfen ist kostbar.
Damit soll uns allen, die wir es lesen, bewußt gemacht werden, wie kostbar und wie knapp dieses Urelement des Lebens ist, mit dem man sparsam und schonend umgehen muß. Und wie man hört, hat diese Aktion auch Erfolg gehabt. Mindestens in Frankfurt soll der Wasserverbrauch, der bis in verschwenderische Größen angestiegen war, zurückgegangen sein. Was für das Wasser, das jeder Organismus zum Überleben braucht, gilt, das gilt genauso für die Nahrung unserer Seele. Gottes Wort, das uns innerlich ernährt und erhält, ist so kostbar wie das Wasser. Man darf’s nicht verschleudern, sondern nur behutsam weitergeben zur Nahrung und Erquickung für dürstende Seelen.
Wer an mich glaubt, sagt Jesus, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das heißt, daß der Glaube durch seine leibhaftige Existenz Labsal und Erquickung gibt, Hoffnung und Liebe zu anderen Menschen strömen läßt.
Wie kann das sein?
Vielleicht haben Sie innere Ruhe nun im letzten Teil der Predigt eine Fantasiereise mitzumachen.
(hier evtl. eine kurze meditative Orgelmusik bzw. Musikstück vorsehen)
Stellen Sie sich vor, Sie gingen aus dieser Kirche, draußen über den Platz, durch den Ort bis aufs freie Feld.
Sie gehen über hartes, ausgetrocknetes Feld; der Boden ist ausgedörrt und die Sonne brennt darauf. Auch um Sie her ist brütende Hitze, die alles verdorren ließ. Man sieht kein grünes Gras, nur Staub; keinen Baum, der Schatten wirft, nur flimmernde Hitze. Um uns her ist Wüste, sonst nichts.
Da kommen wir an einen Brunnen, Sie und ich.
Aus uralten Steinen ist er errichtet. Innendrin bewahrt er das Wasser auf, das Leben ist. Ich gehe bis an den Brunnen, neige mich über den Rand. Frische Kühle steigt auf. Klares lebendiges Wasser ist da. Ich schaue hinein, und ich erkenne im Wasser mich selbst. Im kühlen Wasser steht mein Spiegelbild. Ich erkenne es an meiner Frisur, der Form meines Kopfes; ich erkenne mich an den Augen, an meinem Mund.
Ich schaue solange hinein, bis ich das Gefühl habe, ich wäre mein Bild dort im Wasser selbst.
In meinem Gefühl und in Gedanken bin ich das Wasser im Brunnen selbst. Ich bin dieser Brunnen, in dem Wasser des Lebens aufbewahrt ist.
Da höre ich, daß sich Schritte meinem Brunnen nähern, Menschen kommen Schritt für Schritt näher. Es sind fröhliche Kinder; sie tanzen um den Brunnen herum; sie klatschen in die Hände aus Freude über den Brunnen. Sie lehnen sich über das alte Gemäuer und schauen zu mir herunter. Da spüre ich in mir den Wunsch: Die sollen hierbleiben, um den Brunnen herum spielen; sie können frisches Wasser von mir haben soviel sie wollen. Und ich spüre gutes und gelungenes Leben in mir und um mich herum.
Doch dann entfernen sie sich wieder. Das Lachen verklingt, ihre Schritte verhallen. Und ich bin wieder mit mir allein. Nach einer Weile höre ich andere Schritte. Sie kommen langsam, zögernd nur näher. Dieser Schritt ist schwer, unsicher, stockend. Da beugt sich über den Rand meines Brunnens ein Mensch, den ich nicht sonderlich mag. Ich habe es schwer mit ihm und er wohl auch mit mir. Ich spüre all den Ärger mit ihm, den wir in der letzten Zeit hatten. Ob ich ihm von meinem frischen Wasser etwas gebe??? Er steht da und wartet wohl darauf. Soll ich auch ihm etwas geben???
Noch einmal entfernen sich Schritte und andere nähern sich. Diesmal ist es ein leichterer Gang, den ich höre. Als mein Blick aus dem Brunnen hoch zum blauen Himmel sich wendet, erkenne ich einen Menschen, den ich sehr mag. Es ist jemand, der mir vertraut ist und dem ich auch vertraue – ein guter Mensch, dem ich mich öffne. Er darf soviel Wasser von mir nehmen, wie er will. Er soll bei mir bleiben, trinken, soviel er nur mag. Er darf bei mir sitzen, ausruhen, sich anlehnen und auch erquicken, Wasser des Lebens nehmen; ich gebe es gern.
Er lacht mir zu; dann dreht er sich um und verläßt meinen Brunnen. Nun bin ich wieder bei mir. Meine Gedanken wandern noch einmal zu den Menschen, die meinen Brunnen besucht haben. Sind wir nicht alle wie solche Brunnen mit lebendigem Wasser. Menschen kommen und gehen und warten auf Labsal der Seele. Im Namen Jesu können wir einander erquicken. Denn schließlich sprach Christus uns zu: Wer an mich glaube, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Amen.

Verfasser: Pfr. Ulf Häbel, Wintergasse 19, 35321 Laubach

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