Die wartende Gemeinde
von Marilott Grosch (63329 Egelsbach)
Predigtdatum
:
08.05.2005
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Christi Himmelfahrt
Textstelle
:
Johannes 7,37-39
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Wochenspruch:
Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. (Johannes 12,32)
Psalm: 27,1.7-14 (EG 714)
Lesungen
Altes Testament:
Jeremia 31,31-34
Epistel:
Epheser 3,14-21
Evangelium:
Johannes 15,26-16,4
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 325
Sollt ich meinem Gott nicht singen
Wochenlied:
EG 128
Heilger Geist, du Tröster mein
Predigtlied:
EG 140
Brunn alles Heils
Schlusslied:
EG 130
O Heilger Geist, kehr bei uns ein
37 Am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! 38 Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. 39 Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.
Liebe Gemeinde,
jedes Jahr im Herbst feiert Israel zur Zeit der Ernte das Laubhüttenfest, auf hebräisch „Sukkot“. Fröhlich geht es dabei zu. Das Laubhüttenfest dauert eine Woche lang. Bereits am Abend vor dem Fest beginnen viele Familien mit dem Bau und Einrichten von Laubhütten. Sogar nichtreligiöse Familien pflegen heute noch diesen Brauch. Sie schlagen jedes Jahr die „Sukka“ - die Laubhütte - aus Brettern auf und decken das Dach mit Laub so leicht, dass man die Sterne durchsehen kann. Innen statten sie die Hütte wohnlich aus und schmücken sie mit Früchten, Zweigen und Blumen um sie als Wohn- und Esszimmer zunutzen.
Sie beginnen das Fest mit dem Segen „Der uns mit seinen Geboten geheiligt und uns geboten hat, in der Sukka zu wohnen“ und beenden es mit dem Gebet „Um deinetwillen, von dir her, sind wir, was wir sind und haben wir, was wir haben. Auf dich sind wir auch fernerhin angewiesen.“
Sukkot, das Laubhüttenfest, geht zurück auf das dritte Buch Mose (Kap. 23, Verse 36ff): „Sieben Tage sollt ihr in Laubhütten wohnen. Wer einheimisch ist in Israel, soll in Laubhütten wohnen, dass eure Nachkommen wissen, wie ich die Israeliten habe in Hütten wohnen lassen, als ich sie aus Ägyptenland führte. Ich bin der Herr, euer Gott.“
Das Laubhüttenfest ist gleichzeitig sowohl ein Erntedankfest als auch ein Fest der Erinnerung an die Wüstenzeit. Während der Wanderung durch die Wüste waren die Israeliten Nomaden, hatten kein eigenes Land, das sie bebauen konnten. Sie brachten keine Saat aus und waren darauf angewiesen, das zu ernten, was Gott ihnen zukommen ließ. Das Manna, das Wüstenbrot, konnte man nicht lagern und war immer nur einen Tag lang genießbar. Am zweiten Tag war es verdorben. Das Essen für den nächsten Tag war nicht gesichert, sie mussten sich ganz auf Gott verlassen.
An diese Wüstenzeit sollen sich die Israeliten immer wieder erinnern, vor allem auch in dem Land, in dem sie wohnen, in dem sie säen und ernten, in dem sie nicht von der Hand in den Mund leben müssen wie in der Wüste.
In der Wüste gibt es nichts Überflüssiges. Alles ist oder wird bedeutend. Hier kann man sich auf Wesentliches und Lebensnotwendiges konzentrieren. Wüstenzeiten sind karge Zeiten. Daran soll sich das Volk Israel immer wieder aufs Neue erinnern. Und diese Erinnerung an die Wüste soll von Generation zu Generation weiter gegeben werden - bei einem schönen und fröhlichen Fest. Besonders zu Zeiten des Überflusses ist es gut, sich an karge Zeiten zu erinnern. Wir spüren dann unsre Abhängigkeit von Gott deutlich - wenn wir es zulassen.
Selbstverständlich feierte Israel auch zur Zeit Jesu das Laubhüttenfest. Es war üblich, dass ein Priester vom Tempelberg zum Teich Siloah hinunterging, dort einen Krug mit Wasser füllte und ihn in feierlicher Prozession zum Tempel hinauftrug. Die Menschen jubelten, und beim Klang der Tempelmusik wurde das Wasser aus dem Krug zusammen mit einer Kanne Wein in silberne Schalen am Altar gegossen. Die Worte Jesajas wurden lebendig: „Ihr werdet mit Freude Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnen.“
Doch die Lebendigkeit und die Freude hat sich vielleicht bei dem einen oder anderen in Stolz umgekehrt. Manch einer meinte, den Heilsbrunnen zu besitzen, aus dem sie das Wasser schöpften. In die Prozession mit dem goldenen Wasserkrug, in die Feier mit den Wasserschalen rief Jesus hinein: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ So steht es im Johannes-Evangelium, Kapitel 7, in den Versen 37 bis 39, unserem heutigen Predigttext.
Jesus sieht die Menschenmenge und hört die Jubelrufe. Aber schöpfen sie denn wirklich voller Freude aus dem Heilsbrunnen? Bleiben nicht bei aller Schönheit des Festes manche durstig und kein Wasser kann ihren Durst stillen? Solche ruft Jesus zu sich. Denn bei ihm ist das, was dem Fest bei allem Glanz fehlt. Der Heilsbrunnen ist Jesus selbst. Bei ihm wird der Durst gelöscht.
Das ist der Unterschied zwischen „Sein“ und „Haben“: Jesus ist das lebendige Wasser und bringt das Heil, er ist der Heiler selbst. Manche Menschen dagegen meinten, den Heilsbrunnen zu besitzen. Sie glaubten das Heil nach Belieben mit dem Wasser aus dem Brunnen schöpfen zu können. Durch das Wasser sollte auch das Heil zur Verfügung stehen, wie man es grade brauchte. Man hatte es ja.
Dagegen der Ruf Jesu, der die lebendige Quelle ist. Wasser ist Lebensgrundlage. Ohne Wasser können wir Menschen nur wenige Tage überleben. Erst seitdem Wasser auf der Erde ist, gibt es auch hier Leben. Nur auf Planeten, auf denen es Wasser gibt, wohnen Lebewesen. Bei Wasserknappheit gibt es Kriege um Wasserquellen. Auf unserer Erde werden die Wüstengebiete immer größer, der Gürtel mit wasserarmen Gebieten dehnt sich aus. Wir drehen dagegen einfach den Wasserhahn auf. Erst bei Wassermangel erkennen wir, dass Wasser lebenswichtig ist. Abgestandenes Wasser, stehende, nicht fließende Gewässer mit Anreicherungen an Bakterien, so genanntes totes Wasser macht krank. Dagegen macht fließendes Wasser gesund, schafft Leben. Frauen nehmen die Mikwe, das rituelle Bad, regelmäßig in fließendem Wasser.
Mit seinem Ruf, „wen da dürstet, der komme zu mir und trinke“, lädt Jesus ein, er bietet an. Damals gab es, wie auch heute die Dürstenden, die bei aller Fülle der Feierlichkeiten, bei den Festen und vielleicht auch im herkömmlichen Gottesdienst nicht das finden, was ihren Durst stillt.
Durch das, was wir besitzen, finden wir nicht die Erfüllung. Der Reichtum des Daseins, die Fülle des Lebens kommt durch Gottes Wort, kommt auch durch Jesus, der die uns zugewandte Seite Gottes ist. Was wir Menschen suchen, wonach wir in unserem Durst und in unserem Hunger nach wirklichem Leben verlangen, ist Gott. Wer uns in die Tiefe und in den Reichtum des Lebens führt, ist Jesus Christus. Wen dürstet, kann zu Jesus kommen.
Die Worte Jesu sind Verheißung und Zusage, sie sind aber auch zugleich ein klares „Nein“ zu jedem möglichen Ersatz von Leben und Heil, mit dem viele Vorlieb nehmen. Ein „Nein“ zu Zerstreuung und Oberflächlichkeit, aber ein entschiedenes „Ja“ für Sammlung, Tiefe und Gottsuche.
Das Wasser des Heils, die Quelle, ist für alle da. Sie wirkt sich durch das Leben der Glaubenden auch für andere aus. Von dem, der an Gott glaubt, werden Ströme lebendigen Wassers fließen; nicht nur kleine Flüsse, sondern wirklich Ströme lebendigen Wassers. Jesus lehrt uns, dass Leben erfüllt ist, wenn es zum lebendigen Wasser für andere wird. Gott schenkt die Fülle nicht nur dem Empfänger der Gnade, sondern auch immer im Hinblick auf dessen Nächsten. Amen.
Verfasser: Präd. Dr. Marilott Grosch, Erich-Kästner-Str. 66, 63329 Egelsbach
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